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Politik

Angela Merkel: Jamaika kann gelingen

Kay-Alexander Scholz
3. November 2017

Eine Regierung aus vier Parteien zu bilden, ist keine einfache Angelegenheit. Doch die deutsche Bundeskanzlerin will das schaffen. Nun ging in Berlin die erste Etappe auf diesem Weg zu Ende - und zwar recht friedlich.

Fortsetzung der Sondierungsverhandlungen
Bild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Die erste Reihe von Gesprächen zwischen den möglichen Partner einer neuen, in Deutschland auf Bundesebene noch nie dagewesenen Regierungskoalition ist am Freitag zu Ende gegangen. Angela Merkel möchte ein Bündnis zwischen den beiden Unionsparteien CDU und CSU, den Liberalen (FDP) und den Grünen schmieden - Jamaika-Koalition genannt. Die noch zu bauenden Brücken zwischen den Partnern müssen politisch weit auseinanderliegende Positionen überbrücken. 

Merkel hat am Freitag in ihrer ersten öffentlichen Stellungnahme zu den seit zwei Wochen dauernden sogenannten Sondierungsgesprächen aus der Not eine Tugend gemacht: Jeder Partner solle seine Identität zur Geltung bringen, damit daraus etwas Gutes für das Land entstehe, so Merkel. Nun lägen eine Fülle von Fakten auf dem Tisch, die es in der nächsten Etappe zu ordnen gelte. Die Kanzlerin wählt dafür das Bild von "Enden", die sie nun zusammenbinden möchte. Ob sie das schafft oder sich in Knoten verheddert, ist noch offen. Doch sie zeigte sich betont zuversichtlich: Wenn man sich mühe und anstrenge, könne es gelingen.

Seit Tagen Topthema

Sechs Wochen sind seit der Bundestagswahl vergangen. In der ersten Phase der Sondierungsgespräche wurden ein Dutzend Themenpakete debattiert - und dazu gemeinsame Arbeitspapiere mit strittigen und unstrittigen Punkten erarbeitet.

Rechts der Reichstag, links das Gebäude der Parlamentarischen GesellschftBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Die Medien haben jeden Schritt der Gespräche begleitet. Es gab dutzende Statements der Teilnehmer, unter ihnen Minister, Ministerpräsidenten, Parteichefs und Fachpolitiker. Die Unterhändler der vier Parteien informierten -  untereinander mal mehr, mal weniger freundschaftlich gesinnt - die Medien über den Fortgang der Gespräche. Der Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft gleich neben dem Reichstag, wo die Verhandlungen stattfinden, war wahrscheinlich das meistgesehene Fotomotiv der letzten Wochen. Hier traten die Politiker ins Freie, um frische Luft zu schnappen oder Bilder der gerade herrschenden Stimmung zu vermitteln.

Handzeichen vom Balkon: Jamaika-Sondierer in der Parlamentarischen Gesellschaft in BerlinBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Streit gehört zum Verhandeln

Es gehört zu solchen Verhandlungen, öffentlich zu pokern. Deshalb wurde medial immer mal wieder mit dem Kopf geschüttelt - nach dem Motto: Das wird eh nix, jedenfalls nicht mit diesem Partner.  

Über drei Punkte bestehe trotzdem bereits ein gemeinsames Grundverständnis. Das jedenfalls sagte Grünen-Chef Cem Özdemir vor dem ersten Bilanztreffen der großen Runde von 52 Politikern am Freitag. Bei der Digitalisierung müsse Deutschland einen Zahn zulegen. Bei der Bildung, in Deutschland föderal organisiert, müsse der Bund Geld in die Hand nehmen. Eine bessere Pflege älterer Menschen wolle man angehen - und sich um Europa kümmern.

Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Grüne: "Noch große Brocken im Weg"Bild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Bei den Themen Haushalt, Migration und Klimaschutz dagegen lägen noch große Brocken im Weg, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt.

Ab jetzt werde richtig verhandelt, kündigte FDP-Chef Christian Lindner an. In der nun zu Ende gegangenen ersten Phase der Sondierungen sei es erst einmal darum gegangen, Themen und unterschiedliche Bewertungen zu sammeln. Die schon gefundenen Gemeinsamkeiten hätten sich deshalb zufällig ergeben - als "Kollateralnutzen". Nun folge die Annäherung, so Lindner. Aus Sicht der Liberalen sei das bei fünf Themen nötig: Bildung, Bürger und Staat, Einwanderung, Energie und Europa. Ganz deckt sich die Palette nicht mit dem, was die Grünen sagen.

FDP-Chef Christian Lindner: "Ab jetzt wird richtig verhandelt"Bild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Enger Zeitplan

Richtig viel Zeit ist nicht mehr. Schon in zwei Wochen sollen die Parteigremien darüber entscheiden, ob den Sondierungen der nächste Schritt folgen solle, der Beginn offizieller Koalitionsverhandlungen. Innerhalb dieser Verhandlungen wird dann ein Regierungsprogramm erarbeitet und in den sogenannten Koalitionsvertrag gefasst. Schon Ende November wollen die Grünen auf einem Parteitag über eine Koalition abstimmen lassen.

Eines der Themen, bei denen es noch besonders knirscht, ist die Migrationspolitik. Wie soll der Familiennachzug für Flüchtlinge gestaltet werden? Soll es eine Art Obergrenze für den Zuzug nach Deutschland geben? Auch die Frage der EU-Sanktionen gegen Russland oder das Thema Türkei sind noch von Kontroversen bestimmt.

Große Runde, kleine Runde und weiter

Um voran zu kommen in Stil und Inhalten, trafen sich in der vergangenen Woche zweimal auch die Parteichefs in eigener Runde. Schon am Montag soll es ein weiteres Chef-Treffen geben - um einen "Fahrplan für die Entscheidungsphase" zu erstellen, sagte CSU-Chef Horst Seehofer am Freitag. Am Wochenende würden, kündigte Seehofer an, die "besonders herausragenden Themen" herausgefiltert. Seehofer, der parteiintern unter Druck steht und ein gutes Verhandlungsergebnis in seine bayerische Heimat bringen muss, zeigte sich betont zuversichtlich, dass der Weg zum Ziel führt.

Julia Klöckner, CDU: "Ins Gelingen verliebt"Bild: Getty Images/AFP/J. MacDougall

Zuletzt wurden viele Themen an kleinere Gruppen delegiert. So viel Debatte war lange nicht, sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner am Freitagmorgen in einem Fernsehinterview. Es wäre eher verwunderlich, würde schon alles flutschen, so Klöckner. Schließlich würden nun einmal sehr unterschiedliche Parteien zusammen finden wollen. Kontroverse sei da "ehrlich und authentisch"; gleichzeitig ginge es darum, ins  "Gelingen verliebt zu sein".

"Das erste Etappenziel ist erreicht"

Das Bilanztreffen am Freitag endete bereits nach gut drei Stunden. Die Unterhändler präsentierten drei neue "Laufzettel", wie CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer die Arbeitspapiere nannte. Die Gespräche zur Außen- und Sicherheitspolitik, zu Verteidigung, Entwicklungshilfe, Familien, Wirtschaft und Freihandel seien sehr konstruktiv gewesen, hieß es unisono. Allerdings wurde das Streitthema Verkehr nicht besprochen.

"Das erste Etappenziel ist erreicht", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU/CDU-Fraktion, Michael Grosse-Brömer.