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Bundespräsident Steinmeier reist nach Polen

11. April 2022

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reist nach Warschau und will vor allem nach vorn blicken. Doch in Polen hadert man noch immer mit den Fehleinschätzungen der deutschen Russlandpolitik. Das erschwert den Besuch.

Deutschland | Frank-Walter Steinmeier im ZDF-Morgenmagazin
Der Bundespräsident hat Fehler in seiner Russlandpolitik eingestandenBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an diesem Dienstag nach Warschau fliegt, will er mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda vor allem über die Zukunft sprechen. Doch dem Gastgeber ist der Blick in die Vergangenheit ebenso wichtig. Polen kritisiert derzeit heftig die deutsche Führungsriege für seine frühere Russlandpolitik - und für die aktuelle Zurückhaltung bei militärischen Hilfen für die Ukraine.

Frank-Walter Steinmeier und Wladimir Putin kennen sich seit vielen Jahren - hier bei einem Treffen 2007Bild: Dmitry Astakhov/Tass//epa/dpa/picture-alliance

Steinmeier ist in Polen als einer der wichtigsten Architekten der Russland-freundlichen Politik Berlins bekannt - er war Chef des Kanzleramtes bei Gerhard Schröder und Außenminister unter Angela Merkel. Er besuchte Polen als Außenminister achtmal, als Bundespräsident fünfmal und reist damit auch als jemand an, der über Jahre zu wenig auf polnische Warnungen vor zu viel Nähe zu Moskau hörte - so sieht man das in Warschau.

Nord Stream - von Anfang an geopolitisch höchstbrisant

Die Geschichte dieser Irrtümer geht zurück auf die Zeit, in der Steinmeier als Schröders wichtigster Mann das Nord Stream-Projekt verhandelte. Im Herbst 2005 gaben der damalige Bundeskanzler und der russische Präsident Wladimir Putin völlig überraschend den Bau einer Ostseepipeline bekannt. In Warschau löste das Empörung aus, denn das Projekt wurde über die Köpfe und Bedenken der Osteuropäer hinweg besiegelt. Polen hat das "Wirtschaftsprojekt" von Anfang an als "geopolitisch höchstbrisant" kritisiert.

Dass Berlin daran festhielt und unter Merkel auch noch die Nord Stream 2-Pipeline genehmigte, machte das Verhältnis zwischen Warschau und Berlin noch schwieriger. Steinmeier verteidigte das umstrittene Gasprojekt trotz aller Bedenken aus Osteuropa - nicht nur als Außenminister, sondern auch später als Bundespräsident. Jetzt will er nach vorn schauen und im Nachbarland die Botschaft aussenden, sein Land stehe "gemeinsam mit Polen an der Seite der Ukraine" - heißt es aus dem Bundespräsidialamt. Der Krieg sei eine Zäsur und eine Zeitenwende. Der Bundespräsident sehe eine Chance für eine Annäherung im bilateralen Verhältnis zu Polen gekommen. In der Krise rücke man zusammen, hört man aus seinem Umfeld.

Hohe Erwartungen an den Besuch

In Warschau ist man vor allem gespannt, wie Steinmeier mit der aktuellen Kritik an Deutschland umgeht. "Ich erwarte Sühne, Einsicht und Bedauern", sagt der polnische Politologe Olgierd Annusewicz. "Ebenso wie eine Versicherung, dass Deutschland seine Politik gegenüber Russland korrigiert". Der Experte wisse zwar, dass ein Bundespräsident operativ kaum politischen Spielraum habe, aber "Steinmeier könnte mit Symbolik zumindest ein wenig ausgleichen, was die Bundesregierung nicht liefert". Die Enttäuschung über die deutsche Zurückhaltung bei Sanktionen und Waffenlieferungen an die Ukraine sei nämlich groß, so Annusewicz.

Symbolische Reden hat der Bundespräsident mehrfach in Polen gehalten, zuletzt zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen in Wieluń - einer Kleinstadt, auf die ohne Vorwarnung als Erste deutsche Bomben im September 1939 fielen. "Seien Sie gewiss: Keinen Deutschen lässt diese Spur der Barbarei unberührt", versicherte Steinmeier in seiner Rede. Nach den ersten Kriegswochen, in den Tausende Ukrainer wieder Opfer von Barbarei wurden, fragen sich viele in Polen, wie sehr man sich im Osten auf Deutschland verlassen könne. Und vor der deutschen Botschaft in Warschau wird regelmäßig gegen die deutsche Politik protestiert.

Polen hat inzwischen zwei Millionen Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommenBild: Louisa Gouliamaki/AFP/Getty Images

"Bei Sicherheit verlassen wir uns auf andere"

"Ich bin mir sicher, dass die Polen bei der Frage, wie viel Verlass auf Deutschland ist, ziemlich zwiegespalten sind", so Rafał Chwedoruk, Politologe der Universität Warschaus. Bei der Sicherheit verlasse sich Polen heute weniger auf Berlin, sondern viel mehr auf Washington. "Wir müssen bei den Deutschen auf andere Stärken setzen", sagt er. "Heute sprechen wir über Waffen, aber wir müssen auch an die 'Alltagspolitik' von morgen denken. Von Deutschland als stärkstem Land Europas wird erwartet, dass es hilft, die europäische Wirtschaft wieder aufzubauen", sagt der Politologe.

Zu dieser Erwartung passt es, dass der Bundespräsident vor allem die polnische Hilfe und Leistungen für ukrainische Flüchtlinge würdigen will. Gemeinsam mit seiner Gattin Elke Büdenbender soll er ein Freiwilligenzentrum der Caritas besuchen, das die Arbeit der Helfer koordiniert und Geflüchteten aus der Ukraine hilft. Der Druck auf Steinmeier, die richtigen Worte und Gesten zu finden, ist diesmal hoch.

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