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Politik

Zwei Morde: Anklage gegen Halle-Attentäter

21. April 2020

Gut ein halbes Jahr nach den mutmaßlich von Stephan B. verübten Gewalttaten in der Stadt in Sachsen-Anhalt hat die Bundesanwaltschaft die Anklageschrift veröffentlicht. Sie ist erschreckend lang.

Sicherheitskräfte führen Stephan B.  im Oktober 2019 zu einer Anhörung bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe (Foto: Reuters/R. Orlowski)
Sicherheitskräfte führen Stephan B. im Oktober 2019 zu einer Anhörung bei der Bundesanwaltschaft in KarlsruheBild: Reuters/R. Orlowski

Rund ein halbes Jahr nach dem antisemitischen Anschlag von Halle hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen den mutmaßlichen Attentäter erhoben. Stephan B. ist "des Mordes in zwei Fällen sowie des versuchten Mordes in mehreren Fällen zum Nachteil von insgesamt 68 Menschen hinreichend verdächtig", wie der Generalbundesanwalt in Karlsruhe mitteilte. Zudem wird dem Attentäter gefährliche Körperverletzung, versuchte räuberische Erpressung mit Todesfolge, besonders schwere räuberische Erpressung, Volksverhetzung und fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Die Anklage wurde vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Naumburg erhoben.

"Antisemitisch, rassistisch und fremdenfeindlich"

In der Anklageschrift heißt es: "Stephan B. plante aus einer antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Gesinnung heraus einen Mordanschlag auf Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens." Dazu habe er sich mit acht Schusswaffen, mehreren Sprengsätzen, Helm und Schutzweste ausgerüstet und sei am 9. Oktober 2019 zur Synagoge in der Humboldtstraße in Halle gefahren. Zum Zeitpunkt des Attentats hielten sich in der Synagoge zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur 52 Gläubige auf. Der Beschuldigte filmte seine Tat und verbreitete die Aufnahmen im Internet. Dort stellte er laut Anklage auch den NS-Völkermord an den Juden in Abrede. Sein Plan, möglichst viele Juden in der Synagoge zu töten, scheiterte den Angaben zufolge an der geschlossenen Tür der Synagoge.

Die von Stephan B. beschädigte Eingangstür der Synagoge in HalleBild: Reuters/F. Bensch

Nach dem vergeblichen Versuch, in die Synagoge einzudringen, erschoss er dort eine zufällig vorbeikommende 40-jährige Passantin. Er soll zudem versucht haben, auf weitere Menschen zu schießen. Seine Waffen hatten laut den Ermittlern allerdings Ladehemmungen. B. fasste daraufhin laut Bundesanwaltschaft den Entschluss, "Menschen mit Migrationshintergrund zu töten". Nach einer kurzen Fahrt mit seinem Auto durch die Stadt hielt er demnach vor einem Dönerimbiss, "den er für ein geeignetes Anschlagsziel hielt". B. soll in dem Imbiss einen 20-jährigen Mann erschossen haben. Ein Angestellter und drei weitere Gäste konnten fliehen.

Blutige Flucht von anderthalb Stunden 

Der Attentäter schoss auf seiner Flucht auf weitere Passanten und auch auf Polizisten, die ihn stoppen wollten. Er wurde dabei durch den Schuss eines Beamten verletzt, konnte seine Flucht aber zunächst fortsetzen. In einem Dorf nahe Halle versuchte er, einen neuen Fluchtwagen zu bekommen. Als sich ein Anwohner weigerte, ihm die Schlüssel zu seinem Auto zu geben, schoss er auf den Mann und dessen Lebensgefährtin. Beide wurden dabei schwer verletzt. In einer Autowerkstatt zwang er einen Taxifahrer, ihm seinen Wagen zu überlassen. Auf einer Bundesstraße stieß er mit dem Taxi frontal mit einem Lastwagen zusammen. Gut anderthalb Stunden nach dem gescheiterten Anschlagsversuch auf die Synagoge wurde er dort festgenommen. Er sitzt seither in Untersuchungshaft. Wann der Prozess gegen ihn beginnt, ist noch unklar.

Markierungen der Polizei vor dem Döner-Imbiss in Halle, wo ein 20 Jahre alter Mann erschossen wurdeBild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

Sachsen-Anhalts Justizministerin Anne-Marie Keding berichtete unterdessen in Magdeburg über die geleistete Opferhilfe nach dem Terroranschlag. Seit Jahresbeginn gibt es in dem Bundesland eine zentrale Anlaufstelle für Opferberatung. Die Besetzung der Stelle eines Landesopferbeauftragten werde vorbereitet und soll noch in diesem Jahr erfolgen, erklärte Keding.

Zehn Menschen in Trauma-Behandlung

Den weiteren Angaben zufolge stellten vier Menschen Anträge auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. An der Betreuung der Opfer beteiligten sich auch regionale Opferschutzverbände wie der Weiße Ring oder die Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt. Intensiv eingebracht habe sich auch der jüdische Wohlfahrtsverband ZWST bei der Betreuung und Begleitung der betroffenen Mitglieder der jüdischen Gemeinde, hieß es. Nach Auskunft der Unfallkasse befanden sich im Dezember 2019 zehn Personen in einer Trauma-Behandlung. Zur Zahl der Opfer insgesamt - mit Hinterbliebenen, Verletzten und Augenzeugen - konnten keine Angaben gemacht werden.

sti/uh (afp, dpa, epd)

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