Die größte Oppositionsgruppe hat im Sudan zu neuen Massenprotesten aufgerufen. Es sind die ersten, seit Anfang Juni Dutzende Demonstranten getötet worden waren. Protestanführer fürchten erneut Gewalt.
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Im Vorfeld neuerlicher Massenproteste im Sudan haben Sicherheitskräfte das Hauptquartier der größten oppositionellen Gruppe durchsucht. In dem Büro der "Sudanese Professionals' Association" (SPA) wollte die Gruppe eine Pressekonferenz abhalten. Ein Sprecher der SPA bezeichnete den Vorfall als eine "Verletzung von Freiheiten, die sogar schlimmer ist, als unter dem ehemaligen Präsidenten Baschir." Der Militärrat kommentierte die Durchsuchungen nicht. Nach Angaben der SPA gab es keine Verhaftungen.
Die Protestbewegung Allianz für Freiheit und Wandel, zu der auch SPA gehört, hat für Sonntag zu Massenprotesten in der Hauptstadt Khartum und anderen Städten gegen den regierenden Militärrat aufgerufen. Es ist der erste landesweite Aufruf seit der gewaltsamen Auflösung des zentralen Protestlagers in Khartum, bei dem Anfang Juni Dutzende Menschen getötet worden waren.
Einer der Anführer der Proteste hat vor neuer Gewalt bei den geplanten Massenprotesten gewarnt. Ob es bei den bevorstehenden Protesten der Opposition erneut ein "Massaker" gebe, komme auf den Militärrat an, sagte Babiker Faisal. Die Opposition wolle "keinerlei Konfrontationen, weil dies definitiv zu Chaos führen würde", warnte er.
Für jeglichen Schaden verantwortlich
Der Militärrat warnte dagegen die Protestanführer, dass sie für jegliche Schäden bei den Demonstrationen am Sonntag verantwortlich gemacht werden würden. Der Anführer des Militärrats, Mohamed Hamdan Dagalo, sagte der Rat lehne die geplanten Proteste nicht grundsätzlich ab. "Es gibt aber Menschen, die einfach Vandalen sind und eine eigene Agenda verfolgen", sagte er.
Die USA, Großbritannien und Norwegen haben vor den geplanten Massendemonstrationen die Militärführung zum Gewaltverzicht aufgerufen. Die Menschen hätten das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, hieß es in einer Mitteilung der Troika, die vom US-Außenministerium veröffentlicht wurde. Der militärische Übergangsrat solle diese Rechte achten und friedliche Proteste erlauben.
Der langjährige sudanesische Präsident Omar al-Baschir war im April von den Streitkräften gestürzt worden. Dem Putsch waren monatelange Massenproteste vorausgegangen. Seitdem ringen die Militärführung und die Opposition um die Bildung einer Übergangsregierung. Bei der gewaltsamen Auflösung der Sitzblockade in Khartum wurden nach Angaben eines Ärzteverbands mehr als 100 Menschen getötet und 500 verletzt. Äthiopien und die Afrikanische Union (AU) agieren nun als Vermittler zwischen Militär und Opposition.
Trotz der angespannten Lage schließt Oppositionsführer Faisal nicht aus, dass noch vor Sonntag eine Einigung mit dem Militärrat auf einen demokratischen Wandel gelingt. "Wenn wir eine Einigung erzielen, könnten wir am 30. Juni vielleicht sogar auf die Straße gehen, um zu feiern", sagte der Protestanführer.
Volk gegen Militär - Chronologie des Machtkampfs im Sudan
Seit der gewaltsamen Räumung eines Protestcamps in der sudanesischen Hauptstadt Khartum sind die Spannungen zwischen Demonstranten und Militär enorm gewachsen. Wir dokumentieren den Machtkampf in Bildern.
Bild: Getty Images/AFP/A. Shazly
Protest
Über Wochen hielten es sudanesische Demonstranten vor dem Verteidigungsministerium aus. Zu Tausenden forderten sie einen Übergangsrat, in dem auch Zivilisten über die Zukunft des Landes entscheiden können. Anfang Juni dann rückte das Militär gewaltsam gegen die Protestler vor. Dutzende Menschen starben.
Bild: Getty Images/AFP/A. Shazly
Im Namen der Nation
Ein Demonstrant mit der Nationalflagge in der Nähe des Hauptquartiers der Armee. Die Flagge steht für die Forderung der Demonstranten, die Zukunft des Landes gemeinsam zu gestalten, im Zusammenspiel von Militärs und Zivilisten. Käme es dazu, wäre das ein bedeutender Schritt in Richtung Demokratie.
Bild: Reuters
Warnsignale
In den Tagen vor dem Massaker von Anfang Juni hatte das Militär verstärkt Präsenz gezeigt. In den Augen vieler Demonstranten deutete das darauf hin, dass die Armee die Macht womöglich doch nicht aus den Händen geben wollte. Genau das hatten aber viele Sudanesen nach dem Sturz von Diktator Omar al-Baschir erhofft.
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Ende einer Ära
Von 1993 bis zu seinem Sturz im April 2019 beherrschte Staatspräsident Omar al-Baschir den Sudan. Gegen Kritiker ging er in aller Schärfe vor. Um seine Macht zu halten, löste er 1999 sogar das Parlament auf. Zu dieser Zeit fand auch Al-Kaida-Chef Osama bin Laden Unterschlupf im Sudan. Vor allem aber bleibt sein Name mit dem Krieg gegen die Separatisten in der Provinz Darfur verbunden.
Bild: Reuters/M. Nureldin Abdallah
Der Diktator vor Gericht
Viele Sudanesen hatten lange Zeit darauf gehofft, den Diktator vor Gericht zu sehen. Tatsächlich erschien Omar al-Baschir am 16. Juni zu dem gegen ihn eröffneten Prozess. Vorgeworfen werden ihm vorerst Korruption und illegaler Besitz ausländischer Währungen. Nach seinem Sturz hatten Ordnungskräfte in seiner Villa ganze Geldsäcke im Wert von über hundert Millionen Dollar gefunden.
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Stimme der Frauen
An den Protesten beteiligen sich auch viele Frauen. Im Sudan genießen die Frauen seit jeher vergleichsweise große Freiheiten. Sie verstärken die Demonstrationen nicht nur quantitativ, sondern geben ihnen auch ein anderes Gesicht. Ihre Präsenz drückt den Wunsch vieler Bürger nach Demokratie und Gleichberechtigung aus.
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Ikone der Revolution
Die Archtitekturstudentin Alaa Salah ist zum Gesicht der Revolution geworden. Als sie im April auf das Dach eines Autos stieg und von dort zu den Demonstranten sprach, schoss ein geistesgegenwärtiger Fotograf dieses Bild. Seitdem wurden es in den sozialen Medien unzählige Male geteilt. Fotos wie diese sind ein wichtiger Bestandteil der Revolution geworden. Sie laden ein zur Identifikation.
Bild: Getty Images/AFP
Internationale Solidarität
Dank der sozialen Medien werden Proteste rasch in der gesamten Welt bekannt. Das gilt auch für die Demonstrationen im Sudan. Sie fanden rasch internationale Unterstützung, wie hier etwa im schottischen Edinburgh. Am Montag äußerten sich auch die EU-Außenminister. "Die EU fordert ein sofortiges Ende aller Gewalt gegen das sudanesische Volk", heißt es in ihrer offiziellen Erklärung.
Allerdings haben sich längst nicht alle Sudanesen gegen das Militär gewandt. Viele unterstützen es auch. Sie erhoffen sich eine straffe Regierungsführung. Allein durch sie, sind die Anhänger des Militärs überzeugt, lässt sich das Land in eine gedeihliche Zukunft führen. Das trauen sie vor allem dem auf dem Plakat abgebildeten General Abdel Fattah Burhan, dem Vorsitzenden des Militärrats, zu.
Bild: Getty Images/AFP/A. Shazly
In Wartestellung
Als der eigentlich starke Mann in den Reihen des Militärs gilt aber General Mohammed
Hamdan Daglu alias "Hemeti". Er führte jene Truppe, die die Proteste vor dem Militärsitz niederschlug. Während des Darfur-Kriegs war er Kommandant der Dschandschawid-Milizen, die gegen die Rebellen mit großer Brutalität vorgingen. Die Demonstranten fürchten, er könnte zum neuen Machthaber des Landes werden.
Bild: Reuters/M.N. Abdallah
Sorgen am Golf
Auch Politiker anderer arabischer Länder schauen mit Spannung und Nervosität auf die Entwicklung im Sudan. So etwa Mohamed bin Zayad al-Nahyan, der Kronprinz der Vereinigten arabischen Emirate (VAE). Wie auch Saudi-Arabien fürchten die VAE, der Protest könne als Beispiel einer gelungenen Revolution "von unten" in der Region Schule machen. Darum unterstützen beide Länder die sudanesischen Militärs.
Bild: picture-alliance/AP Photo/Ministry of Presidential Affairs/M. Al Hammadi
Der Nachbar im Norden
Auch in Kairo schaut man mit Sorge in Richtung Khartum. Die Regierung von Präsident Abdel-Fattah al-Sisi fürchtet, im Sudan könnten die Muslimbrüder an Einfluss gewinnen - eben jene Gruppe, gegen die die ägyptische Regierung im eigenen Land mit aller Macht vorgeht. Würden sich die Muslimbrüder im Sudan etablieren, so die Sorge, könnten sie von dort aus auch in Ägypten wieder erstarken.
Bild: picture-alliance/Photoshot/MENA
Einspruch ohne Ende
Im Sudan gehen die Proteste derweil weiter. Am Freitag (14.6.) forderte Sadiq al-Mahdi, seit Jahrzehnten einer der führenden Oppositionellen des Landes, eine Untersuchung zur tödlichen Räumung des Protestcamps. Den Militärs kann das nicht gefallen. Die Spannungen im Sudan könnten in eine neue Runde gehen.