Burundi: Angst vor neuer Gewaltspirale
3. August 2015Am Montag fielen erneut Schüsse in Burundis Hauptstadt Bujumbura. Sie trafen den bekannten Menschenrechtler Pierre Claver Mbonimpa. Sein Auto sei von bewaffneten Männern auf Motorrädern beschossen worden, sagte ein Verwandter Mbonimpas. Der Aktivist sei dabei verletzt worden, schwebe aber nicht in Lebensgefahr. Das könnte eine Antwort auf den Mord am früheren Armee- und Geheimdienstchef Adolphe Nshimirimana gewesen sein. Er und drei seiner Leibwächter waren einen Tag zuvor bei einem Attentat mitten in der Stadt ums Leben gekommen, als Maskierte mit Maschinengewehren und Granaten auf seinen fahrenden Wagen schossen. "Mit diesem Mord hat die Krise in Burundi eine neue Dimension erreicht", sagt Thierry Vircoulon vom unabhängigen Thinktank International Crisis Group. Es sei das erste Mal seit Beginn der Proteste gegen eine dritte Amtszeit von Präsident Pierre Nkurunziza im April 2015, dass ein Mitglied der politischen Elite Opfer eines gezielten Anschlags geworden sei.
General Nshimirimana sei eine sehr wichtige Figur im Machtgefüge in Bujumbura gewesen: "Er war über viele Jahre Sicherheitschef, stand Pierre Nkurunziza sehr nahe und war definitiv eine der radikalsten Personen im Gefolge des Präsidenten." Der Ex-Sicherheitschef gilt als Drahtzieher hinter der Niederschlagung des Putschversuchs gegen den Präsidenten im Mai. Nkurunziza hatte sich kurz zuvor erneut als Präsidentschaftskandidat aufstellen lassen. Die Wahlen am 21. Juli gewann er mit 69 Prozent der Stimmen. Kritiker werfen Nkurunziza vor, dass er mit seiner dritten Amtszeit den Frieden im ostafrikanischen Land aufs Spiel setzt. Die burundische Verfassung sieht für den Präsidenten maximal zwei Amtszeiten vor.
Angst vor Vergeltungsschlägen
In Bujumbura herrscht jetzt Angst vor Vergeltungsschlägen und gezielten Morden an Oppositionellen. Die ist angesichts des Anschlags auf Mbonimpa auch gerechtfertigt. Bereits am Sonntagabend schlug sich die Furcht im Stadtbild von Bujumbura nieder, wie DW-Korrespondent Fiacre Ndayiragije berichtet: "Fast alle Läden blieben geschlossen. Das ist ziemlich ungewöhnlich. Die Menschen zogen sich in ihre Häuser zurück und man hat den ganzen Abend über niemand auf den Straßen gesehen." Auf der Suche nach den Tätern führen erste Spuren laut Vircoulon in Militärkreise. Kurz nach dem Anschlag hätten die burundischen Sicherheitskräfte einen ranghohen Militär verhaftet, berichtet er.
Pancras Cimpaye von der Allianz der Demokraten für den Wandel (ADC-Ikibiri), einer Koalition aus elf größeren Oppositionsparteien, verurteilt die Ermordung von Nshimirimana. "Man hätte ihm zwar vieles vorwerfen können. Wir wollten ihn aber auf der Anklagebank sehen, nicht im Leichenhaus", sagt er im DW-Gespräch. Für ihn ist das Attentat eine Konsequenz des Gewaltzustands und der Verfolgung durch Nkurunzizas Regime.
Pierre Nkurunziza appellierte nach dem Vorfall an die Burundier, ruhig und vereint zu bleiben. Dafür habe sich auch General Nshimirimana eingesetzt, sagte Nkurunziza in einer Fernsehansprache. Zudem mahnte er, man dürfe "dem Feind nicht in die Falle gehen".
"Nichts mehr zu verhandeln"
Die Wiederwahl Nkurunzizas habe die Sicherheitslage in Burundi insgesamt noch verschlimmert, sagt Vircoulon. "Der Ausgang der Wahl hat der Opposition das Gefühl gegeben, nicht mehr verhandeln zu können." Jetzt, wo Nkurunziza seiner dritten Amtszeit entgegensieht, scheint ein politischer Ausweg aus der Krise in weite Ferne gerückt. Es gebe keinerlei Dialog mehr zwischen burundischen und internationalen Akteuren, so Vircoulon. Anstatt nur die Burundier zur Ruhe zu mahnen, solle Präsident Nkurunziza vor allem eines tun: den Dialog mit den Sondervermittlern der USA, der Vereinten Nationen, der EU und etwa Belgien schnell wieder aufnehmen. Außerdem müsse die Regierung darüber nachdenken, staatliche Institutionen für die Opposition zu öffnen.
Cimpaye vom Parteienbündnis ADC-Ikibiri setzt große Hoffnungen auf Burundis Bevölkerung. Die Mehrheit der Bevölkerung habe nicht an den Wahlen teilgenommen, sei aber eine extrem wichtige Kraft, die man nicht unterschätzen dürfe. "Nirgendwo auf der Welt kann sich eine Diktatur gegen eine entschlossene Bevölkerung durchsetzen", so Cimpaye. Die Burundier hätten sich verpflichtet, das Land von Nkurunzizas Diktatur zu befreien.
Wenn nicht am innenpolitischen Druck, so werde Nkurunziza letztlich an den Finanzen scheitern, argumentiert Cimpaye und erinnert daran, dass Burundis Staatshaushalt zu 52 Prozent von der internationalen Entwicklungshilfe abhängig ist. Wenn die Europäische Union und die wichtigen EU-Länder als Hauptgeldgeber den Geldhahn zudrehen würden, entstehe ein Haushaltsdefizit, mit dem Nkurunziza nicht regieren könne, so Cimpaye. "Dazu müsste er übernatürliche Kräfte besitzen oder ein Zauberer sein, und so weit ich weiß, ist er kein Zauberer."
Mitarbeit: Eric Topona