Angola investiert in Weiterverarbeitung von Rohöl
20. Juli 2023Martin Jooste hat sich mit Schutzhelm, Sicherheitsbrille und Stiefeln ausgestattet. An der Küste von Angolas Exklave Cabinda führt der Projektmanager über eine matschige Baustelle, die er für die britische Investmentfirma Gemcorp betreut. Nicht weit von ihm ragen stählerne Plattformen aus dem Meer empor, an dessen Grund internationale Energiekonzerne nach Öl bohren.
"Sie haben das Rohöl exportiert, und Angola hat dann das verarbeitete Produkt reimportiert", sagt Jooste. Das ändert sich nun. Am Ort der Baustelle wird im kommenden Jahr Cabindas erste Raffinerie in Betrieb gehen, an der auch Angolas staatliches Mineralölunternehmen Sonangol beteiligt ist. Damit liegt das Projekt allerdings hinter dem Zeitplan, ursprünglich sollte der Betrieb Anfang 2022 starten.
Angola ist der zweitgrößte Erdölproduzent Afrikas und fördert 1,1 Millionen Barrel Rohöl am Tag - insbesondere vor der Küste Cabinda, einer angolanischen Enklave, die an die Demokratische Republik Kongo und die kleinere Republik Kongo grenzt. Öl und Gas generieren fast drei Viertel der Exporteinnahmen des Landes.
"Immer wenn es hohe Preise auf dem internationalen Markt für Erdölprodukte gibt, dann verdienen auch wir viel daran" erklärt Mário Caetano João, Angolas Minister für Wirtschaft und Planung, gegenüber der DW. "Doch danach müssen wir davon abziehen, was wir ausgeben, um selbst Erdölprodukte einzukaufen."
Angolas eigene Rohöl-Verarbeitung deckt nur etwa 20 bis 30 Prozent des Verbrauchs von Diesel und Benzin. "Wir sind immer noch sehr von Erdölprodukten abhängig, die aus dem Ausland kommen", folgert der Minister.
Mit der neuen Raffinerie in Cabinda soll Wertschöpfung geschaffen werden, die dem Land zuvor entging. Jobs und neue Industrien sollen entstehen. In den Städten Lobito und Soyo hat Angola weitere Anlagen geplant - auch hier läuft die Umsetzung schleppend.
Auch andere afrikanische Länder setzen auf die Weiterverarbeitung. So hat Nigeria jüngst die größte Raffinerie des Kontinents in Betrieb genommen - die Dangote-Raffinerie bei Lagos. In Zeiten des Klimawandels fragen manche jedoch auch nach dem Sinn von derlei ambitionierten Investitionen in fossile Brennstoffe.
Destillierter Diesel
In Cabinda deutet vor allem ein weißer, etwa 20 Meter hoher Turm auf die entstehende Raffinerie hin - die "Destillationskolonne", wie Jooste erklärt: "Sie nimmt das Rohöl und teilt es auf: Gas kommt ganz nach oben, dann Rohbenzin, dann Kerosin, dann Diesel und am Boden Schweröl."
473 Millionen US-Dollar (rund 426 Millionen Euro) kostet der Bau der ersten Anlage nach Angaben der African Export-Import Bank, kurz Afreximbank. Diese wird 30.000 Barrel Rohöl am Tage verarbeiten und den Diesel abscheiden. "Die Betreiberfirma Gemcorp wird ihn sowohl exportieren, also auch im Inland vermarkten", sagt Projektmanager Jooste: "Das ist ein großer Vorteil. Denn die Leute müssen manchmal an der Tankstelle Schlange stehen." Die Raffinerie könnte sie schon bald zuverlässig beliefern.
In zwei weiteren Phasen will Gemcorp das Rohöl auch in Benzin und das als "Autogas" bekannte LPG verfeinern. Dafür sind weitere 800 Millionen Dollar veranschlagt.
Die Gemeinde Malembo grenzt an die zukünftige Raffinerie. Miguel Matias Ngo vertritt knapp 13.000 Bewohner aus zehn Dörfern. Der 46-Jährige trägt ein simples Polohemd zu Turnschuhen und sitzt auf einem Plastikstuhl neben seinem mit Wellblech bedecktem Haus.
Er berichtet von den vielen Ölfirmen, die sich in Cabinda angesiedelt hätten, ohne dass die Gemeinde davon profitierte. Sie seien einfache Fischer und Landwirte, die selten eingestellt werden.
"Das größte Problem unseres Lebens ist die Arbeitslosigkeit. Und es hat bereits sichtbare Auswirkungen, insbesondere der Drogenmissbrauch der Jugend", sagt er. Viele konsumierten Alkohol und Cannabis. Auch Diebstahl und Raub bereiten Ngo Sorgen. Die lokale Bevölkerung habe kaum Perspektiven, während die Ölkonzerne nebenan große Profite einstreichen.
Bislang sei Gemcorp anders aufgetreten, sagt der Gemeindevertreter. Gesundheitsprojekte wurden gestartet. Vor allem aber habe die Firma ihnen versprochen, lokales Personal einzusetzen, sobald die Raffinerie in Betrieb geht.
Arbeitsplätze für Angola
Marcus Weyll leitet die Aktivitäten von Gemcorp in Angolas Hauptstadt Luanda. Er ist zuversichtlich, dass 90 Prozent der Stellen der Raffinerie mit angolanischen Arbeitskräften besetzt werden können. In einer ersten Phase sollen laut Gemcorp 1.300 Jobs entstehen. Die Firma hat dafür eine eigene Ausbildungsstätte eingerichtet.
"Abgesehen von der Schaffung von Arbeitsplätzen und der sozialen Entwicklung der angrenzenden Gemeinden wird die Raffinerie zur Diversifizierung der Wirtschaft des Landes beitragen und für Wertschöpfung im Ölsektor sorgen", sagt Weyll. Er setzt auch auf die Entstehung einer petrochemischen Industrie. Mit Rohbenzin kann beispielsweise Düngemittel hergestellt werden.
Auch Carlos Rosado de Carvalho hält den Bau der Raffinerie für die inländische Versorgung grundsätzlich für richtig. Es bräuchte jedoch viel mehr Investitionen in Sektoren jenseits von Öl und Gas, sagt der Journalist und Ökonom: "Es ist eine Frage des Überlebens, weil das Erdöl seinem Ende entgegen geht."
Die aktuell bekannten Reserven im Land würden nach dem Jahr 2035 nicht mehr viel hergeben, sagt Carvalho. "Und selbst wenn wir zukünftig mehr Erdöl finden sollten, wird dessen Wert deutlich sinken." Denn international sei die Energiewende längst eingeläutet.
Der Wirtschaftsexperte plädiert daher dafür, schleunigst die Landwirtschaft, das produzierende Gewerbe und den Dienstleistungssektor voranzubringen. Auch die Produktion von erneuerbaren Energien ließe sich ausbauen.
Wasserkraftwerke deckten schon heute etwa 63 Prozent der Stromproduktion ab. Aber auch das Potenzial für Solarkraft sei enorm. Insgesamt bräuchte es dafür jedoch bessere Investitionsbedingungen.
Energiewende ohne Eile
Angolas Wirtschaftsminister Mário Caetano João hat einige Programme zur Diversifizierung der angolanischen Wirtschaft angeschoben. Aber er will das als Ergänzung und nicht als Konkurrenz zum Erdölsektor sehen.
"Unser Land hat einen sehr zerstörerischen Bürgerkrieg hinter sich. Deshalb haben wir noch einiges aufzuholen und können keine so abrupte Energiewende betreiben, wie wir es gerne möchten", sagt er. Ziel sei es, dass in den 2050er Jahren die Energieversorgung des eigenen Landes zu 80 bis 85 Prozent auf erneuerbaren Energien beruhen wird.
Heute setzt die Enklave Cabinda vor allem auf Dieselgeneratoren, um Elektrizität zu produzieren. Die Stromversorgung ist jedoch unzuverlässig, berichtet Ngo, der Vertreter der lokalen Gemeinde.
Zum Kochen nutzten sie in den Dörfern meist Holzkohle aus dem Regenwald. Auch in Cabinda könnten Alternativen zur Ausbeutung der Natur geschaffen werden, meint er. "Wir könnten erneuerbare Energien nutzen, Solarpanels beispielsweise." Doch dafür bräuchte es Förderung und Aufklärung.
Und überhaupt: Jetzt hoffen sie erst einmal, dass die Raffinerie neue Jobs bringen wird - und sie nicht länger an der Tankstelle anstehen müssen.
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