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Glaube

Anders bleiben!

17. Juni 2023

Das Beispiel einer missglückten Hochzeit offenbart menschliche Schwächen. Das Beispiel einer anderen Hochzeit zeigt, wie persönliches Engagement das Vorhaben einer Gemeinschaft rettet.

Heidelberg Reportage 64
Bild: MN

Matthias Sutter ist Ökonom und Direktor des Max-Planck-Institutes zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn. Seine Vorträge beginnt der Professor gerne mit einer Parabel über eine missglückte Hochzeitsfeier.

Ein Brautpaar wollte möglichst viele Gäste zu seiner Hochzeitsfeier einladen. Doch das Budget reichte nicht aus, um alles aus eigener Tasche zu bezahlen. Die beiden kamen auf die Idee, dass jeder Gast eine Flasche des Hochzeitsweins mitbringt. Der Wein würde in einem Fass gesammelt und die Feier würde mit Hilfe aller Beteiligten ein Erfolg werden. Was wie die Erfindung der „Bottle-Party“ klingt, endete in einem Desaster. Als der Wein ausgeschenkt war, erschraken Brautpaar und Gäste, denn alle hatten Wasser im Glas.

Was war passiert?

Leider sind wir Menschen so gestrickt, dass wir meist unseren eigenen Vorteil suchen – oft auch auf Kosten anderer. Jeder der Gäste hatte statt einer Flasche Wein eine Flasche Wasser in das Fass geschüttet. Es wird schon nicht auffallen – eine Flasche Wasser auf so viel guten Wein ...

Wenn aber alle so denken, gerät das gemeinsame Ziel in Gefahr. So ist die geplante Hochzeitsfeier buchstäblich ins Wasser gefallen.

 

Einen Erfolg feiert man gern

Diese kleine Geschichte beschreibt ein scheinbar typisches Phänomen menschlichen Verhaltens. Es zeigt sich im Mannschaftssport, in Arbeits- und Forschungsteams, in Lern- und Musikgruppen, in Vereinen, Parteien, Kirchengemeinden und sogar in Familien. Wir neigen dazu, alle Vorteile einer Gruppe zu nutzen, ohne selbst viel investieren zu wollen.

Wenn zum Beispiel die Freiwillige Feuerwehr in „Irgendwo“ ein Carport in Eigenleistung bauen will, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass nur wenige pflichtbewusste und gutmütige Kameradinnen und Kameraden erscheinen, wenn zur Arbeit gerufen wird. Das Gießen der Fundamente, das Aufstellen der Holzkonstruktion und die Dacheindeckung sind das Werk weniger fleißiger Hände. Aber wenn dann das fertige Bauwerk mit Bier, Bratwurst und Blasmusik gefeiert wird, sind auch die ehemaligen Vereinsmitglieder gerne dabei. Das Foto in der Lokalpresse zeigt einen lebendigen Verein mit vielen stolzen Gesichtern. Der Erfolg hat viele Väter und Mütter.

Wir können auch anders

Dieser Effekt führt mitunter dazu, dass die Gutmütigen in der Gemeinschaft belächelt werden, weil sie sich mit gutem Mut oft und gern engagieren. Das kann so weit gehen, dass sie unter dem Gefühl leiden, es laste allein auf ihren Schultern, den Verein, die Familie, die Kirchgemeinde attraktiv zu gestalten, ja überhaupt am Leben zu erhalten. Wenn dann die Last zu groß wird, werfen bis dahin großartige Vorsitzende, hervorragende Organisatoren, wunderbare Kreative schon mal hin: „Ich bin raus.“ Frustriert und gelähmt, weil ständig zu viel Wasser im Wein war.

Die biblische Erzählung von einer anderen Hochzeit bringt das Gegenbeispiel. Als beim Fest in Kana der Wein ausgeht, rettet Jesus die Situation. Auf wundersame Weise wird aus Wasser Wein. Das Fest ist gerettet. Die Hochzeitsgesellschaft kann sich freuen. (Johannesevangelium, Kapitel 2)

Wenn man sich nicht zu ausgiebig darüber wundert, dass aus Wasser Wein geworden ist, sieht man etwas anderes: dass Jesus - zunächst widerwillig, aber dann doch beherzt – mit dem, was er vermag, das Vorhaben der Gemeinschaft rettet.

Er gibt ein überzeugendes Beispiel für etwas, das viele kennen: Jeder kleine oder große Beitrag hilft, erhält Gemeinschaft, verbindet Teams, stärkt Familien.

Insgesamt ist freiwilliges Engagement ein unverzichtbares Gut, um unsere Gesellschaft in politischer, ökologischer oder sozialer Hinsicht zu gestalten.

Es lohnt sich durchaus, sich zu fragen, ob man egoistischerweise Wasser in den Wein gießen will und damit ein gutes Vorhaben gefährdet. Oder ob man mit seinen begrenzten Fähigkeiten und Kräften ein gemeinsames Ziel stärkt - und so aus Wasser Wein macht.

Es braucht täglich wieder unseren guten Mut, damit wir im scheinbar Selbstverständlichen das Kostbare entdecken und würdigen können.

 

Bild: GEP

Gerhard Richter war bis 2019 im Leipziger Missionswerk Referent für die Partnerschaften mit Tansania. Von 2004 bis 2015 war er Gemeindepfarrer im Dörfchen Bibra, Gemeinde Grabfeld, im Süden Thüringens. Als gelernter Tiefbauer hatte Gerhard Richter zuerst Bauwesen studiert, ehe er zur evangelischen Theologie fand.