Anklage nach Messerangriff am Holocaust-Mahnmal erhoben
29. Juli 2025
Der Angriff auf einen spanischen Touristen am Holocaust-Mahnmal in Berlin im Februar kam hinterrücks und aus dem Nichts. Der 30-Jährige wurde lebensgefährlich verletzt.
Der mutmaßliche Täter wird nach einem Haftprüfungstermin beim Bundesgerichtshof abgeführtBild: Uli Deck/dpa/picture alliance
Anzeige
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wirft dem mutmaßlichen Täter, einem zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alten anerkannten Flüchtling aus Syrien versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und versuchte Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor. Sie erhob jetzt Anklage gegen den jungen Mann. Der Staatsschutzsenat des Kammergerichts Berlin muss nun entscheiden, ob und wann es zum Prozess kommt.
Der Angreifer hatte am 21. Februar im Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals in der deutschen Hauptstadt von hinten mit einem Messer auf einen Besucher aus Spanien eingestochen. Das Opfer wurde lebensgefährlich verletzt und musste notoperiert werden.
Der Syrer hatte vor, "Juden zu töten"
Der Angreifer wurde wenige Stunden nach der Tat mit blutverschmierten Händen im Umfeld der Gedenkstätte festgenommen. In seinem Rucksack fanden die Ermittler neben der mutmaßlichen Tatwaffe auch einen Koran, einen Zettel mit Versen daraus sowie einen Gebetsteppich. Bei seiner Festnahme hatte er der Polizei mitgeteilt, dass in den Wochen davor in ihm der Plan gereift sei, "Juden zu töten". Vor diesem Hintergrund sei der Tatort gewählt worden. Der Verdächtige sitzt in Untersuchungshaft.
Das abgesperrte Holocaust-Mahnmal kurz nach der Tat (Archivfoto)Bild: Dimitra Kyranoudi/DW
Bundesanwaltschaft: Tat antisemitisch motiviert
Die Tat war nach Einschätzung der Bundesanwaltschaft radikal-islamistisch und antisemitisch motiviert. Aus dieser Einstellung heraus habe der Mann sich entschlossen, einen Messerangriff auf vermeintlich Ungläubige zu begehen, die er als Repräsentanten der von ihm abgelehnten westlichen Gesellschaftsform angesehen habe, so die Behörde in Karlsruhe.
Der Angeschuldigte teilt nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft die Ideologie der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Kurz vor der Tat soll er über einen Messenger-Dienst ein Foto von sich an Mitglieder des IS geschickt haben, um der Terrororganisation die Möglichkeit zu geben, sich zu der Tat zu bekennen.
Die Tat im Februar geschah unweit des Brandenburger TorsBild: Mara Brandl/imageBROKER/picture alliance
Wegen der besonderen Bedeutung des Falls übernahm die Bundesanwaltschaft drei Tage nach der Tat die Ermittlungen von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. Die Tat sei geeignet, die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, hieß es.
Anzeige
Erinnerung an sechs Millionen ermordeter Juden
Die Attacke am Holocaust-Mahnmal hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst. Das Bundesinnenministerium erklärte, allein handelnde Täter, die einfach einzusetzende Mittel wie Hieb- und Stichwaffen verwendeten, stellten nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden "die aktuell dominante Gefahrenquelle im Bereich des islamistischen Terrorismus in Europa dar". Auch die Anleitung "tatgeneigter Personen" durch den IS via Chats werde immer wieder festgestellt.
Ereignisse wie die Entwicklungen im Nahen Osten nach dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 trugen demnach auch zu einer Radikalisierung und Mobilisierung bei. Der Zentralrat der Muslime betonte: "Ein solcher Angriff hat nichts mit der Solidarität mit den Palästinensern zu tun." Gewalt gegen Unschuldige sei durch nichts zu rechtfertigen und widerspreche den Werten der Religionsgemeinschaft der Muslime.
Orte des Erinnerns: Jüdische Gedenkorte in Berlin
Am 9. November 1938 brannten im Deutschen Reich die Synagogen - der Beginn des Völkermords an den Jüdinnen und Juden Europas. An die Opfer erinnern in Berlin viele Mahnmale. Ihre Botschaft ist aktueller denn je.
Bild: Marko Priske/Ständige Konferenz
Jüdisches Gemeindehaus in der Fasanenstraße
Am 9. November 2023 zieht ein stiller Gedenkzug durch Berlin, vorbei auch am Tauentzien und am Kurfürstendamm. Hier wüteten die Nazis vor 85 Jahren besonders stark und zerstörten zahlreiche jüdische Geschäfte. Der Gedenkzug endet am Jüdischen Gemeindehaus in der Fasanenstraße. Die Skulptur einer zerbrochenen Thorarolle und das Eingangsportal erinnern an die Synagoge, die einst hier stand.
Die Synagoge in der Fasanenstraße (hier ein Foto von 1930) wurde am 9. November 1938 von SA-Truppen in Brand gesetzt. Sie hinderten die Feuerwehr an den Löscharbeiten. Die Bilanz jener Nacht: über 1400 zerstörte oder stark beschädigte Synagogen, etwa 7000 verwüstete Geschäfte im Deutschen Reich. Mehr als 1300 Jüdinnen und Juden starben, rund 30.000 wurden in Konzentrationslager deportiert.
Bild: akg-images/picture-alliance
Denkmal für die ermordeten Juden Europas
In der Reichspogromnacht erreicht der Antisemitismus der Nationalsozialisten eine neue Stufe. Nach Ansicht vieler Historiker war es der Beginn des Völkermordes an den Jüdinnen und Juden Europas. Mit seinen fast 3000 Steinquadern erinnert das Holocaust-Denkmal im Zentrum Berlins an die mehr als sechs Millionen jüdischen Menschen aus ganz Europa, die die Nationalsozialisten ermordet haben.
Bild: picture-alliance/Schoening
Mahnmal Gleis 17
Weiße Rosen am Gleis 17 im Bahnhof Grunewald, im Gedenken an die über 50.000 Berliner Juden, die von hier aus in den Tod geschickt wurden. Auf 186 Stahlplatten sind die Daten und Bestimmungsorte aller Deportationszüge vermerkt, sowie die Anzahl der Deportierten. Der erste Zug fuhr am 18. Oktober 1941 in das Ghetto von Litzmannstadt (Łódź), der letzte am 27. März 1945 ins KZ Theresienstadt.
Bild: imago/IPON
Denkmal am Koppenplatz
Das Denkmal "Der verlassene Raum" steht mitten im Wohngebiet Koppenplatz, in Berlin Mitte. Es erinnert an die vielen Menschen, die ohne Vorwarnung aus ihren Wohnungen geholt wurden und niemals zurückkehrten. Vor dem Holocaust hatte Berlin etwa 160.000 jüdische Bewohner. Über 54.000 von ihnen wurden in die Todeslager verschleppt, wo nur 1500 überlebten.
Bild: Jörg Carstensen/dpa/picture alliance
Haus der Wannsee-Konferenz
Am 20. Januar 1942 trafen sich in dieser Villa am Wannsee 15 hochrangige NS-Funktionäre, um über die systematische Ermordung der europäischen Juden zu beraten, sie nannten es "Endlösung der Judenfrage". Heute ist das Haus Gedenkstätte. Sie informiert über die unvorstellbare Dimension des Völkermordes, der hier beschlossen wurde.
Bild: Paul Zinken/dpa/picture alliance
Stolpersteine
Ganz klein, zehn mal zehn Zentimeter, sind diese Messingtafeln. Man findet sie überall auf den Gehwegen in Berlin. Die Stolpersteine erinnern an Menschen, die in den angrenzenden Häusern gewohnt haben, bevor sie von den Nationalsozialisten deportiert wurden. Diese Stolpersteine finden sich in vielen Ländern Europas, allein in Berlin wurden bislang rund 10.000 dieser Messingtafeln verlegt.
Bild: DW/T.Walker
Modezentrum Hausvogteiplatz
Hier schlug das Herz der Modemetropole Berlins. Ein Denkmal aus hohen Spiegeln erinnert an die jüdischen Modemacher, Näherinnen und Stofffabrikanten, die am Hausvogteiplatz Kleidung für ganz Europa fertigten. Die Nazis erließen Berufsverbote, nötigten die jüdischen Inhaber zu Zwangsverkäufen, deportierten sie. Bis 1945 wurde das einstige Modezentrum Berlins zerstört.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene
Jüdischer Friedhof Weißensee
In Berlin gibt es noch acht erhaltene jüdische Friedhöfe, der größte liegt im Stadtbezirk Weißensee. Mit über 115.000 Grabstellen ist es sogar der größte jüdische Friedhof Europas. Viele jüdische Verfolgte versteckten sich während der NS-Zeit auf dem unübersichtlichen Gelände. Bereits am 11. Mai 1945, drei Tage nach der Befreiung, wurde hier wieder der erste jüdische Gottesdienst abgehalten.
Die Hackeschen Höfe in Berlin-Mitte stehen heute in jedem Reiseführer, ein Hinterhof-Labyrinth, in dem auch viele jüdische Menschen lebten und arbeiteten. Zum Beispiel in der Bürstenfabrik des deutschen Unternehmers Otto Weidt. Er beschäftigte in der NS-Zeit viele blinde und gehörlose Juden und rettete sie damit vor Deportation und Tod. Die Blindenwerkstatt ist heute Museum.
Bild: picture-alliance/Arco Images
Jüdisches Museum
Das Jüdische Museum zählt zu den meistbesuchten Museen Berlins, es gibt einen Überblick über die wechselvolle deutsch-jüdische Geschichte. Der Architekt Daniel Libeskind entschied sich für eine dramatische Architektur: Von oben betrachtet sieht das Gebäude aus wie ein zerbrochener Davidstern.
Bild: Miguel Villagran/AP Photo/picture alliance
Neue Synagoge
Die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße mit ihrer goldenen Kuppel zählt zu den Sehenswürdigkeiten Berlins. Sie gehört zu jenen jüdischen Einrichtungen, die derzeit unter verstärkten Polizeischutz stehen. Denn seit dem brutalen Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel gibt es auch in Berlin vermehrt antisemitistische Vorfälle.
Bild: Stephan Schulz/dpa-Zentralbild/dpa/picture alliance
Synagoge Brunnenstraße 33
Einer dieser antisemitischen Vorfälle: der versuchte Brandanschlag auf die Synagoge in der Brunnenstraße 33 am 17. Oktober 2023. An diesem Ort findet auch die Zentrale Gedenkveranstaltung der Bundesrepublik zum 85. Jahrestag der Reichspogromnacht statt, im Gedenken an die Opfer des Antisemitismus gestern und heute.
Bild: Sven Kaeuler/dpa/picture alliance
13 Bilder1 | 13
Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas des Architekten Peter Eisenman war im Mai 2005 der Öffentlichkeit übergeben worden. Mit dem Stelenfeld und einem unterirdischen Informationsort wird in der Hauptstadt nahe dem Brandenburger Tor an die rund sechs Millionen ermordeten Juden unter der Diktatur des Nationalsozialismus erinnert.