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Politik

Angela (fast) allein zu Haus

15. April 2018

Der Kanzlerin gehen die europäischen Verbündeten verloren. Ob durch Wahlen wie in Ungarn und Italien, durch Streit in Einzelfragen wie bei Spanien im Fall Puigdemont oder durch den Brexit - es wird schwieriger für sie.

Archivbild Angela Merkel
Bild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Ungarn

Ungarn ist schon seit Jahren kein enger Partner der Kanzlerin mehr. Unter den europäischen Regierungschefs ist Ministerpräsident Viktor Orbán der vielleicht schärfste Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik. Orbán ist auch Wortführer der Staaten in Ost-Mitteleuropa, die sich der von Merkel geforderten EU-Flüchtlingsverteilung mit allen Mitteln entgegenstemmen. Er will ein ethnisch möglichst homogenes Ungarn und eher wieder mehr Macht für die Nationalstaaten statt für Brüssel. Justiz und Medien hat er an die Kandare gelegt und damit manchen Streit mit der EU-Kommission provoziert. Jetzt ist Orbáns Politik durch die Parlamentswahl am vergangenen Sonntag mit großer Mehrheit bestätigt worden. Merkel hat Orbán zu seinem Wahlsieg gratuliert, das gehört zum guten Ton. Im Europaparlament gehört Orbáns Fidesz-Partei sogar zur gleichen Parteienfamilie wie Merkels Christdemokraten. Doch zwischen Orbán und Merkel liegen ideologische Welten. Zu Innenminister Horst Seehofer oder zum verstorbenen Altkanzler Helmut Kohl hat Orbán dagegen enge Verbindungen gepflegt. Für Angela Merkel, soviel ist klar, wird Viktor Orbán in den nächsten Jahren kein Verbündeter sein.    

Spanien

Ganz anders liegt der Fall bei Spanien. Spanien unter dem Konservativen Mariano Rajoy ist bisher einer von Deutschlands engsten europapolitischen Partnern gewesen. Spanien ist auch eines der wenigen europäischen Länder ohne eine nennenswerte rechtspopulistische Partei. Doch das Urteil eines deutschen Gerichts, das den in Spanien wegen Rebellion gesuchten katalanischen Separatistenführer Carles Puigdemont in Deutschland auf freien Fuß setzte und die Äußerung der deutschen SPD-Justizministerin Katarina Barley, diese Entscheidung sei richtig gewesen, haben die Beziehungen belastet. Kritiker weisen auch darauf hin, das Urteil habe europäisches Vertrauen untergraben, weil Deutschland den per europäischen Haftbefehl gesuchten Puigdemont nicht ausgeliefert habe. Immerhin ist das Vertrauen zwischen den beiden Regierungschefs in Sachen Katalonien ungestört. Merkel hat Rajoy immer wieder zu verstehen gegeben, dass sie eine katalanische Unabhängigkeit ablehnt.

Die Sympathien in Deutschland für Puigdemont belasten die deutsch-spanischen BeziehungenBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Italien

Merkel war mit dem Mitte-Links-Premier Gentiloni sehr gut klargekommen und hatte in ihm einen "Europäer" und Reformer gefunden. Seit der Parlamentswahl im März hat sich die Lage aber vollkommen verändert: Gentilonis "Demokratische Partei" hat eine schwere Schlappe erlitten. Gewonnen haben vor allem Euroskeptiker und Rechtspopulisten, vor allem die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega. Sie haben zum Beispiel zu verstehen gegeben, dass ihnen die finanziellen Stabilitätskriterien der EU egal sind, obwohl Italien bis über beide Ohren verschuldet ist. Lega-Chef Salvini hält sogar den Euro für einen Fehler, allerdings fordert er nicht mehr einen Austritt Italiens aus der Währungsunion. Auch wenn noch unklar ist, welche Regierung Italien bekommen wird – Rom wird für Merkel in jedem Fall ein schwieriger Partner sein, der ihre Vorstellungen in vielen Bereichen nicht teilen und sie möglicherweise sogar konterkarieren wird.  

Österreich

Seit Dezember regiert in Wien der Konservative Sebastian Kurz zusammen mit der rechtspopulistischen FPÖ. Die FPÖ ist heute nicht mehr für einen EU-Austritt Österreichs, aber nach wie vor deutlich europaskeptisch. Die österreichische Koalition dürfte sich gegen alle Versuche stellen, der EU mehr Macht und Geld zu geben. Andererseits bleibt Österreich ein verlässlicher Partner in der Stabilitätspolitik. Der wohl größte Gegensatz zu Merkel aber ist die strikte Anti-Migrationspolitik Wiens. Hatte der frühere SPÖ-Bundeskanzler Faymann 2015 Merkels Politik der offenen Grenzen mitgetragen, sorgte Kurz noch als Außenminister für eine Abriegelung der Balkanroute. Heute vertritt, abgesehen von den Visegrád-Staaten Ungarn, Polen, Slowakei und Tschechien, kaum ein europäischer Regierungschefs eine so harte Anti-Flüchtlings-Politik wie Kurz. Jeder Kompromiss mit ihm dürfte Merkel schwerfallen. Merkels interne Kritiker wie Innenminister Seehofer und Gesundheitsminister Spahn suchen dagegen seit langem den Schulterschluss mit Kurz.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (l.) und Merkels interner Kritiker Horst Seehofer verstehen sich blendendBild: picture-alliance/Sven Simon

Großbritannien

Angela Merkel hat die knappe Brexit-Entscheidung der Briten sehr bedauert. Mit ihnen werden politische Seelenverwandte die EU verlassen. Pragmatismus statt Ideologie, Weltoffenheit statt Abschottung, solides Wirtschaften statt Schuldenmachen, diese Londoner Grundsätze liegen auch der Kanzlerin und ihrer CDU. Das von der Konservativen Partei regierte Großbritannien war in der Europapolitik immer auch das Gegengewicht zum "Süden". Mit London zusammen konnte Merkel allzu großzügige Ausgabenwünsche aus dem Süden abwehren. Großbritannien, die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU, der zweitgrößte Nettozahler, die Atommacht mit Vetorecht im Weltsicherheitsrat, war ein mächtiger Partner der deutschen Kanzlerin. Auch nach dem Brexit wird das Vereinigte Königreich ein enger Partner Deutschlands bleiben – der Verlust gerade in der Europapolitik ist aber enorm.  

Niederlande und andere "Nordländer"

Auch die Niederlande sind traditionell eine der wichtigsten Verbündeten Deutschlands in Europa. Wann immer es um offene Märkte, Freihandel, Wettbewerb oder um solides Haushalten geht, die niederländische Regierung stand bisher an der Seite Berlins. Ähnlich denken die Dänen, Schweden, Finnen, Iren und die baltischen Staaten. Das machte sie wenigstens in diesem Punkt zu natürlichen Bundesgenossen der Kanzlerin. Doch sie alle machen sich inzwischen Sorgen um den jüngsten deutschen Kurs in der Europapolitik. Der sieht zum Beispiel einen aufgestockten EU-Haushalt vor. Außerdem soll der Rettungsschirm ESM nach Merkels Vorstellungen von einer Einrichtung der Einzelstaaten in eine europäische Institution überführt werden. Würde sich Frankreichs Präsident Macron durchsetzen, bekäme die Eurozone ein eigenes Budget und einen eigenen Finanzminister. Solche Kompetenzverschiebungen Richtung EU lehnen die acht nördlichen Staaten ab. Sie befürchten, für die Misswirtschaft anderer zahlen zu müssen. Die acht haben ihre Kritik sogar in einer gemeinsamen Erklärung im März formuliert. Merkel wird sie kaum ignorieren können.      

Frankreich

Bleibt als unverbrüchlicher Partner das Frankreich von Präsident Macron. So stellen es jedenfalls die Bundesregierung und der Pariser Elysée-Palast dar. Macron wird in Teilen der deutschen Politik als eine Art letzte Rettung für Europa betrachtet. Sein überraschend deutlicher Wahlsieg vor knapp einem Jahr gegen Marine Le Pen vom Front National führte in Berlin zu einem kollektiven Seufzer der Erleichterung. Macron gilt als großes Hoffnungszeichen für einen neuen europäischen Aufbruch. Der steht sogar im Berliner Koalitionsvertrag. Doch noch immer wartet Macron auf eine klare Antwort aus Berlin zu seinen Reformideen für die Eurozone. Innerhalb von Merkels Union wachsen aber die Zweifel. Viele befürchten, es gehe in Wahrheit um eine Lastenverschiebung auf Kosten deutscher Steuerzahler. So sieht es auch die FDP- und die AfD-Opposition. Aber auch in Frankreich selbst gerät der Präsident unter Druck: Die jüngste Streikwelle zeigt die Widerstände gegen sein Liberalisierungsprogramm. Im Hintergrund droht bereits die Europawahl in einem Jahr: Es wird befürchtet, dass noch mehr rechtspopulistische, europaskeptische und sogar europafeindliche Abgeordnete ins Parlament gebracht werden. Es bleibt nur wenig Zeit, den Bürgern Erfolge zu bieten, damit sie an den Wert der EU glauben. Bei allen Meinungsunterschieden - im Detail eint Merkel und Macron aber der Wunsch, Europa zu stärken. Sie sind dabei mehr denn je aufeinander angewiesen.   

Vielen in Europa - und in Deutschland - ist Macrons Werben um europäische Reformen suspektBild: Reuters/C. Hartmann

 

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