Angst-Terror - Die Furcht vor biologischen Anschlägen
15. Oktober 2001Die Wirkung von Terror - sie beruht nicht nur auf realer Gewalt, auf Anschlägen, Explosionen, Toten oder Verletzten. Die Wirkung von Terror beruht in erster Linie auf Angst. Und diese Dimension des Terrors - sie greift in diesen Tagen in den Staaten der westlichen Welt geradezu panikartig um sich. Milzbrand und Anthrax sind innerhalb kürzester Zeit Vokabeln des allgemeinen Sprachgebrauchs geworden. Und taucht irgendwo an unvermuteter Stelle ein weißes Pulver auf - Panik! Großräumige Absperrungen, Katastrophenhelfer in Schutzanzügen, medizinische Untersuchungen aller, die Kontakt mit der verdächtigen Substanz hatten.
Hochkonjunktur für kranke Geister
Die Bilder und Meldungen aus allen Teilen der Welt gleichen sich: Egal ob Deutschland, Großbritannien, Argentinien, Australien - überall haben kranke Geister Hochkonjunktur, die ein wenig Mehl, Gips oder Puder in einen Briefumschlag füllen, das Kuvert mit Worten wie "Anthrax" oder "Dschihad" schmücken - und so ihre Mitbürger in Angst und Schrecken versetzen. Terrorisieren eben. Dass dies funktioniert und wie leicht es funktioniert - darin liegt die weltumspannende Wirkung der Anschläge vom 11. September. In der Angst der Bürger, dass sie offenbar mit allem rechnen müssen und nichts mehr ausschließen können.
Der Blick in die USA scheint auch genau dies zu bestätigen: Mehr als zehn offiziell bestätigte Milzbrandfälle gibt es dort inzwischen. Und der amerikanische Gesundheitsminister spricht offen von einem terroristischen Anschlag. Weitaus besonnener zeigt sich sein Kabinettskollege, Justizminister John Ashcroft: Zusammenhänge zu den Anschlägen von New York und Washington seien bisher nicht erwiesen, und deswegen sei es zu früh, irgendwelche Urteile zu fällen.
Unbegründete Angst?
Lediglich ein Urteil ist möglich: Es ist offenbar leichter als vermutet, in den USA Milzbranderreger zu beschaffen und in den Verkehr zu bringen. Aber selbst diese eigentlich Besorgnis erregende Feststellung muss relativiert werden: Denn mit Ausnahme eines - des ersten - Falls, hat keiner der Infektionsfälle eine Krankheit ausgelöst, die lebensbedrohlich wäre. Und auch die Auswahl der Briefempfänger in den USA zeigt keine Zusammenhänge oder eine Strategie, die auf eine gezielte Terrorwelle schließen lässt. Mehr noch: Viren- und Biowaffen-Experten versichern, dass auf diese Weise kein wirklich gefährlicher Angriff auf eine Gesellschaft geführt werden kann.
Kein Grund zu Panik also? Zumindest nicht vor Briefen mit der Aufschrift "Dschihad" und Puderhäufchen in öffentlichen Gebäuden. Alles andere wäre ein schneller Sieg des Terrors und seiner perversen Nachahmer, die sich an der Angst ihrer Mitbürger berauschen.
Doch das ungute Gefühl bleibt. Denn die gleichen Sicherheitsexperten, die die Gefahr vor den Milzbranderregern relativieren, weisen darauf hin, dass noch ganz andere Eskalationsstufen des Terrors denkbar sind. Und da ist sie wieder - die Angst, die seit dem 11. September bleibt und ein Mittel des Terrors ist.