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Angola: Wo ist das Geld von Isabel dos Santos?

Antonio Cascais
21. August 2024

Vier angolanische NGOs fordern die Justizbehörden auf, zu erklären, warum die in Portugal eingefrorenen Vermögenswerte der Ex-Präsidententochter Isabel dos Santos immer noch nicht nach Angola transferiert wurden.

Porträtaufnahme Angola Isabel Dos Santos in Cannes
Isabel dos Santos: Die ehemals reichste Frau Afrikas ist wegen Geldwäsche angeklagt . Sie lebt in DubaiBild: Loic Venance/AFP

Anfang August 2024 bekamen die Generalstaatsanwaltschaften von Angola und Portugal wichtige Post. In einem Beschwerdebrief äußern sich vier Nichtregierungsorganisationen (NGO) besorgt darüber, dass die 2020, im Zuge des "Luanda Leaks"-Skandals beschlagnahmten Vermögenswerte der Ex-Präsidententochter Isabel dos Santos immer noch nicht nach Angola zurückgeflossen sind.

Die vier NGOs äußern zudem den Verdacht, dass Isabel dos Santos "große Geldbeträge, die dem angolanischen Staat zustehen", nach Dubai, wo sie wohnt, oder in andere Steueroasen, transferiert haben könnte. In der Causa Isabel dos Santos müsse endlich etwas passieren, so die Unterzeichner des Briefes.

Menschenrechtsorganistation "Mãos Livres", eine von vier NGOs, die Aufklärung über den Fall Isabel dos Santos einfordernBild: DW/P.B. Ndomba

"Seit vier Jahren warten wir darauf, dass das ergaunerte Geld nach Angola transferiert wird, damit es bedürftigen Angolanern zugutekommt", erklärt Gulherme Neves, einer der Unterzeichner des Briefes, im Namen der Organisation "Mãos Livres" ("Freie Hände"), im DW-Interview.

Er verstehe nicht, was die angolanischen und portugiesischen Behörden daran hindere, die beschlagnahmten Vermögenswerte von Isabel dos Santos nach Angola zu transferieren. "Wir fordern, dass die beiden Generalstaatsanwaltschaften öffentlich erklären, wo das Problem liegt", fügt Neves hinzu.

Fast fünf Jahre nach dem sogenannten "Luanda-Leaks-Skandal" sei außerdem immer noch kein Gerichtsverfahren gegen die einstmals "reichste Frau Afrikas" erhoben worden. Und das, obwohl die Beweislage, dass sich Isabel dos Santos der Korruption, der Untreue und der Geldwäsche schuldig gemacht haben könnte, erdrückend sei.

Nichtregierungsorganisation "Omunga" organisiert jährlich Märsche am Internationalen Tag der MenschenrechteBild: DW/N. Sul D Angola

Veruntreute Isabel dos Santos angolanisches Staatsvermögen?

Isabel dos Santos, die Tochter des im Jahre 2017 abgetretenen und 2022 verstorbenen Präsidenten José Eduardo dos Santos, galt mit einem geschätzten Vermögen von circa drei Milliarden US-Dollar zeitweise als die reichste Frau Afrikas. Doch die Enthüllungen rund um die Luanda-Leaks-Affäre brachten im Januar 2020 ihr Kartenhaus zum Einstürzen.

Die von einem portugiesischen Hacker geleakten Dokumente, die im Januar 2020 dem Internationalen Netzwerk Investigativer Journalisten (ICIJ) zur Verfügung gestellt wurden, gaben Hinweise auf illegale Praktiken bei den internationalen Geschäften von Isabel dos Santos.

Sie verfügte zeitweise über ein Geflecht von mehr als 400 Firmen und Scheinfirmen in 41 Ländern - viele davon mit Sitz in Steueroasen wie Malta, Zypern, Mauritius oder Hongkong. Ein Zweck des Firmengeflechts war es offenbar, Gelder aus dem lukrativen Öl-, Diamanten- und Mobilfunkgeschäft in Angola in großem Stil ins Ausland zu schaffen.

Isabel dos Santos konnte dabei anscheinend stets auf die schützende Hand ihres Vaters zählen, aber auch auf die Hilfe von Banken, Beratern und Anwaltskanzleien in Europa, vor allem in Portugal, der alten Kolonialmacht, wo sie an unzähligen Unternehmen und Gesellschaften, unter anderem im Banken-, Energie- und Telekommunikationsbereich, beteiligt war.

Die Anwälte von dos Santos bestreiten jedes Fehlverhalten ihrer Mandantin. Sie selbst sagte im November 2022 in einem DW-Exklusivinterview: "Ich will dabei helfen, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Die Menschen sollten wissen, dass es sich bei den sogenannten Luanda-Leaks um angeordnete Lügen handelt. Es ist eine Verschwörung gegen mich und meine Familie."

Zu den jüngsten Vorwürfen der vier angolanischen NGOs wollte dos Santos sich auf Anfrage der DW allerdings nicht weiter äußern.

Januar 2020: Der Fall Luanda Leaks sorgte für Aufsehen in AngolaBild: DW/B. Ndomba

Kurz nach Veröffentlichung der geleakten Dokumente erklärte die angolanische Justiz, Isabel dos Santos, ihr Mann und ein Vertrauter hätten sich auf Staatskosten um mehr als eine Milliarde US-Dollar bereichert.

Außerdem habe Isabel dos Santos Millionenbeträge vom staatlichen Ölunternehmen Sonangol an eine Beratungsfirma in Dubai überweisen lassen, obwohl sie zu dem Zeitpunkt gar nicht mehr Sonangol-Chefin war, sondern kurz zuvor vom Nachfolger ihres Vaters entlassen worden war.

Grund genug für die angolanische Justiz, im Jahr 2020 die Vermögenswerte und Konten von Isabel dos Santos in Angola einzufrieren. Auch in Großbritannien und in den Niederlanden, und vor allem in Portugal, ordneten Gerichte, auf Druck Angolas, die Sperrung von Konten der ehemaligen Präsidententochter an.

Kaum Bemühungen der angolanischen Justiz

Von da an blieb die angolanische Justiz praktisch untätig. Isabel dos Santos zog von London nach Dubai, wo sie unbehelligt lebt. Eine Vorladung wurde ihr bisher nicht zugestellt.

Die Behörden in Dubai erhielten bisher auch keinen Auslieferungsantrag aus Angola. Dazu kommt: Es sind kaum Bemühungen seitens der angolanischen Justiz festzustellen, die im Ausland konfiszierten Vermögenswerte von Isabel dos Santos nach Angola zurückzuholen.

Hélder Pitta Gróz, Generalstaatsanwalt in Angola: Bisher keine Reaktion auf den Beschwerdebrief von vier NGOsBild: DW

Sind die angolanischen Justizbehörden überfordert oder inkompetent? Oder steckt etwas anderes hinter ihrer Tatenlosigkeit? Im DW-Gespräch beklagt der angolanische Ökonom Carlos Rosado, das angolanische Justizsystem sei ineffizient.

"Leider kann man nicht einfach sagen: Die Diebin hat geklaut und muss jetzt das Diebesgut sofort zurückgeben. So läuft das nicht. Es braucht ordentliche Gerichtsprozesse. Doch die Mühlen der Justiz mahlen in unserem Land leider sehr langsam."

Die DW bat die Generalstaatsanwaltschaften in Portugal und Angola schriftlich um Stellungnahme zu den im Beschwerdebrief der angolanischen NGOs erhobenen Vorwürfen. Doch die Pressestellen beider Staatsanwaltschaften ließen die von der DW gesetzte Frist für die Beantwortung der Fragen kommentarlos verstreichen.

Portugal erhebt Anspruch auf einen Teil des konfiszierten Vermögens

Der portugiesische Jurist Rui Verde weist im DW-Gespräch darauf hin, dass es in Portugal eine Rechtsprechung gibt, die es erlaubt, dass die eingefrorenen Vermögenswerte von Isabel dos Santos zur Begleichung ihrer Schulden, die sie bei portugiesischen Banken angehäuft hat, verwendet werden können. Das sei eine mögliche Erklärung dafür, dass das die konfiszierten Vermögenswerte immer noch nicht nach Angola überwiesen worden sind.

Es stelle sich trotzdem die Frage, warum die angolanische Justiz keine Anstalten mache, das Geld zurückzufordern. "Die angolanische Staatsanwaltschaft ist anscheinend praktisch eingeschlafen. Wenn nicht bald etwas passiert, läuft Angola Gefahr, keinen einzigen Cent aus den konfiszierten Geldern zu sehen", so Verde weiter. Ebenso wundert der Jurist sich, warum Angola nicht in Dubai auf eine Auslieferung dos Santos' drängt.

Zivilgesellschaft muss den Druck erhöhen

Eugénio Almeida, portugiesisch-angolanischer Wissenschaftler am Zentrum für internationale Studien in Lissabon, hält die Initiative der angolanischen NGOs, Aufklärung über den Verbleib der eingefrorenen Vermögenswerte von Isabel dos Santos einzufordern, für berechtigt.

"Die Frage ist: Inwieweit sind die Gelder mit Wissen der angolanischen Regierung oder Behörden ins Ausland transferiert worden? Was wusste die angolanische Regierung?", fragt Eugénio de Almeida. Er glaubt, dass der Fall Isabel dos Santos einen "Rattenschwanz" nach sich ziehen wird, und Leute involviert sein könnten, die heute noch Machtpositionen des angolanischen Staates besetzen.

Eine Reaktion der Generalstaatsanwaltschaften in Angola und Portugal auf den Beschwerdebrief steht bislang noch aus, heißt es seitens der vier angolanischen NGOs, die den Brief verfasst haben.

Mitarbeit: Sandra Quiala, João Carlos

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