1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Anerkennung der Krim-Annexion? Was die Krimtataren meinen

1. Mai 2025

"Die Krim bleibt russisch", sagte US-Präsident Trump und steckte damit den Rahmen für die von den USA initiierten Friedensgespräche ab. Was denken die "Ureinwohner" der Halbinsel, die Krimtataren, darüber?

Arbeiter auf einem Gerüst entfernen einen Schriftzug von der Fassade des Parlamenteingangs.
Im März 2014 wurde vor dem Parlament der Krim die russische Flagge gehisst - und die krimtatarische Schrift entfernt Bild: Vasily Maximov/AFP via Getty Images

Für seinen "Friedensplan" ist US-Präsident Donald Trump gewillt, die annektierte ukrainische Halbinsel Krim dauerhaft als russisches Staatsgebiet anzuerkennen. Die DW hat in der Ukraine mit Vertretern der Krimtataren, der Ureinwohner der Halbinsel, darüber gesprochen, was sie davon halten.

"Unser Kampf wird weitergehen"

"Wir wissen zu gut, wie Russland ist. Es steht in der Nachfolge der Sowjetunion, die einst meine Mutter und Großmutter deportiert hat", sagt eine Frau, die heute auf der Krim lebt und anonym bleiben möchte. "Erst nach einem halben Jahrhundert sind wir in unsere Heimat zurückgekehrt und wir werden nicht noch einmal weggehen. Wir werden hier auf die Rückkehr der ukrainischen Staatsmacht warten."

"Unser Volk hat für das Recht gekämpft, auf seinem eigenen Land zu leben. Deshalb wird dieser Kampf weitergehen, wie auch immer die politische Lage ist", sagt eine andere Einwohnerin der Halbinsel, die ebenfalls anonym bleiben will. Sie erinnert daran, dass die Unterdrückung der indigenen Bevölkerung bereits mit der Eroberung der Krim durch das zaristische Russland begann.

Im Jahr 1944 wurden die Krimtataren von den sowjetischen Behörden nach Zentralasien deportiert. Erst in den 1990er Jahren durften sie nach einer Erlaubnis der damals bereits unabhängigen Ukraine in ihre Heimat zurückkehren. 2014 kam die Krim erneut unter russische Besatzung und viele Krimtataren wurden wegen ihrer pro-ukrainischen Haltung verfolgt und gezwungen, die Heimat zu verlassen.

Damals, so die Frau, seien die Krimtataren enttäuscht gewesen, dass die ukrainische Regierung nicht dafür gekämpft habe, "die Halbinsel als Teil der Ukraine zu erhalten". Heute wäre sie erleichtert, wenn eine politische Entscheidung das tägliche Sterben im Ukraine-Krieg beenden würde. "Andererseits glauben viele, wenn die Ukraine die besetzten Gebiete als russisch anerkennen würde, wären all die Menschenleben vergeblich zur Verteidigung der ukrainischen Unabhängigkeit und Staatlichkeit geopfert worden", so die Krimtatarin.

Aus ihrer Sicht würde der zurzeit diskutierte Friedensvertrag territoriale Zugeständnisse an Russland legitimieren. Dann könnten die Menschen in den besetzten Gebieten zu politischen Gefangenen werden, weil dort die russische Gesetzgebung gelten würde, gibt sie zu bedenken.

"Wir zählten auf die USA als Bollwerk der Demokratie"

Die  Debatte um Gebietsabtretungen an Russland "löst natürlich sowohl im Kopf als auch im Herzen eine negative Reaktion aus", sagt Nariman Dscheljal, Erster Stellvertretender Vorsitzender des Medschlis, der Vertretung der Krimtataren, und ehemaliger politischer Gefangener. "In all den Jahren der Besetzung der Krim und der russischen Aggression haben wir auf die Vereinigten Staaten gesetzt. Die  USA galten in der Vorstellung der meisten Ukrainer und bestimmter Bewohner der Krim stets als führendes Land beim Schutz der Menschenrechte und als Bollwerk der Demokratie. Und nun erleben wir eine solche Kehrtwende, einen solchen kommerziellen Pragmatismus", kritisiert er. Als zentrale Exekutivkörperschaft der Krimtataren wird der Medschlis seit April 2016 in der Russischen Föderation als "extremistische Organisation" eingestuft und ist somit verboten.

Nariman Dscheljal (Mitte) nach seiner Freilassung aus russischer Gefangenschaft mit führenden Vertretern des MedschlisBild: Alex Babenko/AP/dpa/picture alliance

Dscheljal verweist auf die prinzipielle Haltung der ukrainischen Regierung, die es ablehnt, die Krim als russisch anzuerkennen. "Für die Bevölkerung vor Ort kann die Ukraine tatsächlich wenig tun. Deshalb sind symbolische Dinge wie Erklärungen, die Annexion der Krim nicht anzuerkennen und sie wieder in die Ukraine eingliedern zu wollen, das wichtigste Bindeglied zwischen unserem Volk und dem freien Gebiet der Ukraine", erläutert der ehemalige politische Gefangene. "Dem Vorschlag von Trump und seinen Vertretern zuzustimmen, würde diese Verbindung kappen", warnt er.

"Halbinsel der Angst"

"Unser Volk wird dem russischen Imperium niemals trauen", sagt Sejdamet Mustafajew, ein Flüchtling von der Krim, der von einer "Halbinsel der Angst" spricht. "Ich sehe grundsätzlich kein Friedensabkommen mit Wladimir Putin. Ich war schon immer Pazifist und möchte in Frieden leben. Aber ich verstehe nicht, wie man mit dieser Person verhandeln kann, wenn ihr Ziel die Zerstörung der ukrainischen Identität ist", betont er im Gespräch mit der DW.

Mustafajew wünscht sich, der russisch-ukrainische Krieg möge mit der Befreiung der Krim enden, denn schließlich habe er mit der Besetzung der Halbinsel begonnen. Ein Friedensabkommen, das territoriale Zugeständnisse mit sich bringe, würde unweigerlich zu einem Weltkrieg führen, glaubt er.

"Dafür kämpfe ich nicht"

Für die Krimtataren unter den ukrainischen Soldaten, mit denen die DW gesprochen hat, hängen die Bedingungen für ein Kriegsende weitgehend von der Ukraine ab. So glaubt der Soldat mit dem Rufnamen "Tataryn", dass niemand die Ukraine zu territorialen Zugeständnissen drängen könne. "Die Ukraine hat jetzt eine Armee, die 2022 die russische aufgehalten und ihr Potenzial vernichtet hat. Sie kämpft jetzt nicht nur dank amerikanischer Waffen, sondern auch mit ihren eigenen", betont er. Die Anerkennung der russischen Annexion der Krim wäre ein gefährlicher Präzedenzfall, der weltweit bewaffnete Konflikte um Gebietsansprüche auslösen könnte. "Man kann alles aufgeben, aber nicht sein eigenes Land. Dafür kämpfe ich nicht", bekräftigt "Tataryn".

"Abkommen bedeutet keine Aufgabe von Prinzipien"

"Die Souveränität, die territoriale Integrität und die Rechte der Ukrainer unter der Besatzung sind nicht verhandelbar", betont auch die Abgeordnete des ukrainischen Parlaments, Tamila Taschewa. Sie war die Ständige Vertreterin des Präsidenten der Ukraine in der Autonomen Republik Krim in den Jahren 2022 bis 2024. "Die Krim als russisch anzuerkennen, hieße nicht nur das Gebiet aufzugeben, sondern auch die Erfahrung von Verfolgung, Verhaftung und Deportation zu leugnen, die Ukrainer und Krimtataren auf der Halbinsel ertragen mussten", warnt Taschewa im DW-Gespräch.

Tamila Taschewa war Ständige Vertreterin des Präsidenten der Ukraine in der Autonomen Republik KrimBild: Photoshot/picture alliance

Ihrer Meinung nach sollte ein gerechtes Friedensabkommen natürlich auf dem Völkerrecht basieren. Doch ein "realistisches Abkommen", wie sie sagt, müsse keinesfalls die Aufgabe von Prinzipien bedeuten, sondern könnte auch einen schrittweisen Prozess ermöglichen. "Wir sind zum Dialog bereit, um Lösungen zu finden, aber wir werden die Besatzung niemals als Normalität anerkennen."

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen