Anklage wegen Folterdrohung
21. Februar 2004Der stellvertretende Frankfurter Polizeipräsident Wolfgang Daschner ist wegen seiner Folterdrohungen gegen den Entführer im Mordfall Jakob von Metzler angeklagt worden. Seine Anweisungen an einen nun ebenfalls angeklagten Beamten seien als Verleitung zu schwerer Nötigung anzusehen, erklärte die Staatsanwaltschaft am Freitag (20.2.2004) in Frankfurt am Main nach rund einjährigen Ermittlungen. Ursprünglich waren die Ermittlungen wegen des schwereren Delikts der Aussageerpressung eingeleitet worden. Der hessische Innenminister Volker Bouffier entband Daschner noch am Freitag von seinen Aufgaben und versetzte ihn nach Wiesbaden.
Aktenvermerk über die Androhung
Der Fall hatte eine bundesweite Diskussion über die Zulässigkeit von Foltermethoden zur Rettung von Menschenleben ausgelöst. Der nach Übergabe des Lösegelds festgenommene 27-jährige Frankfurter Jura-Student Gäfgen hatte in der Nacht zum 1. Oktober 2002 mehrere falsche Verstecke genannt. Am nächsten Morgen ordnete Polizeivizepräsident Daschner an, der Vernehmungsbeamte solle Gäfgen androhen, dass ein polizeilicher Kampfsportler ihm Schmerzen zufügen würde, wenn er nicht die Wahrheit sage. Die Polizei ging davon aus, dass der Junge noch am Leben war. Daschner hatte die Folterandrohung in einem Aktenvermerk festgehalten.
Tatsächlich jedoch hatte Gäfgen Jakob von Metzler bereits vier Tage zuvor am 27. September 2002 getötet und die Leiche an einem kleinen See im Main-Kinzig-Kreis abgelegt. Gäfgen hatte dieses Ort direkt nach der Androhung von Schmerzen genannt. Der von Daschner beauftragte 50-jährige Kriminalhauptkommissar wird wegen Nötigung unter Missbrauch seiner Befugnisse und seiner Stellung als Amtsträger angeklagt. Dabei handelt es sich um einen besonders schweren Fall, der mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren bestraft wird. Auch Daschner droht dieses Strafmaß wegen Verleitung des Hauptkommissars.
"Unter keinen Umständen darf der Staat foltern"
Die Staatsanwaltschaft erklärte, die Gewaltandrohung sei weder mit Notwehrrechten zu begründen, noch habe ein entschuldigender Notstand vorgelegen. Die Angeklagten hätten vielmehr gegen elementare Verfassungsgebote und internationale Übereinkommen verstoßen. Das Verbrechen der Aussageerpressung liegt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht vor, weil die Angeklagten mit der Gewaltandrohung nicht in erster Linie ein Geständnis erreichen, sondern das Kind retten wollten.
Wegen der besonderen Bedeutung und Einmaligkeit des Falls sowie wegen der Stellung Daschners als Polizeivizepräsident wurde die Anklage bei einer großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt erhoben. Zustimmend auf die Anklageerhebung reagierten die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International (AI). AI erklärte, es sei zu hoffen, dass auch im Urteil unmissverständlich deutlich werde, dass Folter unter allen Umständen und ohne jede Einschränkung verboten sei: "Nie und unter keinen Umständen darf der Staat foltern." Der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg erklärte am Freitag, nach der kontroversen und emotionsgeladenen Diskussion über Daschners Vorgehen müsse in einer Hauptverhandlung der Rechtsgrundsatz bestätigt werden, dass Polizeibeamte nicht durch dienstliche Anweisung gezwungen werden dürften, Gewalt zur Erlangung von Informationen einzusetzen. Die GdP äußerte zugleich Verständnis für Daschner: Er habe einem ungeheuren inneren Druck nachgegeben, um das Kind zu retten. (kap)