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Politik

Die AfD und ihr radikaler Nachwuchs

Kay-Alexander Scholz
28. November 2018

Gerade bürgerliche AfD-Mitglieder fürchten die Beobachtung durch Verfassungsschützer. Achillesferse ist der Partei-Nachwuchs, die "Junge Alternative" (JA). Die JA könnte abgespalten werden - oder sich selbst zerlegen.

Deutschland | Bundeskongress der Jungen Alternative (JA) für Deutschland | Andreas Kalbitz und Damian Lohr
JA-Chef Damian Lohr und AfD-Vorstandsmitglied Andreas Kalbitz auf dem JA-Bundeskongress im Frühsommer 2018Bild: picture-alliance/dpa/A. Prautzsch

Rund 200 Politiker der "Alternative für Deutschland" (AfD) haben kürzlich auf dem Parteitag in Magdeburg öffentliche Bewerbungsreden gehalten. Sie wollten auf die Kandidaten-Liste zur Europa-Wahl im Mai 2019. Es war eine gute Gelegenheit, das Personaltableau des Mittelbaus der AfD kennen zu lernen. Der typische Bewerber ist demnach um die 50, Akademiker, teils Firmeninhaber - also bürgerliche Mittelschicht. Für viele wäre es wohl beruflich und vom Renommee ein echtes Problem, falls ihre Partei vom Verfassungsschutz beobachtet würde. Der AfD könnten große Teile des Mittelbaus wegbrechen.

Der AfD-Führung ist sich dieser Brisanz bewusst. Im Sommer wurde deshalb eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um Gegenstrategien zu entwickeln. Viel Zeit bleibt nicht. Bis spätestens Anfang Januar will der Verfassungsschutz entscheiden, ob die Partei ein Fall für den Inlandsgeheimdienst wird. Bislang stehen die Rechtspopulisten nur im Bundesland Thüringen unter Beobachtung des dortigen Landesverfassungsschutz. Genauer: Noch werden sie "geprüft", nicht beobachtet. Eine Beobachtung würde ermöglichen, E-Mails mitzulesen und Agenten einzuschleusen.

Achillesferse "Junge Alternative"

Bei der AfD-Jugendorganisation - der "Jungen Alternative" (JA) - haben Verfassungsschützer schon jetzt deutlichere Hinweise auf extremistische Tendenzen. Seit September wurden zwei Landesverbände der JA - Bremen und Niedersachsen - vom Verfassungsschutz beobachtet. Daraufhin wurde der Landesverband Niedersachsen abgespalten.

Bremen hat beantragt, dass sich auch die Innenministerkonferenz mit der JA beschäftigt, es soll um deren Auftreten in den anderen Bundesländern gehen.

Anlass für die Entscheidung, die JA zu beobachten, waren unter anderem Äußerungen von JA-Funktionären in den Sozialen Medien. Auch die Deutsche Welle hat exklusiv darüber berichtet. Doch es geht anscheinend nicht nur um Einzelfälle, sondern um das Wesen der JA..

Mehr als nur der Jugendverband

Das alles fällt auch auf die AfD zurück. Denn viele JA-Funktionäre sind gut mit der Mutterpartei verdrahtet. Einige sind selbst AfD-Landtagsabgeordnete; andere arbeiten in Bundestagsbüros für die AfD oder ihre Abgeordneten. Beim AfD-Treffen in Magdeburg war diese Vernetzung gut zu beobachten. Letztlich bewarben sich sogar JA-Funktionäre für das Europa-Parlament, allerdings erfolglos. Die JA ist nicht nur Kaderschmiede der AfD, sondern eigentlich schon Teil der Partei.

AfD-Europa-Parteitag in Magdeburg: Die Grenzen zwischen JA und AfD sind fließend Bild: Getty Images/R. Hartmann

Innerhalb der JA, das war in Magdeburg Gesprächsthema abseits der Mikrofone, hat die Angst vor dem Verfassungsschutz den Richtungskampf zwischen den "Gemäßigten" und "Radikalen" befeuert. Irgendwann sei die Grenze des Erträglichen erreicht, sagte ein "gemäßigter" Vertreter der JA aus Hamburg auf dem Europa-Parteitag.

Nicht nur in Hamburg, auch im mitgliederstärksten Landesverband Nordrhein-Westfalen könnte nach DW-Recherchen demnächst über eine Abspaltung entschieden werden. Zwei weitere Verbände sollen ebenfalls kurz vor der Spaltung stehen.

Die Geister, die man rief

Kurz nach dem Parteitag gab es einen Beschluss des AfD-Bundesvorstands, der viele in der Partei überraschte: Man müsse über eine Auflösung der gesamten Jugendorganisation reden. Entscheiden kann das allerdings nur ein ordentlicher Bundesparteitag, für den es allerdings noch kein Datum gibt. Bis dahin solle sich die JA von ihren extremen Mitgliedern trennen, steht im Vorstandsbeschluss. Direkte Durchgriffsmöglichkeiten hat die AfD nicht, weil nicht alle JA-Mitglieder automatisch AfD-Mitglieder sind. Die parteiinterne "Arbeitsgruppe Verfassungsschutz" soll ein Lagebild erstellen.

Bisher wenig Berührungsängste: AfD-Chef Alexander Gauland beim Bundeskongress der "Jungen Alternative" (2.6.2018)Bild: picture-alliance/dpa/A. Prautzsch

Überraschend war die Ankündigung auch, weil die AfD-Führung in der Vergangenheit gegenüber der JA wenig disziplinierend auftrat - im Gegenteil. Parteichef Alexander Gauland hielt bei einem JA-Kongress seine berüchtigte "Vogelschiss"-Rede. Vorstandsmitglied Andreas Kalbitz, aus dessen Biografie Kontakte zu Rechtsextremen bekannt sind, kümmerte sich um die JA. Die AfD scheint aus Angst vor dem Verfassungsschutz nun einer Gegenstrategie zu folgen. Unter PR-Gesichtspunkten macht sich ein solcher Beschluss, selbst wenn zunächst nur wenig passiert, natürlich gut -  in diesen Tagen, in denen der Verfassungsschutz über die Causa AfD berät.

Björn Höcke: "Völlig inakzeptabel"

Unmittelbare Folge des Beschlusses ist etwas anderes: Die Kämpfe innerhalb der JA sind voll entbrannt - und rufen so manchen AfD-Funktionär auf den Plan. Schließlich gibt es den Konflikt mit den Radikalen - den sogenannten Vertretern des "Flügels" - auch in der Mutterpartei. Vom Flügel-Mann-Nummer-1, dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, kam eine erboste Mitteilung: Die JA wegen einzelner "Entgleisungen" unter "Generalverdacht" zu stellen, sei "völlig inakzeptabel". Die Parteijugend verdiene einen "respektvollen Umgang". Auch von Kalbitz, politischer Freund Höckes, kam eine Solidaritätsbekundung: Er stellte sich vor seinen JA-Verband im Bundesland Brandenburg. Auch von anderen kamen Proteste.

Gauland bezeichnet NS-Zeit als "Vogelschiss in der Geschichte"

Bei den "Gemäßigten" ist der Tonfall konträr. Die "JA" sei nur noch ein "destruktiver" Faktor, heißt es in einem Posting in den sozialen Medien, das der DW vorliegt. "Wenn in letzter Zeit irgendetwas von der JA kam, dann war es nichts Gutes für die AfD." Es gebe zu viele "kopflose Narzissten". Sie würden nicht bedenken, dass es nicht allen aus beruflichen Gründen egal sein könne, wenn der Verfassungsschutz aktiv wird. Manche schienen sich sogar darüber zu freuen, heißt es, weil dann nur noch die "Aufrechten" übrig blieben.

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