An Bord des "Siegerfliegers"
15. Juli 2014Jubel brandet auf. Als sich die Türen des Fluges LH2014 langsam öffnen, die Freude oben auf dem Dach des Flughafens Berlin-Tegel kennt keine Grenzen. Deutschlandfahnen werden geschwenkt, Plakate hochgehalten und natürlich gewunken. Hunderte Fans sind auf die Dachterrasse des Flughafengebäudes gekommen und bereiten der Mannschaft einen weltmeisterlichen Empfang. "What a crowd", twittert Mesut Özil, während er sichtlich gut gelaunt mit seinen Teamkollegen aus dem "Siegerflieger" steigt, wie ihn die Fluggesellschaft beschriftet hat. Was folgt ist ein beispielloser Empfang durch rund 400.000 Menschen auf der prall gefüllten Fanmeile am Brandenburger Tor.
13 Stunden zuvor am internationalen Flughafen von Rio de Janeiro. Eine zweigeschossige Boeing 747-8 steht im späten Nachmittagslicht vor dem Terminal. Ein paar deutsche Fans stehen hinter einer kleinen Mauer am Rollfeld und winken, während die Nationalelf den Flieger in Richtung Heimat besteigt - mit dem WM-Pokal im Handgepäck. Kurz danach gehen auch Betreuer sowie Familien der Nationalspieler an Bord und zum Schluss auch wir Journalisten.
Auch Weltmeister sind normale Passagiere
Unser Weg in die Economyclass führt durch die First Class, wo bereits die DFB-Delegation um Präsident Wolfgang Niersbach Platz genommen hat, und geht dann weiter durch die Businessclass, in der die Spieler sitzen. Jérôme Boateng schaut gedankenverloren aus dem Fenster, Lukas Podolski lässt uns freundlich durch, Christoph Kramer verstaut sein Gepäck im Fach über seinem Sitz und Miroslav Klose spricht mit seinen beiden Zwillingen. Die Weltmeister als ganz normale Flugzeugpassagiere. Nur den Bundestrainer sehen wir nicht, der sitzt eine Etage weiter oben auf Platz 81C, natürlich in der ersten Reihe.
Bis auf den letzten Sitz ist die Maschine besetzt, eigentlich kann es jetzt losgehen. Doch dann eine Durchsage über das Bordmikrofon: Ein Gepäckwagen sei gerade gegen den Rumpf der Maschine gefahren, berichtet der Kapitän. "Wir haben einen kleinen Kratzer im Lack, nichts Ernstes. Aber der Abflug wird sich verzögern." Zweieinhalb Stunden später, um 18:27 Uhr Ortszeit, hebt der große Vogel endlich ab. Als wenig später die Reiseflughöhe erreicht ist und die Anschnallzeichen erlöschen, bricht bei einigen Kollegen Hektik aus. Eilig hasten mehrere Journalisten zum Satellitentelefon, über das sie live über den kleinen Kratzer im "Siegerflieger" für ihr Programm berichten. Jedes Detail rund um die Nationalelf ist eine Nachricht.
"Da is das Ding"
Um 18:59 die nächste Überraschung: DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock und Pressesprecher Jens Grittner machen eine Runde durchs Flugzeug mit dem Objekt der Begierde: der WM-Pokal on tour. Jeder darf ihn mal anfassen, ein Erinnerungsfoto mit ihm schießen. "Da is das Ding", ruft einer und jubelt, als wäre er gerade Weltmeister geworden. Emotionen sind erlaubt, aber es wird streng darauf geachtet, dass niemand die wertvolle Trophäe fallen lässt. Dabei ist es gar nicht der "echte" Pokal, wenn man so will. Denn den behält die FIFA ein. Eine originalgetreue Replik, darf die Weltmeisterelf mitnehmen - und jetzt halte ich sie in den Händen. Ziemlich schwer liegen die 6.175 Gramm verteilt auf 36,6 Zentimeter in der Hand, dann schnell ein Foto und weiter geht der Pokal an den nächsten strahlenden Fluggast.
Als die goldene Trophäe wieder in den besseren Klassen verschwindet, kehrt langsam Ruhe im Flieger ein. Den meisten Passagieren merkt man die gut fünf Wochen WM an. Man blickt in müde Gesichter mit kleinen Augen. Erst als Spaßvogel Lukas Podolski zu einem spontanen Besuch in der Economyclass auftaucht, erwacht im hinteren Teil des Flugzeugs wieder etwas Leben. Es wird ein bisschen gefachsimpelt, viel gescherzt und natürlich auch wieder fotografiert, Podolski ist bestens gelaunt. Im schwarz-roten Flamengo-Trikot macht er seine Ein-Mann-Polonaise durch den Jumbojet - völlig unbeeindruckt von den Turbulenzen, durch die das Flugzeug gerade fliegt und die seinen Gang ziemlich schwankend aussehen lassen. Nun wird es tatsächlich still im "Siegerflieger", auch aus der Businessclass sind keine Geräusche zu hören, die nach einer Party klingen. Kein Wunder, denn die sollte ja noch folgen, daheim in Berlin.