Angeklagte Deutsche verlassen Kairo
2. März 2012 Nach einer langen Zeit der Ungewissheit haben die beiden in Ägypten angeklagten Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) Ägypten nun verlassen können. Sie sind per Flugzeug von Kairo nach Zypern gereist, wie eine KAS-Sprecherin am Donnerstagabend (01.03.2012) mitteilte. Für den Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo, Andreas Jacobs, und seine Mitarbeiterin sei eine Kaution von jeweils 250.000 Euro hinterlegt worden.
Der Weg für die Ausreise war frei geworden, da ein ägyptischer Berufungsrichter bei den wegen Spionage und Empfangs illegaler Gelder Angeklagten nun nicht mehr von der Begehung einer Straftat, sondern von einer Ordnungswidrigkeit ausgeht. Der Prozess soll allerdings nicht eingestellt werden, sondern wie geplant am 26. April fortgesetzt werden, erklärte die für internationale Zusammenarbeit zuständige Ministerin Faisa Abul Naga. Sie gilt als Initiatorin der Ermittlungen.
Neben den beiden Deutschen haben auch Mitarbeiter anderer internationaler Organisationen gegen Kautionszahlung Ägypten verlassen. Noch ist allerdings nicht klar, ob alle 43 Angeklagten das Land verlassen konnten.
"Wir haben gegenwärtig kein Vertrauen in die ägyptischen Behörden"
Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung Hans-Gert Pöttering zeigte sich im Gespräch mit der Deutschen Welle erleichtert: "Wir sind natürlich froh, dass unsere beiden Mitarbeiter jetzt nach den Ungewissheiten der vergangenen Wochen aus Ägypten ausreisen konnten." Er habe mit Andreas Jacobs auf Zypern telefoniert. Jacobs und seine Mitarbeiterin würden von dort zu ihren Angehörigen weiterreisen.
Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle zeigte sich erfreut, "dass unsere intensiven Bemühungen in den vergangenen Tagen und Wochen hinter den Kulissen Früchte getragen haben." Sowohl Pöttering als auch Westerwelle forderten eine Einstellung des Verfahrens. Der KAS-Vorsitzende bezeichnete die Vorwürfe gegen seine Mitarbeiter als absurd. "Wir haben gegenwärtig kein Vertrauen in die ägyptischen Behörden", sagte Pöttering und erklärte im Hinblick auf den Prozess: "Wir werden in keinem Fall unsere Mitarbeiter einem Verfahren dort aussetzen und sie in keinem Fall dorthin zurückschicken."
Beide äußerten die Hoffnung, dass die Konrad-Adenauer-Stiftung ihr Büro in Kairo weiter betreiben können wird. "Wir wollen in angemessener Zeit gerne unsere Arbeit wieder aufnehmen und hoffen, dass die Beziehungen zwischen Ägypten und Deutschland keinen größeren Schaden nehmen", erklärte Pöttering.
Richter gab Prozess überraschend ab
Überraschend hatte in dieser Woche der Vorsitzende Richter Mohammed Schukri erklärt, er wolle den Vorsitz abgeben. Er und seine beiden Beisitzer hätten sich aus dem Verfahren zurückgezogen. Dies habe aber keine "politischen Gründe".
Der Prozess gegen die insgesamt 43 Mitarbeiter ausländischer Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Stiftungen hatte eigentlich am Sonntag (26.02.2012) in Ägyptens Hauptstadt Kairo beginnen sollen. Nach kurzer Anhörung war er allerdings verschoben worden. Die Angeklagten werden verdächtigt, Spionage zu betreiben und Geld illegal ins Land gebracht zu haben. Der Anklage vorausgegangen waren Durchsuchungen der Büros von insgesamt 17 Organisationen im Dezember 2011. Dabei waren Computer und Dokumente beschlagnahmt worden.
Spekulationen über die Gründe des Prozesses
Über die Hintergründe der Bürodurchsuchungen gibt es zahlreiche Spekulationen. US-Senator Lindsey Graham, der zu einer fünfköpfigen Delegation um US-Senator John McCain gehörte, die am 20. Februar in Kairo zu Besuch gewesen war, bezeichnete das Vorgehen der Justiz als politisch motiviert. "Ich glaube, dass die Person, die das Ganze vorgeschlagen hat, eine Agenda hat, die nicht hilfreich ist", so Graham. Seine Äußerung zielte offenbar in Richtung von Faisa Abul Naga. Sie ist eines von wenigen Regierungsmitgliedern, die bereits unter Ägyptens ehemaligem Präsidenten Husni Mubarak im Amt waren.
Kritiker vermuten, dass hinter dem Prozess das Ziel stehe, ausländische Untestützung für ägyptische Gruppen zu unterbinden, die den Bürgern ihre Rechte in einer Demokratie erklären. Die Militärregierung wolle die Opposition mundtot machen. Stephan Roll, der sich bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin mit Ägypten beschäftigt, hatte erklärt, er sehe in der Tatsache, dass sich der Militärrat nicht öffentlich für die Stiftungen ausspricht, ein Anzeichen dafür, dass die Führung hinter dem Prozess steht. Damit soll seiner Meinung nach Stimmung gegen das Ausland gemacht werden. Zudem kämpfe Ministein Abul Naga als enge Verbündete von Mubarak selbst um ihr politisches Überleben.
Eine rote Linie?
Christian Wolff vom Bereich Politik und Zeitgeschichte des Nahen Ostens am Institut für Politikwissenschaft der Universität Erlangen-Nürnberg erklärte, er sehe zwei Möglichkeiten, wie der Prozess motiviert sein könnte. "Zum einen kann es sein, dass das Militär das Interesse hat, zu zeigen, wo die rote Linie in Ägypten ist. Im Moment ist in Ägypten noch keine wirkliche Demokratie etabliert", so Wolff im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Das Militär und die alten Eliten sind also de facto noch an der Macht und sie wollen dem Ausland einfach zeigen: bis hierhin und nicht weiter".
Zum anderen könne es aber auch sein, "dass es im politischen System derzeit durch viele unterschiedliche Interessengruppen durcheinander geht" und keiner in der Staatsführung so richtig wisse, wie man damit umgehen solle. Stephan Roll geht noch einen Schritt weiter. Er vermutete, dass die Führung in Kairo nicht mehr die gesamte Kontrolle über das Verfahren hat: "Ich befürchte, dass sich da auch einiges verselbständigt hat."
Autor: Marco Müller
Redaktion: Andrea Lueg, Julia Elvers-Guyot