Angola: Schüler und Lehrer machen mobil gegen die Regierung
10. September 2025
Die Vorwürfe sind nicht neu, werden aber immer deutlicher zum Ausdruck gebracht: Angolas Regierung unter João Lourenço habe "die Sorgen der Jugend aus dem Blick verloren", warnt die Jugendbewegung "Movimento dos Estudantes Angolanos" (MEA) in einer Erklärung. Statt Verbesserungen im Bildungssystem gebe es steigende Studiengebühren. Gleichzeitig mangele es Tischen, Stühlen, Toiletten, Lehrmaterial und Verpflegung. Die MEA will sich das nicht länger gefallen lassen: "Entweder die Regierung ändert die Lage - oder sie wird gestürzt." Die Regierung bezeichnet die Bewegung als von der Opposition gesteuert, doch die Proteste gewinnen an Breite.
Gewalt gegen protestierende Jugendliche
Bereits im Mai 2025 gingen Tausende Schüler und Studenten landesweit auf die Straße. Sicherheitskräfte reagierten mit Gewalt, es kam zu Verhaftungen und Verletzten.
Nun kündigt die MEA eine mögliche Fortsetzung der Proteste an. Sprecher Francisco Teixeira im DW-Interview: "Wir schließen neue Demonstrationen nicht aus. Wir sammeln Unterschriften und bereiten Aktionen vor. Wir akzeptieren nicht, dass die Regierung uns weiter missachtet."
Ein Schulstart im Krisenmodus
Mit rund zehn Millionen Schülern hat in Angola das neue Schuljahr 2025/ 2026 begonnen - begleitet von der gewohnten Krise: fehlende Schulmöbel, kaum Lehrbücher, zu wenig Lehrer und keine Schulverpflegung. Doch der Protest ist dieses Jahr unüberhörbar.
"In vielen Regionen, selbst in Luanda, sitzen Kinder auf dem Boden, weil es keine Tische oder Stühle gibt", so Teixeira. Angola habe 19.000 Bäume, die als Klassenzimmer dienen. "Die Kinder bewegen sich mit dem Schatten. Das ist würdelos."
Zielscheibe der Kritik ist Bildungsministerin Luísa Maria Alves Grilo. Trotz mehrfacher Ankündigungen sei seit über einem Jahr nichts geschehen, so der Vorwurf.
Regierung beschwichtigt – Angst vor Massenbewegung
Bildungsministerin Grilo versichert in sozialen Medien, die Regierung arbeite an Lösungen. Streiks und Proteste seien unnötig, man solle dem Dialog Raum geben. Im laufenden Jahr seien 199 Millionen Euro für den Bau von neuen Schulgebäuden in den Provinzen Luanda und Icolo e Bengo ausgegeben worden.
Und auch der Präsident Angolas, João Lourenço, meldete sich zu Wort: In einer Rede anlässlich einer Konferenz zum Thema Human Resources vergangene Woche in Luanda kündigte er eine "Bildungsoffensive" für die nächsten zwei Jahre an. Dafür sollen umgerechnet 424 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden: "Dieses Geld wird nicht nur für neue Schulgebäude ausgegeben werden, sondern fließt auch in die Aus- und Fortbildung unserer Lehrkräfte", so der Präsident.
Doch hinter den Kulissen wächst die Nervosität: Die seit 50 Jahren regierende MPLA fürchtet, dass sich die Bildungsproteste zu einer landesweiten Massenbewegung ausweiten - mit politischem Sprengstoff. Die nächsten Wahlen finden 2027 statt; Präsident João Lourenço darf nach heutigem Stand nicht für eine dritte Amtszeit antreten.
Keine Bücher, kein Essen, kaum Personal
Neben der Infrastrukturkrise kritisiert die MEA den anhaltenden Mangel an Lehrmaterial. "Seit zwei Jahren wurden keine Bücher verteilt, obwohl fünf Millionen US-Dollar dafür vorgesehen waren - niemand weiß, wo das Geld geblieben ist", so Teixeira.
Hinzu kommt das Fehlen von Schulverpflegung. "Kinder bleiben von 7 bis 12 Uhr ohne Essen und Wasser. Wie soll so Unterricht funktionieren?"
Dazu kommt der Lehrkräftemangel: Laut offiziellen Angaben fehlen mehr als 86.000 Lehrer und Lehrerinnen. Viele Schüler erreichen die Sekundarstufe, ohne je qualifizierten Unterricht in Kernfächern wie Mathematik oder Portugiesisch erhalten zu haben.
Lehrergewerkschaft warnt: "Streik ist jederzeit möglich"
Der Generalsekretär der angolanischen Lehrergewerkschaft Admar Jinguma stellt sich klar hinter die Proteste: "Wir teilen die Kritik der Schüler. Wir wissen um ihre Sorgen, denn auch uns geht es schlecht: Die Klassen sind überfüllt, und unsere Bezahlung ist miserabel. Manche Lehrer hungern."
Ein landesweiter Lehrerstreik sei jederzeit möglich: "Wir verzichten vorerst darauf, um Gesprächsbereitschaft zu zeigen. Aber die Geduld ist aufgebraucht."
Besonders empört zeigt sich Jinguma über das Missverhältnis staatlicher Ausgaben. Beispiel: Die geplante Einladung der argentinischen Fußballnationalmannschaft zu einem Freundschaftsspiel anlässlich der 50-jährigen Unabhängigkeit – Kostenpunkt: 6 Millionen US-Dollar.
"Sechs Millionen für 90 Minuten Show - während Schulen verfallen. Wie viele Mahlzeiten oder Schultische könnte man damit finanzieren?"
"Die Elite will keine gebildete Bevölkerung"
Für MEA-Sprecher Teixeira liegen die Ursachen tiefer: "Das Problem liegt nicht nur beim Ministerium - es ist systemisch. Die politische Elite hat kein Interesse an befreiender Bildung. Bildung für die Armen passt nicht ins Machtmodell."
Die Regierung betreibe gezielt den Verfall des öffentlichen Bildungssystems, um sozial Benachteiligte von Chancen fernzuhalten. "Das ist politisch so gewollt."
Wachsender Druck - offene Zukunft
Der Schulbeginn wird von Kritik überschattet. Neben der MEA äußern sich auch Zivilgesellschaft, Kirchen und Opposition besorgt über die Zustände.
Ob es im neuen Schuljahr zu echten Reformen kommt oder zum landesweiten Streik und neuen Protesten, ist offen. Sicher ist vorerst nur: Der Druck wächst - auf Regierung, Partei und Präsident.