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KlimaGlobal

Wie schmelzende Gletscher die Welt verändern

29. Mai 2025

Von den "Wassertürmen der Welt" hängt das Überleben der Menschen ab. Sie sind die Wasserspeicher der Erde. Doch wie lange noch? Die rasante Schmelze ist Thema der UN-Gletscherkonferenz in Tadschikistan.

Schweiz Lötschental 2025 | Lawinentrümmer vom Birchgletscher vor Schutzdamm Blatten
Gletschersturz in der Schweiz: Lawinentrümmer vom Birchgletscher stürzen ins Tal und begraben Teile des Dorfes Blatten unter sichBild: Jean-Christophe Bott/KEYSTONE/dpa/picture alliance

Riesige Eismassen, donnerndes Geröll – am Mittwoch (28. Mai) verschüttete ein Gletschersturz in der Schweiz das kleine Dorf Blatten. Die Folgen der Erderwärmung auf Gletscher werden immer deutlicher. Früher dachte man, ihr Eis würde für ewig bestehen. Aber gilt das noch?

Die Naturkatastrophe ist auch Gesprächsthema auf der Internationalen Gletscherkonferenz in Tadschikistan. An der Konferenz vom 29. Mai bis 1. Juni in der Hauptstadt Duschanbe nehmen Staatschefs, Regierungsdelegationen, Wissenschaftler sowie UN-Vertreter und NGOs teil.

Der Handlungsbedarf ist groß. Denn der dramatische Gletschersturz in der Schweiz zeigt, wie gefährlich die durch den Klimawandel beschleunigte Gletscherschmelze ist.

Nach Angaben von Forschern sind Schweizer Gletscher zwischen 2022 und 2023 wegen der Klimaerwärmung so stark wie im gesamten Zeitraum von 1960 bis 1990 geschmolzen. Weltweit schmelzen die oft als "Wassertürme der Welt" bezeichneten Eisberge heute doppelt so schnell wie noch vor zwei Jahrzehnten. Zwischen 2000 und 2023 haben sie eine Eismasse verloren, die dem Volumen von 46.000 Großen Pyramiden von Gizeh entspricht.

Der gigantische Thwaites-Gletscher in der Antarktis ist so groß wie der US-Bundesstaat Florida - er schmilzt von allen SeitenBild: Cover-Images/IMAGO

Rasantes Schmelzen in den Anden

Gletscher und Eisschilde speichern etwa 70 Prozent der Süßwasserreserven der Welt. Laut Forschern sind zwei Milliarden Menschen weltweit auf die Gletscherschmelze angewiesen, um ihren täglichen Wasserbedarf zu decken. Doch während es auf der Welt immer wärmer wird, taut das Eis.

Und das hat Auswirkungen. Einige Regionen haben zu wenig Wasser, während andere mit zu viel Wasser zu kämpfen haben. Die Einwohner der kleinen westperuanischen Stadt Huaraz zum Beispiel beziehen fast 20 Prozent ihrer jährlichen Wasserversorgung aus schmelzendem Eis. Doch die Andengletscher schmelzen noch schneller als anderswo.

Dies birgt die Gefahr von Überschwemmungen. In einem langen Rechtsstreit verklagte deshalb ein Einwohner von Huaraz den deutschen Energiekonzern RWE.

Seinem Haus drohe eine potenzielle Gefahr durch einen Bergsee, der sich in rasantem Tempo mit Schmelzwasser füllt. Das Oberlandesgericht (OLG) im westdeutschen Hamm wies die Klimaklage des peruanischen Landwirts allerdings in einem Grundsatzurteil am 28. Mai zurück.

Plötzliche Überschwemmungen

Nicht nur in Peru bilden sich riesige Gletscherseen, wenn die Gletscher tauen. Wenn sie zu voll werden, können tödliche Fluten Gebäude und Brücken wegspülen und fruchtbares Land vernichten - wie in Pakistan.

Nachdem im Mai 2022 ein Gletschersee in Pakistans Norden von Schmelzwasser überflutet wurde, rauschte das Wasser ins Tal und zerstörte dort eine BrückeBild: AFP

Im benachbarten Indien trat ein See aus geschmolzenem Eis über die Ufer, 179 Menschen kamen dadurch ums Leben. Wissenschaftler schätzen, dass weltweit mindestens 15 Millionen Menschen von plötzlichen Überschwemmungen durch tauendes Eis bedroht sind, die meisten von ihnen in Indien und Pakistan.

In den Schweizer Alpen konnten die Bewohner des Dorfes Blatten vor dem Abbruch des schmelzenden Birchgletschers rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden.

Erst zu viel, dann zu wenig Wasser

Wenn Gletscher schrumpfen, erreichen sie irgendwann einen Schwellenwert  ("Peak Water"), bei dem der Abfluss abnimmt. Infolgedessen fließt weniger Schmelzwasser flussabwärts, was weitreichende Folgen haben kann.

Anpassen an den Klimawandel: In Peru ist die Landbevölkerung in einigen Regionen dazu übergegangen, dürreresistente Kartoffelsorten anzubauenBild: Nataly Canales

Die verringerte Wasserversorgung in den Anden hat die örtlichen Landwirte, die traditionell Mais und Weizen anbauten, gezwungen, sowohl ihre Anbaupflanzen als auch ihr Wassermanagement zu ändern. Einige Gemeinden sind inzwischen auf den Anbau einer bitteren Kartoffelsorte umgestiegen, die besser gegen Trockenheit gewappnet ist.

Die instabile Wasserversorgung bremst auch die Stromerzeugung. In Chile werden 27 Prozent des Stroms durch Wasserkraftwerke erzeugt, die in hohem Maße vom Schmelzwasser abhängen. Im Jahr 2021 wurde das Alto-Maipo-Kraftwerk wegen des schwindenden Wasserflusses abgeschaltet.

Schmelzende Eisschilde erhöhen den Meeresspiegel

Nicht nur die Gletscher in den Hochgebirgen schmelzen, sondern auch die im Meer, wie der Thwaites-Gletscher in der Westantarktis. Dieser Eisriese ist so groß wie der US-Bundesstaat Florida und gilt als "sehr instabil". Laut Wissenschaftlern taut er von allen Seiten.

Das Schmelzen des Meereises trägt entscheidend zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Allein in den vergangenen 25 Jahren hat das Schmelzen der Gletscher den globalen Meeresspiegel um fast zwei Zentimeter ansteigen lassen.

Auf den Malediven werden Schutzdeiche gegen den Anstieg des Meeresspiegels gebautBild: Christophe Geyres/ABACA/picture alliance

Das mag nicht viel erscheinen, aber niedrig gelegene Inseln wie Fidschi und Vanuatu im Pazifik laufen Gefahr, unter den Wellen zu verschwinden. Darüber hinaus leben mehr als eine Milliarde Menschen in Megastädten wie Jakarta, Mumbai, Lagos und Manila in Küstennähe. Und Schutzdeiche sind nur eine vorübergehende Lösung, da der Meeresspiegel weiter steigt.

Bedrohte Eistraditionen

Gletscher haben auch für viele eine spirituelle und kulturelle Bedeutung. Jedes Jahr versammeln sich Zehntausende von Pilgern an einem der heiligsten Gletscher Perus, dem Colquepunco, zu einem religiösen Fest. In der Vergangenheit wurden Eisblöcke aus dem Gletscher gehauen und zu den örtlichen Gemeinden gebracht, die an ihre heilende Wirkung glaubten. Doch mit dem Schwinden des Gletschers ist diese alte Tradition bedroht.

Der Presena-Gletscher in Italien, ein beliebtes Ziel für Skifahrer, hat Berichten zufolge seit 1990 ein Drittel seines Volumens verloren. Und es wird erwartet, dass der natürliche Schnee in den europäischen Alpen bis zum Ende des Jahrhunderts um 42 Prozent zurückgehen wird. Wissenschaftler schätzen, dass viele Skigebiete weltweit in Zukunft nicht mehr rentabel sein werden.

Die Einheimischen können sich auf einige dieser Gefahren einstellen. Im pakistanischen Dorf Hassanabad wurde ein Frühwarnsystem installiert, um die Aktivität des nahe gelegenen Shisper-Gletschers zu überwachen. Sollte eine Warnung nötig sein, kann sie über Außenlautsprecher im Dorf verbreitet werden.

Hoffen auf künstliche Gletscher: Diese künstliche Formation in der pakistanischen Gilgit-Baltistan-Region soll Wasser im Sommer speichernBild: MANZOOR BALTI/AFP

In der benachbarten Region Ladakh experimentieren Forscher mit der Anlage künstlicher Gletscher, die den Wassermangel im Sommer abmildern können, um dieser Herausforderung zu begegnen.

Aber diese Strategien funktionieren nur bis zu einem gewissen Grad. Nach Ansicht der Wissenschaftler lässt sich der Gletscherschwund am besten durch eine Verlangsamung des Temperaturanstiegs, der die Erde aufheizt, in den Griff bekommen.

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

Katharina Schantz Multimedia-Journalistin der Deutschen Welle mit Expertise in Klima- und Umweltberichterstattung