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Falsche Analogie

28. August 2008

Russlands Handlungsweise im Kaukasus sei nicht zu rechtfertigen, sagt Walter Kaufmann. Der ehemalige Leiter der Vertretung der Heinrich Böll Stiftung in Tiflis kritisiert zugleich Versäumnisse der Europäischen Union.

Bild: DW

Deutsche Welle: Herr Kaufmann, warum hat Russland gerade jetzt die abtrünnigen georgischen Provinzen anerkannt?

Walter Kaufmann: In seinen Handlungen auf dem Kaukasus versucht Russland den Westen nachzuahmen. Nachdem der Westen Kosovos Unabhängigkeit anerkannt hatte, fühlte sich Russland gedemütigt, weil auf seine Meinung keine Rücksicht genommen wurde. Ich habe nicht erwartet, dass Russland in dieser Situation bis zum Äußersten geht. Klar ist aber auch: Es war nicht in Russlands Interesse, den Konflikt mit Georgien zu lösen. Russland hat den Konflikt instrumentalisiert, um dadurch Georgiens NATO-Beitritt zu verhindern.

Kann man in dieser Situation als westliche Reaktion erwarten, dass Georgien doch in die NATO aufgenommen wird?

Ich glaube, dass Georgien nach wie vor geringe Chancen hat, der NATO beizutreten. Die einzigen Länder, die sich einen schnelleren NATO-Beitritt für Georgien wünschen, sind die baltischen und skandinavischen Länder und möglicherweise die USA. Der größte Teil Europas ist definitiv dagegen. Ich glaube, dass nach diesen Ereignissen alle realisiert haben, was für ein schwieriger Partner die derzeitige georgische Regierung ist und mit welchen Risken es verbunden ist, sich mit dem Konflikt zu befassen.

Wer trägt Ihrer Meinung nach die Verantwortung dafür, dass dieser Konflikt so weit eskaliert ist?

Natürlich ist das in erster Linie Moskaus Schuld, obwohl Georgien auch eine Mitverantwortung trägt. Georgien wusste immer, welchen Nachbarn es hat - einen Nachbarn, der nicht nur seine Interessen im Kaukasus verfolgt, sondern auch vorhat, Georgiens NATO-Beitritt zu verhindern. Georgien wollte immer nur mit dem Westen kommunizieren. Es hat versucht, den Westen in seinen Konflikt mit Russland zu verstricken. Deshalb hat Russland so hart geantwortet. Ich glaube, Georgien hätte versuchen sollen, den Konflikt auf einem regionalen Niveau zu lösen, indem es einen langfristigen Dialog mit Abchasien und Südossetien beginnt. Die Statusfrage dieser Provinzen hätte nicht zum Thema gemacht werden sollen, weil es in diesem Punkt in absehbarer Zukunft keine Lösung gibt. Stattdessen verließ sich Georgien auf den Westen, aber leider ohne Erfolg.

Sie erwähnten schon, dass die russische Anerkennung der Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens eine Reaktion darauf ist, dass der Westen Kosovo als unabhängig anerkannt hat. Ihrer Meinung nach: Kann man diese Situation in Abchasien und Südossetien überhaupt mit der Situation im Kosovo vergleichen?

Selbst bei gleicher Ausgangslage würde dies nicht die Handlungsweise Russlands rechtfertigen. Ganz umgekehrt: Die russischen Versuche, die Situationen zu vergleichen, sind Anzeichen eines politischen Zynismus. Russland wollte nie begreifen, dass der Krieg in Kosovo aus humanitären Gründen begonnen wurde. Bevor die Truppen in Kosovo einmarschierten, hatte der Westen lange nach anderen Möglichkeiten gesucht, um das Problem zu lösen. Nun will Russland Kosovo als Trumpf benutzen, um zu zeigen, dass es als Weltmacht in der Lage ist, die Probleme mit dem benachbarten Ausland selbst zu lösen.

Wie wird Ihrer Meinung nach die weitere Reaktion der EU auf diese Entwicklungen aussehen?

Ich befürchte, diese Reaktion wird zu unkoordiniert und nicht klar genug sein. Ich glaube, Europa hat längst die Möglichkeit verpasst, einen Dialog mit den separatistischen Regierungen Abchasiens und Südossetiens zu führen. Europa hätte über die Entwicklung dieser Regionen sprechen müssen, ohne die Frage der territorialen Integrität Georgiens zu erwähnen. Ich bin davon überzeugt, dass es für diese Provinzen - mindestens für Abchasien – interessante langfristige Perspektiven gibt. Diese Perspektiven sind nicht unbedingt mit Russland verknüpft. Denn man versteht in diesen Regionen sehr gut, dass Russland kein Bruder ist, der ihre Unabhängigkeit unterstützt, sondern ein "große Bruder", der sie in der nächsten Minute wieder im Stich lassen kann.

Das Gespräch führte Andreas Brenner

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