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Politik

Angela Merkel bittet zum Tanz: Der nächste Diktator, bitte!

Antonio Cascais
11. Oktober 2016

Nach ihrer Rückkehr von ihrer Afrika-Reise setzt die Bundeskanzlerin ihre Afrika-Offensive in Berlin fort. An diesem Mittwoch wird der Präsident des Tschads mit militärischen Ehren empfangen. Eine zweifelhafte Ehre.

Berlin Demonstration Anti Idriss Deby
Bild: Aabdelkerim Yacoub Koundougoum

Seit Tagen wird Merkels Agenda vom Thema Afrika dominiert: Nach ihrer dreitägigen Reise, die sie nach Mali, Niger und Äthiopien führte, empfängt sie nun den Präsidenten des Tschad, Idriss Déby Itno, in Berlin. "Ich glaube, dass wir uns sehr viel stärker noch für die Geschicke Afrikas interessieren müssen", sagte Merkel in einem Video-Podcast. "Das Wohl Afrikas liegt im deutschen Interesse", betonte sie weiter. Um die Zahl der Flüchtlinge in Europa zu verringern, wolle sie stärker Fluchtursachen in Afrika bekämpfen. Zudem strebe sie nach dem Vorbild des Flüchtlingspakts mit der Türkei eine Zusammenarbeit mit den Transitländern Afrikas, wie dem Tschad, an.

Idriss Déby lenkt seit 1991 die Geschicke des TschadsBild: AP

Das sehen viele Tschader aber offenbar kritisch: "Es ist ein Skandal, dass Idriss Déby in Berlin empfangen wird. Merkel ist dabei Probleme zu verschärfen, anstatt sie zu lösen", sagt der tschadische Menschenrechtsaktivist Abdelkarim Yacoub Koundoungoumi. Er lebt seit 10 Jahren im Pariser Exil und ist extra nach Berlin gereist, um gegen den Besuch des tschadischen Präsidenten in Deutschland zu demonstrieren.

 Déby: "Pyromane oder Feuerwehrmann?"

Im Gespräch mit der DW begründet Koundoungoumi seine Kritik: "Die Bundeskanzlerin empfängt an diesem Mittwoch einen Mann, der große Probleme in der Sahelregion verursacht. Und sie ernennt ihn sogar zum Problemlöser. Mit anderen Worten: Sie macht aus einem Pyromanen einen Feuerwehrmann! (…) Angela Merkel bittet den falschen Mann um Hilfe bei der Lösung ihrer Probleme."

Der "falsche Mann" gilt als einer der mächtigsten Staatsmänner des afrikanischen Kontinents, als Mann mit einem "unersättlichen Machthunger", wie Koundoungoumi betont: "Idriss Déby ist so was wie ein Sultan in der ganzen Sahelregion. Er ist Staatspräsident des Tschads. Er ist der Präsident der G5 Sahel - Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad -  er ist derzeit auch Präsident der Afrikanischen Union. Er will Präsident von allem sein, ist überall präsent und will über Alles und Jeden bestimmen!"  

Demonstrationen gegen Idriss Déby auf dem Berliner AlexanderplatzBild: Aabdelkerim Yacoub Koundougoum

Abdelkarim Yacoub Koundoungoumi  ist Mitglied der Organisation "Trop, c'est trop" ("Genug ist genug"), einem Dachverband der tschadischen Zivilgesellschaft. Das Ziel der Organisation ist es, nicht nur und die deutsche Regierung, sondern auch die deutsche Bevölkerung aufzurütteln.

Deshalb habe er eine Protestaktion auf dem Alexanderplatz in Berlin organisiert und anschließend einen Protestmarsch bis zum nahegelegenen Auswärtigen Amt. Eine kleine, aber entschlossene Protestgruppe von circa 20 Leuten sei tatsächlich am Vortag von Débys Besuch in Berlin zusammengekommen: "Wir wollen den Deutschen, und vor allem Angela Merkel, klar machen, dass die Lösungen, die sie für den Frieden und die Sicherheit in Afrika vorschlägt, nicht funktionieren. Es gibt keine Lösung Hand in Hand mit Diktatoren!"

 Tschad: Schauplatz schwerer Menschenrechtsverletzungen

Tatsächlich wird die Menschenrechtslage im Tschad als äußerst schwierig angesehen. Willkürliche Verhaftungen und eingeschränkte Meinungsfreiheit seien Alltag im zentralafrikanischen Tschad, kritisieren die Menschenrechtsorganisationen einhellig. Idriss Déby habe, nachdem er sich vor 26 Jahren an die Macht putschte, einen überaus effizienten Unterdrückungsapparat aufgebaut. Wahlen habe es seitdem nur pro forma gegeben. Eine echte Opposition findet im Tschad keinen Platz. Dazu kommen große soziale und wirtschaftliche Probleme.

Der entwicklungspolitische Fachjournalist und Tschadexperte Martin Zint betont im DW-Gespräch, dass im Tschad, trotz Erdölvorkommen, die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebte. 70 Prozent der Menschen seien Analphabeten. Dennoch sei Präsident Idriss Déby im Westen, auch in Deutschland ein gefragter Gesprächspartner. Was erhofft sich die Bundesregierung vom tschadischen Diktator? "Ich vermute mal, dass man ihn hofiert, damit er die Grenzen Richtung Libyen und Algerien sichert und schließt", sagt Zint. Anderseits sei nicht zu übersehen, wie Déby mit seiner eigenen Bevölkerung umgehe: "Das ist wirklich eine brutale Art, wie er die Zivilgesellschaft knebelt und dadurch natürlich auch Flüchtlinge erzeugt, auch durch die Tatsache, dass er die Öleinnahmen, die ganz beträchtlich sind, nicht zur Armutsbekämpfung verwendet, sondern in sein Hobby, das Militär, steckt."

Trotz reicher Ölvorkommen gehört der Tschad zu den ärmsten Ländern der WeltBild: Christof Krackhardt

 Idriss Déby setzt auf militärische Stärke

Die militärische Stärke sei der Trumpf des tschadischen Präsidenten, betont Zint. Idriss Déby habe sich in den vergangenen zehn Jahren die schlagkräftigste Truppe der ganzen Region zusammengestellt. Sogar eine Luftwaffe habe er sich mittlerweile zugelegt - all das mit "Ölgeld", das er seiner Bevölkerung stehle.

 "Die Stärke der tschadischen Truppen wird vor allem im Mali deutlich, wo sie in der Wüste sehr gute Karten haben. Das Militär und die Stärke seiner Truppen ist die Eintrittskarte für Idriss Déby in die westliche Welt und er wird - wie viele andere Diktatoren vor ihm - von den westlichen Regierungen hofiert, weil er für Ruhe und Ordnung sorgt, aber das ist natürlich Friedhofsruhe. Und das ist natürlich auch nicht nachhaltig, denn das Öl wird in zehn, zwanzig Jahren aufgebraucht sein. Und dann steht er wieder alleine da."

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