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Politik

Deutsche schreibt Wahlgeschichte in Georgia

Michael Knigge nm
14. Januar 2019

In ihrem Distrikt hatten die Demokraten nicht einmal mehr einen Kandidaten aufgestellt. Die deutschstämmige Angelika Kausche trat dennoch an und gewann einen Sitz im Repräsentantenhaus. Nun übernimmt sie ihren Posten.

USA Bob Trammell, Democratic Minority Leader
Bild: DW/M. Knigge

Als Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, erwachte ihr schlummerndes politisches Interesse zu neuem Leben. Angelika Kausche war vor 21 Jahren mit ihren beiden Töchtern aus Deutschland in die USA gekommen, nachdem ihrem Mann eine Arbeit in Michigan angeboten worden war.

Nach Trumps rassistischen und sexistischen Bemerkungen im Wahlkampf nahm sie seinen Sieg persönlich. "Das ist nicht richtig - die frauenfeindliche, die hasserfüllte Sprache gegen Einwanderer, das alles geht in die falsche Richtung", sagte sie in einem von mehreren Interviews in Johns Creek, dem wohlhabenden Vorort von Atlanta, in den Kausche vor drei Jahren gezogen ist. "Also beschloss ich, dass ich etwas tun musste."

Von der Wahlhelferin zur Kandidatin

Sie wandte sich an andere Frauen in ihrer Nachbarschaft, die ihre Empörung teilten. Über Facebook blieben sie in Kontakt und trafen sich regelmäßig. Doch Kausche wollte mehr und unterstützte den Demokraten Jon Ossoff bei den Nachwahlen für einen Sitz im US-Repräsentantenhaus im April 2017. "Ich ging in sein Büro und fragte: Wie kann ich helfen?" Dann hätten sie angefangen, sich zu organisieren und für Ossoff zu kämpfen, um "wirklich von der Basis zu lernen, wie es funktioniert".

Angelika Kausche (Mitte) mit WahlkampfunterstützerinnenBild: DW/M. Knigge

Trotz Ossoffs möglicher Niederlage - die er tatsächlich einstecken musste - war Kausche überzeugt, dass die Demokraten auch in traditionell konservativen Gebieten wie Johns Creek eine reale Chance hatten. Als die Midterm-Wahlen im November 2017 vor der Tür standen, wollte sie helfen, im Kongress des Bundesstaates Georgia Sitze für die Demokraten zurückholen. 

"Aber ich hätte nie gedacht, dass ich selbst kandidieren würde", war sie sich sicher. "Wir begannen, nach einem Kandidaten zu suchen, der für den 50. Bezirk kandidieren konnte." Als niemand wollte, schwor sie: "Ich werde das machen", denn "dieser Sitz soll nicht kampflos aufgegeben werden." Die Analyse der Wahldaten zeigte, dass dieser Sitz noch nie von Demokraten gewonnen worden war - 2016 schickten sie nicht einmal mehr einen Kandidaten ins Rennen.

Kausche drehte das Ruder: Sie stellte sich einem parteiinternen Verfahren und wurde Kandidatin - und zwar nicht für einen Posten im Stadtrat, dem traditionellen politischen Amt für Neueinsteiger, sondern für einen Sitz für ihren Heimatbezirk im Repräsentantenhaus von Georgia.

"Extrem unkonventionell"

Dass sie deutsche Wurzeln hat, dass sie erst vor drei Jahren nach Johns Creek gezogen war, und dass sie noch nie für ein Amt kandidierte hatte, machte Kausche zu einer höchst ungewöhnlichen Amtsanwärterin. "Wenn man sich die Geschichte der Politik in Georgia anschaut, ist sie extrem unkonventionell", sagte Bob Trammell, der Führer der demokratischen Minderheit im Repräsentantenhaus von Georgia.

Während Angelika Kausches Hintergrund einige konservative Wähler abgeschreckt haben mag, war er hilfreich bei der großen und wachsenden Gemeinde meist asiatischer Einwanderer. "Als ich an die Tür einer Familie klopfte, die aus Indien hierher gezogen war, sagten sie: 'Oh mein Gott, du bist eine Einwanderin, und du hast auch einen Akzent, das ist toll'", erzählt Kausche. "Das ist mir häufig passiert."

Johns Creek - eine wohlhabende und traditionell konservative Stadt in Georgia Bild: DW/M. Knigge

Pallavi Purkayastha - ihre Wahlkampfmanagerin und selbst aus Indien - sagt, dass Kausche Wähler mit ähnlichem Hintergrund motiviert. "Ich denke, die Leute, die normalerweise nicht zur Abstimmung gingen, erkannten sich selbst in ihr. Das hat sie inspiriert, ihre Stimme abzugeben."

Nach einem hart umkämpften Rennen gegen eine Gegnerin, zu deren Versprechungen auch die Abschiebung von Einwanderern ohne Papiere gehörte, erzielte Kausche fast genau zwei Jahre nach Trumps Wahl einen Sieg mit 51 zu 49 Prozent. "Es war ein enges Rennen, aber am Ende habe ich es geschafft."

Sieg für das Geschichtsbuch

Während einige der Frauen, die für den Kongress kandidieren, vielleicht eine größere Medienaufmerksamkeit erlangt haben, ist Kausches Sieg einer für die Geschichtsbücher. Wenn sie am 14. Januar ihr Amt antritt, ist sie das erste in Deutschland geborene Mitglied im Repräsentantenhaus von Georgia in der Neuzeit -  "vielleicht sogar in der Staatsgeschichte", schreibt Stephanie Devine von der "New Georgia Encyclopedia" auf DW-Anfrage.

Bob Trammell - führt die demokratische Minderheit im Repräsentantenhaus von GeorgiaBild: DW/M. Knigge

"In vielerlei Hinsicht ist das eine amerikanische Geschichte", sagte Bob Trammell. "Die Aussicht, dass Menschen in die Vereinigten Staaten kommen und so etwas in einem traditionell von der Republikanischen Partei dominierten Staat möglich ist, sagt etwas über die Gesundheit unserer repräsentativen Demokratie aus", so der Führer der demokratischen Minderheit im Repräsentantenhaus.

Es möge zwar etwas kitschig klingen, stimmt Kausche zu, aber auf ihre eigene Weise habe sie ihren amerikanischen Traum verwirklicht. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in Deutschland wohl nichts von all dem getan hätte. Das vergessen die Leute. Hier läuft es so - und das ist die Schönheit Amerikas: Wenn Du eine Chance hast, dann musst Du draufspringen und sie ergreifen."

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