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Politik

Angst vor Assads schwarzen Listen?

Siham Ouchtou
10. März 2017

Das Assad-Regime sammelte auch über missliebige Stimmen aus dem Ausland Informationen. Mit ihnen sollte Druck auf die Betroffenen ausgeübt werden. Deutsche Opfer der Bespitzelung geben sich indessen gelassen.

Syrien Präsident Bashar al-Assad
Bild: imago/ITAR-TASS

Nein, überrascht sei er nicht, seinen Namen auf der Fahndungsliste des Assad Regimes zu finden. Das habe er erwartet. Gelassen reagiert der Journalist Kurt Pelda im Interview mit der DW auf den Umstand, das Assad-Regime habe gegen ihn bereits zwei Haftbefehle erlassen. Für ihn bedeute das nichts, so Pelda, der unter anderem mehrfach für die ARD aus Syrien berichtete. Das vom syrischen Militärgeheimdienst ausgegebene Papier würde ihn nicht einmal daran hindern, noch einmal nach Syrien einzureisen.

Die rund 1,6 Millionen Fahndungsausschreiben, die auch Daten von über 600 Deutschen enthalten, gliedern sich in drei Kategorien: Bei den meisten würde der syrische Inlandsgeheimdienst über die eventuelle Einreise informiert werden. Andere sind mit einem sogenannten "Entry Ban" belegt, ihnen würde wahrscheinlich ein Besuch des Landes verwehrt.

Kurt Pelda fällt in die dritte Kategorie: Dort sind diejenigen gelistet, die damit rechnen müssen, in Syrien verhaftet zu werden. Das gilt aber nur für diejenigen Landesteile, die das Regime noch kontrolliert.

Im Visier des Geheimdienstes

Journalist und Dokumentarfilmer Marcel MettelsiefenBild: Reuters/M. Blake

Ähnlich wie Pelda reagiert auch der Filmemacher Marcel Mettelsiefen, dessen Dokumentation "Watani: My Homeland" zuletzt für den Oskar nominiert wurde. Auch er sei nicht überrascht, seinen Namen auf der Liste zu finden, sagt er der DW. Konsequenzen habe das für ihn aber nicht.

Mettelsiefen bereiste Syrien erstmals im Jahr 2011, nach Ausbruch der Revolution, mit einem Visum. Danach betrat er das Land nach eigenen Aussagen irregulär und bemerkte, dass er vom syrischen Geheimdienst beobachtet wurde. Noch später habe dieser dann nach ihm gefahndet. Der Eintrag auf der Liste bedeute darum, dass er das Land nicht mehr auf reguläre Weise betreten könne.

Auch der Journalist Gabriel Gerlach, Herausgeber des dem Nahen Osten gewidmeten Magazins Zenith, gibt sich gelassen. Er stehe wohl auf der Liste, weil er 2011 zusammen mit Mettelsiefen in Syrien war, vermutet er. Praktische Konsequenzen fürchtet auch er nicht. "Wenn der syrische Geheimdienst in Europa noch aktiv ist, dürfte sein Einfluss nicht sonderlich groß sein."

Gibt sich gelassen: der Journalist Daniel GerlachBild: DW

Daten sollten Druck erzeugen

Anders sieht es Abdul Haq Ithar, Chefredakteur der syrischen Online-Plattform Zaman al-Wasl, die der Opposition nahe steht. Die Journalisten der Plattform werteten den Datensatz zusammen mit dem Investigativ-Ressort des Norddeutschen Rundfunks NDR aus.

Das Regime habe seinen Umgang mit unerwünschten Personen seit dem Ausbruch der syrischen Revolution deutlich verschärft. "Vor diesem Zeitpunkt wurde den Betroffenen nur die Einreise verwehrt. Seitdem aber werden sie verhaftet," sagt Abdul Haq. Oft blieben sie nur kurz in Haft, mit einigen aber verfahre das Regime anders. "Es geht dann darum, Druck auf die Betroffenen oder deren Staaten auszuüben."

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" sind in Syrien seit Ausbruch des Aufstands vor sechs Jahren über 130 Journalisten getötet worden.

Systematische Überwachung

Die Überwachung von Regimekritikern reicht in Syrien bis in die 60er Jahre zurück. Die nun aufgedeckten, bis in das Jahr 2015 reichenden digitalen Listen umfassen Daten von Personen aus 153 Ländern, zusammengestellt von den vier großen Geheimdiensten des Landes. Die meisten dieser Namen, so Abdul Haq Ithar, fanden nach dem Jahr 2011 den Weg auf die Liste. Wie diese an die Öffentlichkeit geriet, ist derzeit noch offen. Während Haq Ithar sich zur Identität seiner Kontaktpersonen in Schweigen hüllt, vermuten andere, es könnte sich um einen ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter handeln, der sich von dem Regime lossagte.

Im Visier des Staates: die syrische Bevölkerung. Straßenszene aus AleppoBild: picture-alliance/dpa

Man sei bereits seit dem Jahr 2015 im Besitz der Daten, so Haq Ithar. "Wir haben darüber auch schon berichtet. Doch erst, als die deutsche Presse das Thema aufgriff, begannen sich auch andere für das Thema zu interessieren."

Komplexe Datensätze

Es scheint sicher, dass es sich bei den Listen tatsächlich um Dokumente der syrischen Geheimdienste und nicht etwa um Fälschungen handelt. Dafür spreche die Fülle der Informationen, sagt der an der Beschaffung der Daten beteiligte Journalist Amer al-Musawi. Diese enthielten nicht nur die Namen der betroffenen Personen, sondern auch die der Eltern. Ebenso seien den Behörden die Nummern der Personalausweise, die Staatsangehörigkeiten und weitere sensible Daten bekannt.

Unter den nun bekannt gewordenen Namen befinden sich auch die von drei Mitgliedern der arabischen Redaktion der Deutschen Welle. Auf Anfragen der Redaktion hat die syrische Botschaft in Berlin bislang nicht reagiert.

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