Alle zwei Wochen trifft DW-Reporterin Rachel Stewart Deutsche und lernt mit ihnen zusammen Besonderheiten des deutschen Alltags und der deutschen Sprache besser kennen.
Seit 2016 lebt die Britin Rachel Stewart ständig in Deutschland und hat einen frischen Blick auf das Land und seine Bewohner.
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Völlig frei: Deutschlands FKK-Bewegung
Angeblich fällt es Deutschen deutlich leichter als Menschen aus anderen Ländern, sich am Strand oder in der Sauna nackt zu zeigen. Eine kurze Geschichte der Nudistenbewegung, bekannt als Freikörperkultur FKK.
Der freie Körper
Nackt sein gehört zur deutschen Kultur wie Technomusik und Spargelzeit. Auch wenn die Identifikation mit der Freikörperkultur (FKK) bei den jüngeren Generationen langsam schwindet, sind an vielen Stränden noch immer FKK-Gebiete markiert. Auch in Parks und Spas können Nackt-Enthusiasten ihrem Freiheitsgefühl nachgehen.
Ein gesundes Hobby
Im späten 19. Jahrhundert glaubten viele Deutsche, es sei gesund, in einem der vielen Seen des Landes "textilfrei" zu baden. Es wurde zum Trend, aus den Industriestädten in die Natur zu gehen. Manch einer begann, nackt zu wandern oder Sport zu treiben. Dieses Bild stammt aus dem Jahr 1933 und zeigt zwei Frauen am Chiemsee in Bayern.
Nackte Körper im Film
Die Idee, Gesundheit durch Freizügigkeit in der Natur zu steigern, war auch ein Leitmotiv des Films "Wege zu Kraft und Schönheit" mit der umstrittenen deutschen Schauspielerin und Filmemacherin Leni Riefenstahl. Der Streifen aus dem Jahr 1926 war einer der populärsten Lehrfilme der Stummfilmzeit, die körperliche Bewegung wie Tanzen und Baden propagierten.
FKK und die Nazis
Leni Riefenstahl wurde später Hitlers Lieblingsfilmerin; in ihrem zweiteiligen Film "Olympia", der die Olympischen Spiele 1936 in Berlin aufgriff, verherrlichte sie die athletische Figur der Arier. Während die Nazis die FKK zunächst untersagten, wurde das Nacktschwimmen 1942 wieder erlaubt - sofern es in abgelegenen Gebieten diskret geschah. Viele Förderer der FKK-Bewegung waren Linke.
Ein Stück Freiheit in der DDR
In den 1950er Jahren starteten Avantgardisten in der DDR die ersten unbekleideten Gehversuche. In den 70er Jahren war FKK schließlich weit verbreitet. Nackt zu baden war eine der wenigen Freiheiten, während das Leben in der DDR auf andere Weise streng kontrolliert wurde - also machten die Menschen davon umfassend Gebrauch. Hier sonnen sich 1986 Nudisten am Müggelsee in Ost-Berlin.
FKK an der Ostsee
Auch an den Stränden der Ostsee wird FKK bis heute zelebriert. Die Praxis verbreitete sich jedoch nicht auf der polnischen Seite der Küste. Nach Polens EU-Beitritt war es zwar leicht, von einem Land ins andere zu laufen, Nudismus allerdings sorgte für Spannungen zwischen den Orten auf beiden Seiten der deutsch-polnischen Grenze.
Der Spirit von FKK
Diese Nudisten in Leipzig anno 1980 haben den FKK-Spirit verinnerlicht: den Körper feiern, frei von Kleidung. Die Praxis ist übrigens nicht mit Sex verbunden, es geht vielmehr darum, sich von sozialen Zwängen zu befreien. Hübscher Nebeneffekt: Es gibt nach dem Sonnenbad keine lästigen weißen Streifen von der Badekleidung.
Nicht nur im Osten: Münchens Ausnahmen
Öffentliche Nacktheit ist in der bayerischen Landeshauptstadt tabu; Ausnahmen gibt es im Englischen Garten und am Flaucher, einem Abschnitt der Isar, der ein beliebtes Ziel für Nudisten ist, wie dieses Bild von einem heißen Tag 2002 belegt. FKK-Gebiete sind als solche gekennzeichnet und wer dort abhängt, will keine Touristenattraktion sein.
Berlins eigene Regeln
Auch Berlin hat - wohl wegen seiner teilweisen DDR-Vergangenheit - eine gewisse FKK-Tradition. Beim Spaziergang durch den Park kann man möglicherweise mehr Fleisch sehen als erwünscht. Zwar ist öffentliche Nacktheit auch in der Hauptstadt nicht erlaubt, in Grünanlagen wie dem Mauerpark, Volkspark Friedrichshain (Bild, 1999) und Tiergarten ist sie aber geduldet - solange sich niemand an ihr stört.
Eine Leidenschaft für Millionen Deutsche
Als in Berlin die Mauer fiel, saß die spätere Kanzlerin Angela Merkel in der Sauna - es war ihr Donnerstagsritual. Rund 31 Millionen Besucher zählen die 2300 öffentlichen Saunen in Deutschland jedes Jahr. Die meisten Einrichtungen stehen beiden Geschlechtern offen. Aber Vorsicht! Diese Saunen unterscheiden sich von sogenannten FKK-Saunen oder Clubs, die eigentlich Bordelle sind.
Nackt in der Wildnis
Es ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Wer sich aber doch mal in Freikörperkultur üben will, kann im Harz auf 18 Kilometern eine Nacktwanderung machen, von der Stadt Dankerode bis zum Stausee Wippertal. Aber Vorsicht vor den Brennesseln!