Am 23. August wird in Angola gewählt. Schon jetzt ist die Stimmung aufgeheizt: Die Opposition wirft der Regierung Manipulation und fehlende Transparenz vor. Auch in der Zivilgesellschaft rumort es heftig.
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Manuel Chivonde Baptista Nito Alves ist erst 21 Jahre alt. Als Politaktivist und Anführer einer Jugendbewegung gegen das Regime in Angola hat er sich aber schon einen großen Namen gemacht. Acht Mal wurde er bereits verhaftet. Die Liste der Vorwürfe ist lang: Unter anderem soll er Staatspräsident José Eduardo dos Santos beleidigt und einen Staatsstreich geplant haben. Außerdem hat er im Namen seiner Jugendbewegung "Movimento Revolucionário" Demonstrationen organisiert.
Am Dienstag (06.06.2017) war Alves wieder auf der Straße. Seine Forderung diesmal: Die Freilassung von sieben Mitstreitern, die Ende April festgenommen und in einem Schnellverfahren zu 45 Tagen Gefängnis verurteilt worden waren. Sie hatten friedlich für die Abhaltung freier und fairer Wahlen in Angola demonstriert.
"Die Wahlen, so wie sie hier in Angola abgehalten werden, sind eine Farce", sagt Alves im DW-Interview. "Solange Angola diktatorisch regiert wird, werden die Wahlen immer wieder manipuliert werden."
Staatsauftrag für dubiose Wahlorganisationsfirmen
Auch die größte Oppositionspartei UNITA hat in allen Provinzen des Landes zu Demonstrationen gegen "fehlende Transparenz im Wahlprozess" aufgerufen. Am vergangen Wochenende folgten Hunderttausende diesem Aufruf. Allein in Angolas Hauptstadt Luanda gingen 50.000 UNITA-Anhänger auf die Straße. Ihr Vorwurf: Die Wahlfälschung sei jetzt schon in vollem Gange. Zwei ausländische Logistik- und Softwareunternehmen, die schon bei vergangenen Wahlen negativ aufgefallen seien, seien erneut mit der logistischen Vorbereitung und Durchführung der Wahlen beauftragt worden.
In der Kritik stünden die Firmen SINFIC aus Portugal und Indra aus Spanien, sagt Raul Danda, Vizepräsident der UNITA, im Interview mit der DW. Der Staatsauftrag, der an diese Firmen gegangen sei, lasse bei seiner Partei alle Alarmglocken läuten: "Die Bekanntmachung der Öffentlichen Ausschreibung war an einem Freitagabend. Und fünf Tage später hatten die besagten Firmen schon einen Kostenvoranschlag mit allen notwendigen Unterlagen präsentiert. Dieser wurde sofort akzeptiert."
Zweifel an Unabhängigkeit der Wahlkommision
Ein anderer problematischer Punkt ist die Zusammensetzung der Wahlkommission. Zu viele Mitglieder stünden der regierenden MPLA nahe, meint die Opposition. Zum Verantwortlichen für die Wählerregistrierung ist Bornito de Sousa ernannt worden. Der ist gleichzeitig Innenminister und Nummer zwei auf der MPLA-Wahlliste. Proteste dagegen haben Regierung und MPLA bislang stets ignoriert. Die Kritik lassen sie an sich abprallen, auf Anfragen von kritischen Journalisten reagieren sie nicht.
"Die Regierung hat ihre Leute an den wichtigsten Schaltstellen platziert. Es gibt keine wirklich unabhängige Figur in den Instanzen, die die Wahlen abhalten und kontrollieren", sagt auch Aktivist Alves.
Warum spielt die Opposition mit?
Alves kritisiert auch die Opposition: Sie übe zu wenig Druck auf die Regierung aus. "Die UNITA sitzt im Parlament. Als solche wird sie - zumindest zum Teil - vom bestehenden System alimentiert", so Alves zur Begründung.
Der angolanische Schriftsteller José Eduardo Agualusa beobachtet seit Jahren "eine Pervertierung des politischen Systems" in Angola: Man halte alle fünf Jahre Wahlen ab und ziehe das Spiel perfekt durch, solange der Wahlsieg der MPLA garantiert bleibe. Solange die Oppositionsparteien dieses Spiel mitspielten, würden sie mit üppigen Abgeordnetenbezügen, Geschenken und Privilegien auf Staatskosten belohnt.
"Das Regime muss dafür sorgen, dass die Wahlen wirklich fair sind. Und das muss von internationalen Instanzen überwacht werden. Wenn das nicht geschieht, sollte die Opposition diese Wahlen boykottieren", sagte Agualusa anlässlich der Präsentation eines neuen Buches über Oppositionsbewegungen in Angola der DW.
Das Regime fürchtet die Jugend
Bei den vergangenen Wahlen wurde der Vorwurf des Wahlbetrugs immer wieder beiseite geschoben. Auch internationale Wahlbeobachter hatten in der Vergangenheit die Wahlen in Angola als "frei, gerecht und transparent" bezeichnet.
Doch inzwischen sind immer weniger Bürger bereit, das zu glauben. Während Demonstrationen der Opposition gelegentlich genehmigt werden, bleiben die Proteste der Jugendbewegung illegal. Nito Alves erklärt sich das so: "Die angolanischen Machthaber haben Angst vor der angolanischen Jugend, weil sie furchtlos und unabhängig ist: Wir sind entschlossen, solange auf die Straßen zu gehen, bis es wirklich transparente Wahlen in Angola gibt."
José Eduardo dos Santos: der "ewige" Präsident Angolas
Seit der Unabhängigkeit kennt Angola praktisch nur einen Präsidenten: Seit 1979 regiert José Eduardo dos Santos ununterbrochen. Doch er hat angekündigt, nach den für August 2017 geplanten Wahlen abtreten zu wollen.
Bild: picture alliance/dpa/P.Novais
Ingenieur der Petrochemie
Mit 19 Jahren schließt sich José Eduardo dos Santos der MPLA an. Die marxistisch inspirierte Bewegung kämpft für die Befreiung Angolas von der portugiesischen Kolonialherrschaft. 1963 erhält dos Santos ein Stipendium und studiert Petrochemie in Baku, das damals zur Sowjetunion gehörte. In der UdSSR wird er außerdem in Militärnachrichtentechnik ausgebildert. 1970 kehrt er nach Angola zurück.
Bild: picture-alliance/dpa
Außenminister unter Neto
Nach der Unabhängigkeit von Portugal im Jahr 1975 bricht in Angola ein Bürgerkrieg zwischen den drei Unabhängigkeitsbewegungen MPLA, UNITA und FNLA aus. Die Hauptstadt Luanda kontrolliert die MPLA. Parteichef Agostinho Neto (Foto) wird erster Präsident des Landes und installiert ein Einparteienregime. Dos Santos wird erst Außen- und später Planungsminister.
Bild: picture-alliance/dpa
Allianz mit dem Ostblock
Im September 1979 stirbt Neto in Moskau. Zehn Tage später wird dos Santos von der MPLA zum neuen Präsidenten Angolas gekürt. Er festigt die Allianz mit den kommunistischen Ländern im sogenannten Ostblock wie der UdSSR, Kuba oder Ost-Deutschland. 1981 besucht dos Santos die DDR und wird vom Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei SED, Erich Honecker (links im Bild) empfangen.
Während seines Aufenthaltes in der DDR besucht dos Santos 1981 auch das Brandenburger Tor und die Berliner Mauer. Beide sind Symbole für den Kalten Krieg und die Trennung der Welt in Ost und West. In Angola ist aus dem Kalten Krieg aber ein "Heißer Krieg", ein Stellvertreterkrieg, geworden: Der Westen, vor allem Südafrika und die USA, unterstützen die UNITA. Der Osten setzt auf die MPLA.
Bild: Bundesarchiv
Seite an Seite mit Kuba
Vor allem Kuba greift der militärisch unter Druck geratenen MPLA-Regierung unter die Arme. 40.000 kubanische Soldaten kämpfen in Angola, zum Beispiel 1988 in Cuito Canavale. Die Schlacht ist eine der größten des Krieges. Drei Jahre später wird in Portugal ein erster Friedensvertrag unterschrieben.
Bild: picture-alliance/dpa
Mehr Krieg trotz Friedensvertrag
In Folge des Abkommens finden 1992 die ersten Wahlen statt. Die MPLA erhält die Mehrheit im Parlament. Dos Santos schafft aber keine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen. Die nötige Stichwahl gegen Jonas Savimbi, den Führer der UNITA, findet nie statt. Der Krieg bricht wieder aus, weil die UNITA von Wahlbetrug spricht und sich weigert, die Wahlen anzuerkennen.
Bild: picture-alliance / dpa
Der Westen verliert das Interesse
Nach dem Ende des Kalten Krieges verliert der Westen das Interesse am Bürgerkrieg in Angola. Die USA erkennen die MPLA-Regierung 1993 an. Diese gibt sich zunehmend kapitalistisch. Mit dem Ende der Apartheid in Südafrika verliert die UNITA ihren wichtigsten Verbündeten. 1994 wird ein weiteres Friedensabkommen geschlossen. Auch dieses scheitert. Dos Santos setzt nun voll auf die militärische Karte.
Bild: Jörg Böthling/Brot für die Welt
Allianz mit Kabila im Kongo
Im kongolesischen Bürgerkrieg kommt angolanisches Militär ab 1998 Laurent-Désiré Kabila (Foto) zur Hilfe. Dos Santos sorgt dafür, dass Kabila Präsident der Demokratischen Republik Kongo werden kann. Damit kann er der UNITA eines ihrer Rückzugsgebiete nehmen. Außerdem etabliert sich Angola so als eine führende Militärmacht im südlichen Afrika.
Bild: picture alliance/AP Photo/P.Wojazer
Totaler Sieg über Savimbi
Ein internationales Waffenembargo schwächt die UNITA, die international immer mehr isoliert ist. Am 22. Februar 2002 gelingt es Soldaten der Regierungsarmee den Anführer der UNITA, Jonas Savimbi (Foto), zu töten. Noch im selben Jahr schließen UNITA und MPLA-Regierung ein Friedenabkommen. Einer der blutigsten Bürgerkriege Afrikas mit einer Million Toten und vier Millionen Flüchtlingen ist zu Ende.
Bild: AP
Überreste des Krieges
Viele Jahre nach dem Ende des Krieges sind im ganzen Land immer noch Zerstörungen sichtbar, wie auf diesem Bild aus dem Jahr 2009. Nach dem Krieg bleiben Militärs, Generäle und vor allem die Präsidentengarde das Machtzentrum um den angolanischen Präsidenten. Im Norden des Landes kommt es in der Enklave Cabinda bis heute zu militärischen Kämpfen mit der Separatistengruppe FLEC.
Bild: gemeinfrei
Wahlen verschoben und aufgehoben
Obwohl sie eigentlich für 1997 vorgesehen waren, finden die zweiten Parlamentswahlen der Geschichte Angolas erst 2008 statt. Die MPLA siegt mit 81,6 Prozent der Stimmen, die UNITA bekommt 10,4 Prozent. Es gibt Beschwerden, Wähler seien eingeschüchtert und die Wahlen schlecht organisiert worden. Die für 2009 versprochenen Präsidentschaftswahlen finden nicht statt. Dos Santos bleibt an der Macht.
Bild: Reuters
Schwieriger Partner
2011 besucht die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel Angola. Deutsche Unternehmer zeigen sich sehr interessiert, in Angola zu investieren. Doch nur wenige Projekte werden tatsächlich in den folgenden Jahren umgesetzt. Angola bleibt für Deutschland ein schwieriger Partner. Nur wenige Firmen wagen den Schritt in das südafrikanische Land.
Bild: dapd
Unterdrückung der Opposition
Inspiriert durch den Arabischen Frühling demonstrieren Jugendliche ab 2011 gegen dos Santos. Die Proteste werden von der Polizei brutal unterdrückt, Aktivisten festgenommen und verurteilt. 2013 erschießt die Präsidentengarde zwei Oppositionelle. Mitglieder der adventistischen Sekte "A Luz do Mundo" werden brutal verfolgt. Menschenrechtler werfen der Polizei zudem außergerichtliche Tötungen vor.
Bild: DW/N. Sul d´Angola
Endlich gewählt, aber nur indirekt
2010 ändert das Parlament die Verfassung und schafft die direkten Präsidentschaftswahlen ab. Präsident wird der Spitzenkandidat der Liste mit den meisten Stimmen bei den Parlamentswahlen. Die Wahlen 2012 gewinnt die MPLA mit 71,9 Prozent. Nach 32 Jahren im Amt hat dos Santos erstmals demokratische Legitimität. Beobachter kritisieren, die Opposition habe bei den Wahlen keine faire Chance gehabt.
Bild: picture-alliance/dpa
Familienmensch
Neben dem Militär ist die Familie das zweite Machtzentrum von José Eduardo dos Santos. Er war mehrmals verheiratet. Aktuelle Ehefrau ist Ana Paula dos Santos (Foto), ein ehemaliges Modell. Er lernte sie kennen, als sie Stewardess im Präsidentenflugzeug war. Das Paar heiratete 1991 und hat vier Kinder. Bei den Wahlen 2017 wird Ana Paula dos Santos als Abgeordnete für die MPLA kandidieren.
Bild: Reuters
Tocher Isabel ist die reichste Frau Afrikas
Aus dos Santos' erster Ehe mit der Tatiana Kukanova, einer russischen Schachmeisterin, stammt Tochter Isabel. Sie wurde durch eine Telekommunikationslizenz für ihre Firma Unitel zur reichsten Frau Afrikas. Aus seiner zweiten Ehe mit Filomena de Sousa, die im Außenministerium arbeitete, als dos Santos dort Minister war, stammt Sohn José Filomeno. Er leitet den staatlichen Investitionsfonds.
Bild: picture-alliance/dpa
Partnerschaft mit China
China ist der neue Lieblings-Partner von dos Santos. Das Land ist Hauptabnehmer des angolanischen Erdöls und vergibt Milliarden-Kredite an Angola, um dort Infrastruktur-Projekte zu fördern. Mit dem Geld bauen chinesische Firmen ganze Stadtteile wie Kilamba Kiaxi (Foto) in Luanda. Im Gegensatz zum IWF oder westlichen Kreditgebern stellt China keine Anforderungen an Transparenz oder Menschenrechte.
Bild: cc by sa Santa Martha
Armut trotz Reichtum
Trotz Erdöl-Milliarden leben viele Angolaner noch immer in extremer Armut. Das Land hat eine der höchsten Kindersterblichkeitsraten der Welt. Inmitten der Hauptstadt Luanda findet man Viertel ohne Abwasser-Entsorgung. Viele Gesundheits-Dienstleistungen sind für Arme unbezahlbar, weil sie nur privat angeboten werden. Das Bildungssystem gilt ebenfalls als unterentwickelt.
Bild: DW/N. Sul d'Angola
Diskretion ist seine Marke
Dos Santos ist für diskretes Auftreten bekannt. Interviews oder gar Pressekonferenzen mit ihm haben Seltenheitswert. Auch hält er nur wenige Reden. In den vergangenen Jahren reiste dos Santos regelmäßig wochenlang nach Barcelona in Spanien, um sich dort gesundheitlich behandeln zu lassen. Seine Amtsdauer von 37 Jahren wird in Afrika nur von Teodoro Obiang in Äquatorial-Guinea übertroffen.
Bild: picture alliance/dpa/P.Novais
Angekündigter Nachfolger
Nachdem dos Santos angekündigt hatte, bei den für August 2017 vorgesehenen Wahlen nicht mehr zu kandidieren, hat die MPLA den Verteidigungsminister João Lourenço als Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen und damit als seinen voraussichtlichen Nachfolger gekürt. Dos Santos bleibt Parteichef und wird daher weiter großen politischen Einfluss haben.