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Anders heizen: Abschied von Gas und Öl ist nicht einfach

16. April 2023

Das Bundeskabinett hat den Gesetzesentwurf für die Umstellung von Heizungen auf Erneuerbare Energie gebilligt. Bei Hausbesitzern löst das Panik aus. Handwerker erleben eine Flut neuer Aufträge.

Wasserwärmepumpe vor einem Wohnhaus
Die Bundesregierung setzt beim Heizen vor allem auf WärmepumpenBild: Laura Ludwig/dpa/picture alliance

Wenn man Dirk Jänichen fragt, wie es um die Auftragslage in seinem Berliner Sanitär- und Heizungsbetrieb bestellt ist, zeigt er auf die lange Reihe von Aktenschubern, die sich in seinem Büro über mehrere Regalschränke erstreckt. "Das sind alles Aufträge, die wir im vergangenen Jahr bekommen haben und die wir jetzt abarbeiten", sagt der Diplom-Ingenieur für Versorgungstechnik. "Wer eine Wärmepumpe installiert haben möchte, muss derzeit ein Dreivierteljahr warten."

24 Mitarbeiter hat Jänichen, darunter drei Auszubildende. Früher hatten sie oft Aufträge für neue Badezimmer. Doch seit Russland die Ukraine überfallen hat, werden vor allem neue Heizungen bestellt. "Das fing 2022 damit an, dass plötzlich alle Angst hatten, dass es kein Gas mehr gibt, da wollten alle Wärmepumpen haben." 40 Stück kann Jänichen pro Jahr einbauen und auch die Solaranlagen installieren, die eine solche Heizung erst richtig effizient machen.

Klimaneutral heizen bis 2045

Wärmepumpen arbeiten mit Strom, und wenn der aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, arbeitet die Heizung praktisch klimaneutral. Daher bezuschusst die Bundesregierung den Einbau mit bis zu 40 Prozent der Kosten.

Doch auch mit der Subvention kostet eine Anlage für ein Einfamilienhaus mit rund 150 Quadratmetern Wohnfläche immer noch rund 17.000 Euro. Dazu kommen bei älteren Häusern die Kosten für die energetische Sanierung, wozu beispielsweise eine Wärmedämmung und dichte Fenster gehören. Je schlechter ein Haus isoliert ist, desto aufwändiger ist die Sanierung und umso teurer wird es am Ende, dabei kann es leicht sechsstellig werden.

Der Preis lässt viele zögern

Eine neue Gasheizung kostet hingegen nur etwa 10.000 Euro. "Als Ende letzten Jahres klar wurde, dass Deutschland doch genug Gas bekommt und der Gaspreis wieder runter ging, haben viele Kunden gesagt, dann baue ich mir doch übergangsweise lieber nochmal eine Gasheizung ein, die lieferbar und billiger ist", erzählt Jänichen.

Jeder Aktenschuber enthält einen Auftrag. Dirk Jänichen in seinem Büro in BerlinBild: Sabine Kinkartz/DW

Ob diese Rechnung langfristig aufgeht? Zwar kann niemand wissen, wie hoch der Gaspreis in zehn Jahren sein wird. Sicher ist aber, dass der Preis für den CO2-Ausstoß deutlich steigen muss, wenn die Europäische Union ihre Klimaziele erreichen will. Experten halten es für möglich, dass der CO2-Preis 2030 bei sieben Cent pro Kilowattstunde Gas liegen könnte, die zum eigentlichen Preis für den Brennstoff dazu kämen. Strom für die Wärmepumpe, der derzeit teuer ist, könnte hingegen preiswerter werden.

80 Prozent der Deutschen heizen mit Gas und Öl

Laut dem Bundesverband Wärmepumpe sind in Deutschland bislang 1,2 Millionen Wärmepumpen verbaut worden. Die meisten in Neubauten. Beim Wohngebäudebestand sieht es anders aus. Von den rund 19 Millionen Wohngebäuden werden knapp 50 Prozent mit Gas und 25 Prozent mit Öl beheizt. Der Bestand teilt sich auf in 13 Millionen Einfamilienhäuser, der Rest sind je zur Hälfte Zwei- und Mehrfamilienhäuser.

Nach Angaben des Thinktanks Agora Energiewende verursacht der Gebäudesektor rund 15 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen. Gesetzlich verankerte Emissionseinsparziele wurden in den vergangenen Jahren stets gerissen.

Verbot für fossile Heizungen ab 2024

Das soll sich nun ändern. Die Bundesregierung hat sich auf eine Novelle des Gebäudeenergiegesetzes geeinigt, um den Gebäudesektor bis 2045 klimaneutral zu machen. Kernpunkt des Entwurfs ist ein Verbot für den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen bereits ab 2024. Neue Heizanlagen sollen vom kommenden Jahr an zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Auch defekte Gasthermen oder Ölbrenner dürfen nicht mehr einfach gegen eine fossile Heizung ausgetauscht werden.

Will bei der Wärmewende Tempo machen: Der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert HabeckBild: Tobias Schwarz/AFP

Eine Ankündigung, die in ganz Deutschland einen Ansturm auf die Heizungsinstallateure auslöste. Viele Hausbesitzer versuchen panisch, noch in diesem Jahr eine Gas- oder Ölheizung zu kaufen. Auch Dirk Jänichen erlebt das. "Vor allem bei älteren Kunden gibt es eine so riesige Nachfrage momentan nach den alten Ölheizungen, das hätte ich nicht für möglich gehalten", berichtet der Ingenieur.

Sonderregelung für über 80-Jährige

Ein Haus zu bauen, eine Wohnung zu kaufen, das ist oft Teil der Altersvorsorge. Mit Eintritt in die Rente ist der Kredit getilgt und die Wohnkosten reduzieren sich deutlich. Eine aufwändige energetische Sanierung des Hauses macht diese Rechnung zunichte. Einen neuen Kredit bekommen Rentner in der Regel nicht und die Altersbezüge reichen nicht aus, um die Kosten zu stemmen.

Rund 13 Millionen Einfamilienhäuser gibt es in Deutschland. Viele sind schon Jahrzehnte alt und schlecht isoliertBild: Pixelmaster/picture alliance/vizualeasy

Inzwischen heißt es zwar, dass Menschen, die 80 Jahre und älter sind, von der Austauschpflicht befreit sind. Selbst dann, wenn ihre fossile Heizung kaputt geht. Das gilt auch für Vermieter. Doch die Verunsicherung ist da und sie ist groß. Wird die Ausnahme rechtlich Bestand haben? Was ist, wenn jemand 79 Jahre alt ist und vor Gericht zieht, weil er oder sie sich diskriminiert fühlt?

Auch Handwerker sind überfordert

Viele Einzelheiten zu der Gesetzesänderung sind noch vage, die Förderrichtlinien für neue Heizungen sind undurchsichtig und schwer zu verstehen. Der Beratungsbedarf bei den Kunden, aber auch der Informationsbedarf bei den Kollegen in seiner Branche seien enorm, sagt Jänichen, der im Vorstand der Berliner Innung Sanitär-Heizung-Klima ist und die Sorgen und Nöte seiner Kollegen kennt. Ständig würden sich Richtlinien ändern, immer wieder Neues dazukommen. "Wie soll ein normaler Handwerker, der den ganzen Tag draußen auf der Baustelle ist, es schaffen, sich abends noch im Büro an die komplizierte Materie zu setzen?"

Immer wieder neue Vorschriften und Förderrichtlinien - Dirk Jänichen zwingt das häufig an den SchreibtischBild: Sabine Kinkartz/DW

Zumal der Beruf ohnehin aufwändiger geworden sei. Eine Wärmepumpe einzubauen sei technisch etwas ganz anderes, als eine Gas- oder Ölheizung zu installieren, und zudem zweieinhalbmal so zeit- und arbeitsintensiv. Monteure müssen geschult und ständig fortgebildet werden.

Dazu kommt, dass nicht nur die Pumpen lange Lieferzeiten haben, sondern alle möglichen Materialien nicht mehr sofort verfügbar sind. "Früher fuhr ein Monteur zum Großhandel, kaufte dort die Teile, brachte sie zur Baustelle und baute sie ein", erzählt Jänichen. "Heute müssen wir alles bestellen und die Teile hier auf dem Gelände lagern, und wenn wir alles zusammen haben, rufe ich den Kunden an und biete ihm einen Termin für den Einbau an."

Bestellen und sammeln: Dirk Jänichen hat ein großes Materiallager angelegtBild: Sabine Kinkartz/DW

Fachkräfte fehlen

Vor diesem Hintergrund hält der Ingenieur den Plan der Bundesregierung für unrealistisch, ab 2024 jährlich 500.000 Wärmepumpen zu verbauen. Die Industrie habe zwar zugesagt, ab Herbst mehr Geräte liefern zu können, aber es seien einfach nicht ausreichend Fachbetriebe und Fachkräfte für den Einbau verfügbar. 

Nach Einschätzung des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima fehlen deutschlandweit zurzeit rund 60.000 Heizungsinstallateure. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks fordert mehr Zeit für die Umsetzung der Pläne. Strengere Regeln beim Heizungstausch sollten erst 2025 gelten.

"Die Politik hätte vor 20 Jahren damit anfangen müssen, den Wärmesektor klimaneutral umzubauen", kritisiert Jänichen, "aber das Gas aus Russland war billig und die Geiz-ist-geil-Mentalität groß." Mit Blick auf sein Unternehmen hält er es für machbar, statt derzeit 40 in Zukunft bis zu 60 Wärmepumpen pro Jahr einbauen zu können. Verstärkung bei seinen Plänen kommt aus der eigenen Familie.

Seine zwei Söhne, die eigentlich beruflich andere Wege gehen wollten als ihr Vater, interessieren sich plötzlich für das Handwerk. "Früher haben sie gesagt, wir haben Null Bock auf den Betrieb, aber was wir heute machen, hat viel mit Ökologie und Klimaschutz zu tun. Das finden die jungen Leute gut."

Dieser Artikel wurde am 16.4. veröffentlicht und am 20.04. aktualisiert.

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