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Politik

Angolas Präsident: "Wir alle waren Teil des Systems"

Adrian Kriesch
3. Februar 2020

Im Interview mit der DW räumt João Lourenço Fehler ein. An seinem Versprechen, mit der Korruption unter seinem Vorgänger José Eduardo dos Santos aufzuräumen, hält er fest. Auch im Verfahren gegen dessen Tochter Isabel.

João Lourenço, Präsident von Angola, im Gespräch mit DW
Angolas Präsident João Lourenço (r.) und DW-Korrespondent Adrian KrieschBild: DW/M. Luamba

DW: Herr Lourenço, die Luanda Leaks haben vor einigen Wochen enthüllt, wie in Angola Hunderte Millionen US-Dollar aus staatlichen Mitteln in private Unternehmen gelenkt worden sind. Eine der Hauptverdächtigen ist Isabel dos Santos, die Tochter des ehemaligen Präsidenten. Es gibt jetzt Gerüchte, dass sie einen Deal aushandelt, um einen Teil des Geldes zurückzuzahlen. Finden solche Verhandlungen statt?

João Lourenço: Es gibt keine Verhandlungen. Und es wird keine Verhandlungen geben. Menschen, die in diese Art der Korruption verwickelt waren, hatten eine sechsmonatige Frist zur Rückgabe von Vermögenswerten, die sie illegal aus dem Land gebracht haben. Diese Gnadenfrist ist im Dezember 2018 abgelaufen, jetzt sind wir im Jahr 2020. Diejenigen, die diese Chance nicht genutzt haben, müssen jetzt die Konsequenzen tragen.

Die Dokumente, die durchgesickert sind, waren eindeutig. Wollen Sie Isabel dos Santos hinter Gittern sehen?

Ich würde es vorziehen, darauf nicht zu antworten. Das ist eine Angelegenheit der Justiz, und ich bin kein Richter.

Viele der Dokumente deuten darauf hin, dass Geschäfte im Wissen des ehemaligen Präsidenten José Eduardo dos Santos, manchmal gar auf dessen Anweisung hin, getätigt wurden. Da sind zum Beispiel Dekrete des Präsidenten, Grundstücke unter ihrem Wert an Firmen von Isabel dos Santos zu verkaufen. Warum gehen Sie nicht gerichtlich gegen den ehemaligen Präsidenten vor?

Sie sollten unsere Gesetzgebung kennen. Ehemalige Präsidenten sind nach Beendigung ihrer Amtszeit für mindestens fünf Jahre immun.

Würden Sie in Betracht ziehen, seine Tätigkeit nach Ablauf dieser Zeit zu untersuchen?

Es ist Aufgabe der Justiz und nicht der Politiker, Menschen anzuklagen. Das Justizsystem untersucht mutmaßliche Verbrechen. Die Aufgabe der Politiker ist es, sicherzustellen, dass die Justiz frei sein und innerhalb ihrer Kompetenzen handeln kann. Der Präsident schickt keine Menschen vor Gericht. Dafür hätte ich nicht einmal Zeit. Es gibt viele Fälle in diesem Land.

Laut US-Magazin "Forbes" die reichste Frau Afrikas: Isabel dos SantosBild: Getty Images/E. McIntyre

Vertreter der Opposition sagen, dass das Justizsystem gar nicht so unabhängig ist, wie Sie vorgeben, dass es von der Regierung sehr gut kontrolliert wird. Was ist Ihre Antwort darauf?

Das mag in der Vergangenheit der Fall gewesen sein. Aber nicht heute. Heute haben sie absolute Handlungsfreiheit. Das ist der Grund, warum es so viele Prozesse gibt, insbesondere im Zusammenhang mit Korruption.

Sie waren unter Dos Santos Generalsekretär der Regierungspartei MPLA und Verteidigungsminister. Sie kannten den ehemaligen Präsidenten sehr gut. Warum haben Sie in dieser Zeit diese ganze Kritik nicht zur Sprache gebracht?

Es stimmt, dass ich unter Präsident José Eduardo dos Santos gearbeitet habe. Das haben wir alle getan. Er blieb fast 40 Jahre an der Macht. Niemand kann sagen, dass er oder sie nicht Teil des Systems war. Wir alle waren Teil des Systems. Aber diejenigen, die besser in der Lage sind, das zu korrigieren, was falsch ist - und das zu verbessern, was gut ist - sind diejenigen, die das System von innen kennen. Das ist bei allen Revolutionen so passiert, wenn wir das so nennen wollen.

Wenn Sie sagen, dass Sie lange Teil des Systems waren, dann müssen Sie sich bewusst gewesen sein, dass das ein sehr korruptes System war. Denn das ist es, was uns die Dokumente jetzt zeigen, und sogar Ihre eigene Untersuchung zeigt das.

Gerade, weil ich dieses hohe Maß an Korruption gesehen habe - und weil ich denke, dass diese Situation so nicht weitergehen sollte -, kämpfen wir gegen das, was wir seit Jahrzehnten gesehen haben. Es könnte für uns bequem sein, die Dinge so zu belassen, wie sie vorher waren. Aber wäre das richtig? Wir haben jetzt die Chance auf Veränderung. Und dies ist der richtige Zeitpunkt dafür. Wir wissen, dass es viel Mut erfordert. Und wir stoßen auf einigen Widerstand. Aber wir würden diesen Widerstand lieber bekämpfen, als die Dinge so zu belassen, wie sie vorher waren.

Das Interview führte Adrian Kriesch.

Lourenço: "Es gibt keine Verhandlungen"

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