Angeschlagene Gesundheit - Papst Franziskus und das Alter
30. März 2024Alles war angerichtet. Die weltbekannte Kulisse des Kolosseums in Rom an einem frischen Frühlingsabend. Davor ein weißer Lederstuhl mit braunen Armlehnen für Papst Franziskus. Und zehntausende Römer, Pilger und Touristen.
Sie kamen wegen der eindrücklichen Kreuzwegandacht an jene Stätte, an der einst römische Kaiser Christen der ersten Jahrhunderte quälen und töten ließen. Die Andacht bildet jedes Jahr einen der Höhepunkte der Kar- und Osterfeierlichkeiten in Rom.
Doch Minuten vor Beginn der Feier trugen Helfer den schweren Stuhl für Franziskus weg. Überraschend nahm der 87-Jährige nicht daran teil. Dabei hatte er in diesem Jahr erstmals selbst die Texte verfasst, die an den Weg Jesu vor seinem Kreuzestod erinnern.
Eine "Vorsichtsmaßnahme" vermeldet später die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf eine Quelle im Vatikan. Es habe keine besonderen Bedenken zum Gesundheitszustand des Papstes gegeben. Andere mutmaßen ein Verbot durch die Ärzte. Franziskus soll die Feier am Kolosseum am heimischen Bildschirm verfolgt haben. Damit nahm er zum zweiten Mal hintereinander nicht persönlich an dieser Andacht teil, die so wichtig im Lauf der drei österlichen Tage ist.
Vorsicht oder Verbot
Doch mit der kurzfristigen Absage überschattet die Sorge um die Gesundheit von Papst Franziskus die ernsten, frommen Tage in Rom. Seit mehr als einem Monat, seit dem 24. Februar, wirkte der Papst nie wirklich gesund. Mal wurden länger feststehende Termine aus seinem Kalender gestrichen. Mal erschien Franziskus (wie immer ohne Atemschutzmaske) zu offiziellen Treffen mit politischen Gästen aus dem Ausland und bezeichnete sich selbst als grippekrank.
Öfter kam er zwar zu Begegnungen mit kleineren Gruppen in einen der Säle im Apostolischen Palast oder zur wöchentlichen Begegnung mit tausenden Gläubigen in die Audienzhalle. Aber er trug seine jeweilige Rede oder geistliche Ansprache nicht selbst vor, sondern überließ sie, sich entschuldigend, einem Mitarbeiter. Man hörte und hört den Papst husten und räuspern, man hört die angegriffene, verkratzte und auch schwache Stimme.
Oder man hört nichts. Am Palmsonntag, eine Woche vor dem Osterfest, feierte Franziskus die Messe auf dem Petersplatz. Der ist groß und weit für viele tausende Gläubige, er ist auch zugig in diesen Märztagen. Und als die Predigt beginnen sollte, die Kameras sich bereits auf den Papst gerichtet hatten und die Gläubigen vieler Sprachen schon mit ihren Smartphones auf die Simultanübersetzung warteten, hörten sie - nichts. Franziskus saß dort Minute um Minute versonnen und wie versunken. Statt der Predigt Stille. Nach der Feier schaukelte das Papamobil das Kirchenoberhaupt lange kreuz und quer durch die Menge - das wirkte wie der Versuch, Franziskus' körperliche Tüchtigkeit zu demonstrieren.
Das Auf und Ab der Auftritte
Dieses Ereignis war der Einstieg in die Woche vor Ostern, die das Auf und Ab der vergangenen Monate geradezu zusammenfasst: Am Palmsonntag blieb Franziskus wortlos. Am Donnerstag darauf bei der sogenannten Chrisammesse predigte er mit fester Stimme 22 Minuten lang - so lange wie selten. Am frühen Donnerstagabend wusch er in Erinnerung an das letzte Abendmahl Jesu mit seinen zwölf Jüngern in einer römischen Haftanstalt zwölf Frauen die Füße und küsste jeden gewaschenen Fuß. Am Karfreitag verzichtete er auf die bewegende Feier am Kolosseum.
Klar ist: Franziskus ist fast seit Jugendtagen lungenkrank und seit elf Jahren im Amt. Mit seinen nun 87 Jahren und drei Monaten ist er ein alter Papst. Schaut man auf das Ranking der ältesten Päpste im Amt in knapp zweitausend Jahren Kirchengeschichte - dann liegt Franziskus derzeit an dritter Stelle. Im Oktober würde er Clemens XII. (1758-1769) überrunden, der erreichte 87 Jahre und 305 Tage. Das Alter prägt Franziskus körperlich. Seit Jahren braucht er wegen Knieproblemen zumindest einen Stock, und er benutzt immer öfter einen Rollstuhl. Zwei Mal während der vergangenen Jahre unterzog er sich zudem Darmoperationen mit jeweils längeren Krankenhausaufenthalten.
Sein Operateur Sergio Alfieri, Leiter der chirurgischen Abteilung der römischen Gemelli-Klinik, äußerte sich in dieser Woche im Interview des "Corriere della Sera" so: "Der Heilige Vater hat den Kopf eines 60-Jährigen und schafft es, uns allen voraus zu sein, während er weiterhin den Vatikanstaat ohne Probleme führt. Allerdings hat er - was normal ist - die Beschwerden eines 87-Jährigen." Ihm seien aber "keine Situationen bekannt, die Anlass zur Sorge geben". Dem Papst gehe es gut - "entsprechend seinem Alter und seinen Atembeschwerden in der kältesten Jahreszeit".
Sorge herrschte im Vatikan zunächst auch, wie der Papst an diesem Ostersonntag die Messe feiern würde. Und ob er sich danach mit Osterwünschen und dem feierlichen Segen von der Loggia des Petersplatzes an Gläubige und eine Zuschauerschaft in aller Welt wenden könne. Erleichterung gab es, als bereits die Ostermesse am Samstagabend im Petersdom wieder in Anwesenheit des Papstes stattfand. Der 87-jährige Pontifex eröffnete auch den Gottesdienst am Sonntagvormittag an einem Freiluft-Altar vor dem Petersdom, der dann von einem hochrangigen Geistlichen zelebriert wurde. Im Anschluss daran spendete Papst Franziskus den Segen "Urbi et Orbi" - zur Freude der Anwesenden.
Der niederländische Vatikan-Korrespondent Hendro Munsterman, der am Freitag vom Kolosseum berichtete, rechnet durchaus mit einer Reduzierung des päpstlichen Programms. "Manchmal etwas weniger, manchmal eher gebremst", sagte er der Deutschen Welle. Aber es verstünden alle Beobachter, "dass der Papst die Energie seines Amtes braucht". Wenn er mal aufhöre oder aufhören müsse, "geht es ihm schlecht". Franziskus nehme ja auch nie Ferien und "kann das vielleicht auch nicht".
Probleme mit der Reiselust
Die jüngste Auslandsreise von Franziskus liegt schon mehr als ein halbes Jahr zurück. Sie führte im September 2023 für eineinhalb Tage ins südfranzösische Marseille. Ende November 2023 wollte er unbedingt den Weltklimagipfel in Dubai besuchen, der Vatikan hatte die Reise bereits geplant. Sie entfiel - wohl nur auf Druck der Ärzte. Demnächst, Ende April, will der Papst für eine Tagestour nach Venedig. Über weitere Auslandsreisen wird spekuliert. Länder, die fest damit rechnen, planen und beten dafür: Mehrere asiatische Länder im August, Belgien im September.
Es ist, wie es mehrfach war während der vergangenen Monate: Vorerst sind die medial spektakulären Reisen des alten Mannes nur die kurzen Fahrten im kleinen Fiat zu Untersuchungen in römischen Kliniken.
Dieser Beitrag wurde am Samstag (30.03.2024) veröffentlicht und tags darauf (Ostersonntag) zum Abschluss der Osterfeierlichkeiten aktualisiert.