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Missverständnis

Bernd Riegert, Brüssel20. November 2006

In der Diskussion um einen Truppeneinsatz im Süden Afghanistans besteht laut NATO kein erhöhter Druck auf Deutschland. Es gehe lediglich um generelle Zusagen verschiedener Staaten für die Bereitstellung von Soldaten.

Der Nato-Stern und wehende Flaggen der Mitgliedsstaaten vor dem Gebäude des Nato-Hauptquartiers in Brüssel
Klarstellungen aus dem Nato-Hauptquartier in BrüsselBild: dpa

Weder offiziell noch informell gebe es eine Anfrage der NATO an Deutschland, die Einsatzbeschränkungen für seine Truppen in Afghanistan aufzuheben, heißt es aus NATO-Kreisen im Hauptquartier in Brüssel. Die in Deutschland derzeit geführte Diskussion um angeblich erhöhten Druck auf das deutsche Kontingent in der Internationalen Schutztruppe ISAF könne man nicht nachvollziehen, so NATO-Diplomaten.

Was es allerdings gibt, ist die allgemein gehaltene Aufforderung von NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer an alle NATO-Staaten, ihre Truppen im Einsatz möglichst wenigen Beschränkungen zu unterwerfen und sich solidarisch zu verhalten. "Aus militärischer Sicht würden wir uns wünschen, dass der Kommandeur der ISAF über seine Truppen so verfügen kann, wie er das für militärisch sinnvoll hält," sagt der Stabschef beim militärischen Oberkommando der NATO in Europa, General Rainer Schuwirth.

Verstärkung im Süden fehlt

Ein Soldat der deutschen Bundeswehr sichert eine Straße in Kunduz im Norden Afghanistans (Archivbild)Bild: AP

Nicht nur die Bundeswehr, sondern fast alle Truppenkontingente der 37 ISAF-Nationen unterliegen Einschränkungen. Auch Italiener, Franzosen, Türken oder Griechen können nicht überall eingesetzt werden. Einige haben ein Nachtfluggebot zu beachten, andere dürfen nicht in den Wintermonaten eingesetzt werden. Für all diese Beschränkungen habe man Verständnis, so General Schuwirth, weil sie die Öffentlichkeit daheim in den Mitgliedsstaaten offenbar so einfordere. Das Kernproblem der NATO in Afghanistan sei eher, dass rund 2000 Soldaten im Süden fehlen.

"Eins der Probleme, das wir Afghanistan haben, ist, dass uns die Mitgliedsstaaten nicht all das zur Verfügung gestellt haben, was sie zugesagt haben. Das ist ein ständiges Problem. Wir haben im Prinzip genug Kräfte in Afghanistan, aber wir hätten gerne unser Dispositiv so befüllt, wie wir das von den Mitgliedsstaaten zugesagt bekommen haben. Daran arbeiten wir", sagt der Stabschef.

USA drängen auf mehr Truppen aus Europa

Wenn sich die NATO-Staaten also an ihre Zusagen von diversen Truppenstellerkonferenzen halten würden, wären die Militärs zufrieden gestellt. Ein offenes Geheimnis in NATO-Kreisen ist, dass die USA seit langem darauf drängen, dass die europäischen Verbündeten in Afghanistan mehr Truppen einsetzen. Von den über 30.000 Mann unter ISAF-Kommando stellen die USA vor allem im umkämpften Osten und Süden Afghanistans mehr als die Hälfte. Bundeswehrsoldaten mit besonderen Fähigkeiten wurden und werden auch jetzt im Süden eingesetzt, heißt es bei der NATO. In der parallel laufenden Operation "Enduring Freedom" sind zeitweise die KSK-Spezialtruppen der Bundeswehr eingebunden, dabei handelt es sich aber immer nur um rund 100 Mann.

Bundesverteidigungsminister Franz Josef JungBild: AP

Wenn der ISAF-Kommandeur im Süden konkret um Unterstützung bittet und dann nicht nur die Deutschen wegen ihrer Einsatzeinschränkungen ablehnen müssen, könne das durchaus zu Unverständnis in der konkreten Lage führen. "Das kann im Einzelfall für Soldaten in der oder jener Region eine zusätzliche Gefährdung bedeuten. Das kann sicher auch bei dem einen oder anderen zu Frustgefühlen führen, wenn er merkt, auch wenn das nur subjektiv so wahrgenommen wird, dass er alleine gelassen wird, gibt General Schuwirth zu bedenken. Das sei eine psychologisch belastende Situation. Man könne Deutschland aber nicht vorwerfen, es verhalte sich solidarischer oder unsolidarischer als andere NATO-Staaten.

Die Lage im Norden stabil halten

Beim Gipfeltreffen der NATO-Staats- und Regierungschefs in Riga soll das Thema noch einmal besprochen werden.Verteidigungsminister Franz Josef Jung und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben aber wiederholt klar gemacht, dass sie am Auftrag der Bundeswehr in Afghanistan nicht rütteln wollen. "Wir bleiben im Norden, wo wir erfolgreich die Lage stabil halten und den Aufbau voranbringen", hatte Verteidigungsminister Jung noch vor einer Woche beim letzten EU-Verteidigungsministertreffen in Brüssel gesagt.