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Politik

Brexit, Bacon, Bürokratie

Barbara Wesel
23. August 2018

Das Leben wird weitergehen. Brexit-Minister Dominic Raab bereitet seine Bürger mit Notfallplänen auf den Fall eines No-Deal Brexit vor. Er setzt auf den guten Willen der EU und macht vage Versprechen.

Club Sandwich
Des Briten liebster Imbiss: Der BLT-Sandwich (BLT= Bacon, Lettuce, Tomato)Bild: picture-alliance/Bildagentur-online/McP-Insadco

Notfallplan für No-Deal Brexit

02:18

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Eine Schreckensvision. In Großbritannien gibt es bald keine Sandwiches mit Bacon, Tomate und Salat mehr. Denn nach einem harten Brexit ohne Deal im März 2019 können weder Salat aus Spanien, noch Tomaten und auch kein Speck mehr vom Kontinent nach Großbritannien importiert werden Dieses gespenstische Szenarium kursiert seit Wochen in britischen Zeitungen. Eine mediale Zuspitzung, oder wird der bevorstehende Brexit Großbritannien wirklich um seine beliebten "BLT-Sandwiches" bringen?

Brexit-Minister Dominic Raab bemüht sich, diese kulinarischen Ängste zu zerstreuen. "Natürlich wird es nach dem Brexit weiter BLT-Sandwiches geben", erklärte er. Bei dieser Zusicherung setzt Dominic Raab vor allem auf den guten Willen der Europäer, schließlich sei es in ihrem Interesse, dass der Austausch weiter gehe. Kritiker halten das für Wunschdenken, denn die EU ihrerseits betont die Bedeutung rechtlicher Regeln.

Brüssel pocht auf Rechtssicherheit

Arbeitet Notfallszenarien für den Ernstfall aus: Brexit-Minister Dominic Raab Bild: Reuets/Y.Herman

Raab hat auch die Veröffentlichung von über 20 Notfallplänen für verschiedene Wirtschafts- und Lebensbereiche freigegeben, mit denen die Ministerien in London ihre Strategien im Fall eines ganz harten Brexit vorstellen. Bis Ende September soll die Zahl dieser Szenarien auf rund 80 anwachsen.

Für den Bereich der Pharmaindustrie kündigte die Regierung an, Großbritannien werde die Sicherheitskontrollen der EU pauschal anerkennen. Man könne also weiter ohne neue Hindernisse Medikamente aus Europa einführen. Die Regierung wolle pragmatisch handeln und keine Störungen hervorrufen, erklärt Raab. Er setze darauf, dass die EU sich genauso verhalten werde, also ebenfalls britische Medikamente ungeprüft über die Grenzen lassen werde.

30 Jahre Erasmus: Auch nach dem Brexit will London sich weiter an dem EU-Stipendiaten-Programm beteiligenBild: European Union/M. Cugnot

Dahinter muss man nach bisheriger Brüsseler Lesart der künftigen Lage wohl ein Fragezeichen machen. Denn schon im nächsten Satz weist Raab darauf hin, dass das Königreich selbstverständlich von EU-Regeln abweichen könne, wenn es das für richtig halte. Die weitere enge Anbindung an europäische Vorschriften sei nur für die unmittelbare Zeit gleich nach dem Brexit gedacht, die EU allerdings will bei der künftigen Zusammenarbeit Rechtssicherheit.

Ende des freien Warenverkehrs

Was europäische Projekte wie das Wissenschaftsprogramm Horizont 2020 angehe, das Erasmus Austauschprogramm für Studenten oder die EU-Entwicklungshilfe, so will die britische Regierung sich als voll zahlender Partner weiter an den Vorhaben beteiligen. Raab räumt es nicht ein, aber darin steckt das Eingeständnis, dass die Gemeinsamkeit in bestimmten Bereichen der EU unverzichtbar ist.

Auch für Lebensmittel will London die EU-Regeln zunächst weiter aufrechterhalten, um deren Im- und Export zu gewährleisten, damit Salat und Tomaten für das britische Lieblingssandwich tatsächlich die Regale der Supermärkte erreichen. Man sei auch dabei, neue Zoll- und Mehrwertsteuerformulare für die exportierende Wirtschaft vorzubereiten. Klar wird aus den vorgestellten Plänen jedenfalls, dass eine Menge neuer Bürokratie auf die britische Wirtschaft zukommt und Verzögerungen an den Grenzen nicht zu vermeiden sein werden. Der freie Warenverkehr, wie man ihn kennt, wird enden. 

Die Rente ist nicht sicher: Britische Rentner in Spanien könnten nach dem Brexit Probleme bei der Auszahlung ihrer Bezüge bekommenBild: Imago/Kolvenbach

Und in jedem Fall wird die Sache teuer: Zusätzlich zu den schon eingeplanten 700 Millionen soll der Finanzminister weitere drei Milliarden britische Pfund für die Folgen des Brexit einplanen. Weitere 9000 Beamte sollen dafür abgestellt werden und allein 1000 zusätzliche Zollbeamte.

Allerdings würde man in dem Fall vorzeitig von den Zahlungen an die EU befreit, ein Hinweis darauf, dass die britische Seite die Scheidungskosten nur dann zahlen will, wenn es ein Abkommen mit der EU gibt. Eine Taktik, die den guten Willen bei den europäischen Partnern nicht gerade erhöhen dürfte, auf den Raab sich ständig beruft.

Kein Zugang mehr zu Bankkonten? 

So bleibt vieles bei den Vorbereitungen für den Ernstfall im Vagen. Etwa die Frage nach den Rechten der EU- und UK-Bürger auf der jeweils anderen Seite des Kanals. Meldungen in den vergangenen Tagen, wonach etwa britische Rentner in Spanien Probleme haben könnten, an ihre Rentenzahlungen aus Großbritannien zu gelangen, werden indirekt bestätigt. Es könne sein, dass es Probleme mit dem Zugang zu den Bankkonten geben könne, heißt es. Aber Raab versucht Unruhe zu dämpfen: Auch im Falle eines "No-Deal werde es doch genug guten Glauben" auf beiden Seiten geben, die praktische Zusammenarbeit weitergehen und vertragliche Verpflichtungen erfüllt werden. 

In Punkto Nordirland und der Frage wie der Grenzverkehr dort nach dem harten Brexit aussehen werde, verweist die Regierung in London einfach auf Dublin. Hier liegt nach wie vor das größte Problem bei den Scheidungsgesprächen in Brüssel. Man ist der Lösung der politisch und rechtlich schwierigen Frage noch kein bisschen näher gekommen. Notfalls werde man irgendwie eine Vereinbarung mit der irischen Regierung treffen müssen, erklärt der Brexit-Minister zu dem heiklen Thema. Er setzt sowieso auf eine Vielzahl von Einzellösungen mit EU-Mitgliedsländern, womit im Krisenfall viele Details ausgebügelt werden könnten.

Brexit: Gefahr für Frieden in Nordirland

02:14

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Brexit wird großartig - trotz allem

Raab hat hier die schwierige Aufgabe, den Briten gleichzeitig Begeisterung für den Brexit einzupflanzen und sie auf kommende Probleme vorzubereiten. "Ich erkenne die Risiken des Brexit auf kurze Sicht an", sagt der Minister in einem Satz, um im nächsten schon zu schwören, Großbritannien werde auf jeden Fall die EU verlassen: "Wir müssen die Chancen des Brexit ergreifen."

Für wie wahrscheinlich Raab einen No-Deal Brexit hält, dazu lässt sich der Minister nichts entlocken. Er wolle jedenfalls alle Anstrengungen daran setzen, dass es noch zu einer guten Vereinbarung mit der EU komme, und die sei "in Reichweite". Anders als sein Vorgänger will Raab jetzt in Brüssel ohne Pause verhandeln, um die Gespräche voranzutreiben.

Das Weißbuch der Regierung, hinter dem sich der Vorschlag von Premierministerin Theresa May aus Chequers verbirgt, sei doch eine hervorragende Grundlage dafür. Darin zeige die britische Regierung Kompromissbereitschaft, und nun erwarte sie das gleiche von der EU, erklärt der Brexit-Minister einmal mehr.

Was May will, ist eine Zollvereinbarung ohne Grenzkontrollen, bei der die britische Seite für die EU auf Treu und Glauben Zölle einziehen würde und eine Art Binnenmarkt nur für Waren. Beide Wünsche wollen die Europäer in der Form nicht erfüllen, weil sie diese für undurchführbar halten oder für unvereinbar mit europäischen Grundsätzen und Regeln.

Solange aber Raab nicht von der Premierministerin Spielraum für viel weiter reichende Kompromisse erhält, kann es keinen substantiellen Fortschritt in den Verhandlungen geben, sie sind festgefahren. May wiederum hat politisch nicht die Luft, um sich in punkto Brexit zu bewegen. Die Hardliner in ihrer eigenen Partei blasen schon jetzt gegen die bisherigen Zugeständnisse zum Angriff. Wie wahrscheinlich ist also ein No-Deal Brexit? Je mehr die Wochen bis zum November vergehen, ohne dass man sich näher kommt, desto wahrscheinlicher wird er. 

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