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PolitikAfrika

Die Kanzlerin und Afrika

Martina Schwikowski
2. Dezember 2021

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich stärker in Afrika engagiert als ihre Vorgänger. Viele afrikanische Politiker haben sie mit warmen Worten verabschiedet. Doch an ihrem Afrika-Engagement gibt es auch Kritik.

Angela Merkel wird von Präsident Mahamadou Issoufou mit militärischen Ehren empfangen
2019 war Niger die letzte Station einer dreitägigen Westafrikareise von Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Ihre Reisen nach Afrika sind mit den Jahren häufiger geworden, die Treffen mit afrikanischen Staatschefs auch. Noch im August hatte Merkel eine Reihe afrikanischer Präsidenten nach Berlin eingeladen. Ein Abschiedstreffen - und ein sehr angenehmes noch dazu. Denn aus Afrika gibt es für die Kanzlerin viel Lob.

Ihr Engagement für Afrika sei "bemerkenswert", sagt Minenhle Nene vom Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten (SAIIA) zur DW. Vor allem mit Blick auf die Wirtschaft: "Die deutschen Investitionen in Afrika sind in den letzten Jahren unter ihrer Führung moderat gestiegen. Ich glaube nicht, dass Afrika in der Politik je eine größere Rolle gespielt hat als unter ihrer Führung", sagt Nene im Interview.

"Echtes Interesse an Afrika"

Auch der Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank, Akinwumi Adesina, lobt Merkels Einsatz. "Angela Merkel zeigt seit langer Zeit ein echtes Interesse an diesem Kontinent und den deutlichen Wunsch, dort starkes Wirtschaftswachstum und weitere Entwicklung zu fördern", schreibt er an die DW.

Ende August veranstaltete die Kanzlerin einen letzten Afrika-Gipfel in BerlinBild: Tobias Schwarz/REUTERS

Dabei verweist Adesina auf die Initiative "Compact with Africa", von Merkel während der deutschen G20-Präsidentschaft 2017 ins Leben gerufen. Kernstück sind Partnerschaften zwischen zwölf afrikanischen Ländern und G20-Staaten wie Deutschland. Die afrikanischen Länder verpflichten sich zu Reformen, die sie für Investoren attraktiver machen sollen. Die G20-Staaten unterstützen dabei und werben bei ihren Unternehmen, in den Ländern zu investieren.

"Die meisten deutschen Unternehmen haben bisher gezögert, in Afrika zu investieren. Aber jetzt engagieren sie sich immer mehr in der Region, was zu einem großen Teil dieser Initiative zu verdanken ist", sagt die südafrikanische Expertin Nene.

Kaum deutsche Präsenz 

Doch es gibt noch mehr zu tun. Auf Afrika entfallen derzeit nur ein Prozent der deutschen Investitionen weltweit. Nur etwas über 800 deutsche Firmen sind auf dem Kontinent aktiv. "Wir sollten nicht erwarten, dass sich Veränderungen über Nacht einstellen. Vor allem nicht bei Initiativen, die auf den Aufbau langfristiger und für beide Seiten vorteilhafter Beziehungen abzielen. In diesem Sinne hat sie ein solides Fundament für die deutsch-afrikanische Zusammenarbeit gelegt", sagt Nene.

Bundeswehr in Mali: Vor allem im Sahel engagiert sich Deutschland im Bereich SicherheitBild: picture alliance/dpa/Bundeswehr

Das ist die eine Seite. Es gibt aber auch Kritik. Zum Beispiel von Gerrit Kurtz, Analyst der Denkfabrik GPPI in Berlin. Die "Compact with Africa"- Initiative habe das Ziel, deutsche Privatinvestitionen in Afrika zu fördern, nicht vollständig erreicht und sei hinter den - auch von der Kanzlerin selbst geschürten Erwartungen - zurückgeblieben. Ausländische Privatinvestitionen würden kaum Arbeitsplätze in Afrika schaffen, sagt er zur DW.

Klare Eigeninteressen

Auch die sogenannten "Reformpartnerschaften" in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sieht er kritisch: Afrikanische Länder, die aus Sicht der Bundesregierung besondere Fortschritte bei guter Regierungsführung machen, erhalten zusätzliche Hilfen. Äthiopien beispielsweise ist seit 2019 Reformpartner, steht aber wegen des Konflikts in Tigray international in der Kritik.

Trotzdem vermerkt auch Kurtz viel Positives: Bundeskanzlerin Merkel habe Afrika in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Damit stieg auch die Relevanz von Afrika für die deutsche Außenpolitik und der Blick von Berlin aus wurde weniger auf Entwicklungsthemen verengt", sagt Kurtz. "Das war sicherlich ein Fortschritt."

In den letzten Jahren ihrer Amtszeit reiste Merkel häufiger nach AfrikaBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Tatsächlich stecken hinter dem stärkeren deutschen Afrika-Engagement klare Eigeninteressen. Der Kontinent rückte auch erst spät in den Fokus der Kanzlerin: Erst ab 2016 wuchs die Zahl ihrer Afrika-Reisen. Bei Merkel stand die Begrenzung von irregulärer Migration nach Europa und die Prioritäten europäischer Partner, insbesondere Frankreichs, sehr hoch auf der Agenda und verzehrten bisweilen sonstige deutsche Prinzipien in Afrika, so Kurtz. 

"Interessen haben sich verschoben"

Wie blickt Merkel selbst auf ihren Einsatz auf den Kontinent? In ihrer Amtszeit habe sich das Interesse "ein bisschen von Ostafrika, Äthiopien, Kenia, das waren Länder, die für Deutschland sehr im Vordergrund standen, verschoben auf Westafrika", sagte Merkel kürzlich in einem Interview mit der DW. Das hätte vor allem an der terroristischen Bedrohung in der Region gelegen. Entsprechend hat Deutschland die Zusammenarbeit mit den Sahelstaaten Mali, Mauretanien, Tschad, Burkina Faso und Niger während der Amtszeit Merkels deutlich ausgebaut.

Noch ist unklar, wie viel Bedeutung Afrika für Merkels designierten Nachfolger Olaf Scholz haben  wird. Im Koalitionsvertrag der künftigen Regierungsparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wird der Kontinent kaum erwähnt. Doch Experte Kurtz hofft, dass sich Deutschland weiter auf dem Nachbarkontinent engagieren wird. "Die deutsche Afrikapolitik begann auf sehr niedrigem Niveau. Im Gegensatz zu stärker etablierten internationalen Akteuren in Afrika wie Großbritannien, Frankreich oder die Vereinigten Staaten, hat sie die Chance, Partnerschaft mit Afrika tatsächlich ernst zu nehmen. Und wenn das die Hinterlassenschaft von Merkels Afrikapolitik wäre, könnte das schon ein Erfolg sein."