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Angehörige helfen bei Kindersuche

Bernd Riegert 13. März 2004

Viele Belgier haben als Folge der Ereignisse um Marc Dutroux einen Teil ihres Vertrauens in die belgischen Sicherheitsbehörden verloren. Eine Bürgerinitiative namens "Childfocus" versucht nun selbst zu helfen.

Eine Mitarbeiterin von Childfocus verteilt "Vergiss-mich-nicht"-AufkleberBild: AP


"Die neun Jahre alte Estelle Mouzin wird seit dem 09.01.2003 vermisst. Wer das Mädchen gesehen hat, soll sich bei Childfocus unter der Telefonnummer 110 melden." So steht es auf einem Plakat mit einem Foto des Mädchens und einer großen knallgrünen "110". Plakate und Handzettel von Childfocus hängen in ganz Belgien in öffentlichen Gebäuden, in U-Bahnen, Bussen, in Kneipen und auch in Fenstern von privaten Wohnungen. Wer die Nummer 110 wählt, landet bei Jean-Denise Lejeune und seinen 40 Mitarbeitern in Brüssel.

Öffentliche Finanzierung

Lejeune ist der Vater von Julie, einem der Mädchen, das vor sieben Jahren in einem Kellerverlies von Marc Dutroux verhungerte. Er hat nach dem tragischen Tod seiner Tochter zusammen mit anderen Eltern die Kinder-Suchorganisation "Childfocus" gegründet. Im März 1998 begann die Organisation ihre Arbeit, finanziert durch Zuschüsse aus einer königlichen Stiftung, der Staatskasse und der Wirtschaft.

"Belgien hat ungefähr zehn Millionen Einwohner und jedes Jahr verschwinden etwa 2500 Kinder", so Lejeune. "Dabei geht es um alle möglichen Arten von Verschwinden, also um Ausreißer, die von Zuhause weglaufen, Kinder, die von ihren Eltern verschleppt werden oder Kinder, die entführt werden von Fremden oder Familienmitgliedern."

Jährlich bis zu 50 Entführungen

Etwa die Hälfte aller Kinder, die verschwinden, sind Ausreißer, die nach wenigen Tagen wieder Zuhause sind. Aber es gibt jedes Jahr auch 30 bis 50 Entführungen, Fälle, in denen von den Kindern jede Spur fehlt. Darum gibt es eine Hotline: Juristen und Psychologen sprechen an den Telefonen von Childfocus mit Ausreißern oder Familienangehörigen. Auf einer großen Tafel sind in den Büros von Childfocus in Brüssel die aktuellen gelösten und ungelösten Fälle aufgelistet. Hier werden Handzettel und Plakate entworfen, die von 1600 freiwilligen Helfern in Belgien verteilt werden. Etwa 85 Prozent aller Fälle können gelöst werden, sagt Jean-Denise Lejeune.

Auf die Unabhängigkeit seiner Organisation legt der Vater des Dutroux-Opfers großen Wert, denn schließlich ist Childfocus gegründet worden, weil er und die Mehrheit der Belgier das Vertrauen in die Fähigkeit der Polizeibehörden verloren hatten, Entführungen und sexuellen Missbrauch aufzuklären - besonders nach den Affären und Pannen im Fall Dutorux.

Europaweit einzigartig

"Wir sind die einzige Organisation in Europa, die auf diese Weise arbeitet und an einer zentralen Stelle alle Informationen über verschwundene und sexuell ausgebeutete Kinder sammelt." Leider sind wir die einzigen, fügt Jean-Denise Lejeune hinzu. Experten empfehlen der EU-Kommission, eine ähnliche Anlaufstelle für ganz Europa zu schaffen.

Für Jean-Denise Lejeune ist die Suche nach vermissten Kindern ein Teil seines Versuchs, den Verlust der eigenen Tochter Julie zu verarbeiten. Den spektakulären Dutroux-Prozess in Arlon verfolgt er indes nicht. Der sei, so Lejeune, nur eine einzige Maskerade. Er glaubt, dass hinter dem Kinderschänder ein Netzwerk mit dunklen Hintermännern gestanden habe. Besonders empört hat ihn, dass Dutroux nicht der Mord an seiner Tochter, sondern nur Freiheitsberaubung zur Last gelegt werde. Denn die Verantwortung für den Hungertod von Julie lasse sich nicht zweifelsfrei nachweisen, so die Staatsanwaltschaft.

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