1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAsien

Iran und Pakistan auf Annäherungskurs

25. April 2021

Nach einer Phase der Abkühlung gehen Iran und Pakistan wieder aufeinander zu. Dahinter stecken auch Sorgen wegen der unsicheren Zukunft Afghanistans.

Hassan Rohani, iranischer Präsident (links) und Imran Khan Niazi, pakistanischer Ministerpräsident
Hassan Rohani, iranischer Präsident (links) und Imran Khan Niazi, pakistanischer MinisterpräsidentBild: IRNA

Jüngste Grenzöffnungen und Handelserleichterungen sollen Aufbruchsstimmung zwischen Pakistan und dem Iran signalisieren. Die Beziehungen zwischen den beiden islamischen Nachbarländern waren in den letzten Jahren merklich abgekühlt: Zum einen wegen terroristischer Angriffe auf Militärpersonal beider Länder durch Extremisten bzw. Separatisten, die auf beiden Seiten der gemeinsamen Grenze operieren. Zum anderen wegen der Unterstützung Pakistans für Irans Rivalen Saudi-Arabien um die regionale Vorherrschaft, vor allem im Jemen-Krieg.

Zwar hatte Pakistans Parlament 2015 die Bitte Riads um die Lieferung militärischer Ausrüstung verweigert. Man wollte im Jemen-Konflikt neutral bleiben. Regierungschef Imran Khan beeilte sich aber sofort, dem bedeutenden Mittelgeber Saudi-Arabien die uneingeschränkte Solidarität Pakistans, einer Atommacht, zu versichern: Man werde im Falle eines Angriffs auf das Königreich an dessen Seite stehen. Dazu kam 2017 die Ernennung des ehemaligen pakistanischen Armeechefs Raheel Sharif  als Kommandeur einer von den Saudis initiierten multinationalen Anti-Terrorallianz, deren Stoßrichtung erkennbar gegen Irans Verbündete im Jemen gerichtet war.

Lagebesprechung mit Militärs und Politikern auf der pakistanischen Seite der GrenzeBild: Abdul Ghani Kakar/DW

"Historischer Aufschwung der bilateralen Beziehungen"

Nun wollen beide Seiten den grenzüberschreitenden Handel stärken und als Mittel einsetzen, um die bilateralen Beziehungen insgesamt zu verbessern. Die Hoffnung ist, durch wirtschaftlichen Aufschwung die Lage der Menschen in der Unruheregion Belutschistan zu verbessern, die beide Seiten der rund 900 Kilometer langen Grenze umfasst und zu den jeweils ärmsten Regionen beider Länder gehört.

Man habe viel getan, um die Beziehungen zu "unserem Freund und Nachbarn Pakistan" zu entwickeln, erklärte der iranische Transport- und Stadtentwicklungsminister Mohammad Islami am vergangenen Mittwoch anlässlich der jüngsten Eröffnung eines dritten Grenzübergangs und Warenumschlagplatzes. Gemeinsam mit der pakistanischen Ministerin für Beschaffungswesen der Streitkräfte, Zubaida Jalal, eröffnete er den soeben fertig gestellten Grenzübergang Pishin-Mand.

"Dies wird das Niveau und die Art des Handelsaustausches und des Pendelns zwischen den beiden Ländern völlig verändern", erklärte Islami. "Die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern erleben derzeit einen historischen Aufschwung und die Eröffnung von zwei Grenzübergängen innerhalb eines knappen halben Jahres sind ein wichtiger Meilenstein", zitiert die pakistanischen Zeitung "Express Tribune" die Ministerin.

Im Dezember war bereits der Grenzübergang Rimdan – Gabd eröffnet worden, der an der Landverbindung zwischen den beiden Hafen- und Industriezonen Gwadar auf pakistanischer Seite und Tschabahar auf iranischer Seite liegt. Weitere sechs  Grenzübergänge zur Erleichterung des Warenaustauschs sind geplant. Das bilaterale Handelsvolumen beträgt laut der pakistanischen Zeitung "Dawn" derzeit nur rund 360 Millionen US-Dollar.

Statt Benzinschmuggel soll demnächst der Export von Zitrusfrüchten nach Iran blühenBild: Instagram.com/mototourist

Unsichere Grenze

Zu beiden Seiten der Grenze siedeln rund 5,6 Millionen sunnitische Belutschen. Immer wieder verüben radikale Nationalisten unter ihnen Anschläge auf die Militärs und Einrichtungen beider Staaten. Außerdem haben sich sunnitische Extremisten in die Region zurückgezogen, die die Sicherheitskräfte der zwei Staaten ebenfalls immer wieder attackieren. Hinzu kommt die Gefahr durch bewaffnete Schmugglerbanden, die in der Region aktiv sind. 

Als im Mai vergangenen Jahres sechs pakistanische Soldaten bei einer Attacke getötet wurden, machte der pakistanische Armeechef Qamar Bajwa dafür im Iran aktive Milizen verantwortlich. Umgekehrt wirft Iran Pakistan vor, extremistische Gruppen in der Region gewähren zu lassen. "Die (pakistanischen) Sicherheitsbehörden halten ihre schützende Hand über sie", erklärte im Frühjahr 2019 der damalige Kommandeur der Revolutionsgarden, Mohammad Ali Dschafari anlässlich eines Autobombenanschlags  auf iranische Truppen mit 27 Toten. 

Auch der jüngste Bombenanschlag auf ein Luxushotel in Quetta  nur wenige Stunden nach der Eröffnung des Grenzübergangs in derselben Region, mutmaßlich durch pakistanische Taliban, hat erneut ein Schlaglicht auf die labile Lage in der Region Belutschistan geworfen.

Irans Außenminister Sarif empfängt eine Taliban-Delegation in Teheran im Januar 2021Bild: WANA/REUTERS

Gemeinsame Sorgen vor Chaos in Afghanistan

Die verstärkten Bemühungen Teherans und Islamabads, um die Lage dort zu befrieden, laufen parallel zur Abstimmung zwischen beiden Ländern mit Blick auf die Entwicklungen im gemeinsamen Nachbarland Afghanistan.

"Iran und Pakistan als die beiden wichtigsten direkten Nachbarn Afghanistans sollten ihre Zusammenarbeit und Abstimmung im Sinne des Friedensprozesses  in dem Land verstärken", sagte Präsident Rohani bei Gesprächen mit dem pakistanischen Außenminister Shah Mehmood Qureshi, dessen Besuch mit der jüngsten Grenzöffnung zusammenfiel. 

Beide Staaten setzen sich für eine Annäherung zwischen den Taliban und der Regierung in Kabul ein. Der nun beschlossene bedingungslose Abzug der US-Truppen überlässt Afghanistan einer ungewissen Zukunft. Weder der Iran noch Pakistan wollten, dass sich der Terrorismus in Afghanistan erneut ausbreite, sagte Außenminister Qureshi bei seinem Besuch in Teheran. Er befürchte, dass bei einem weiteren Stillstand der innerafghanischen Gespräche Afghanistan in einen Bürgerkrieg abgleiten und es zu einem Massenexodus der Afghanen kommen könne.

Die gleichen Sorgen äußerte Irans Außenminister Sarif Mitte April auf dem von Indien ausgerichteten Gesprächsforum "Raisina Dialogue": "Wir alle haben ein gemeinsames Interesse, teilen eine gemeinsame Bedrohung mit Blick auf Afghanistan. Wir alle brauchen ein stabiles und friedliches Afghanistan. Ein Afghanistan, in dem Terroristen frei agieren können, ist eine Bedrohung für den Iran, Indien, Pakistan, China, Zentralasien, Russland und eine Bedrohung für die Welt." 

Benachbarte Häfen Irans und Pakistans mit strategischer Bedeutung

Wirtschaftliche Chancen für Afghanistan - und Iran

Sarif schlug vor, eine Region der Prosperität zu schaffen, von der auch Afghanistan profitieren würde. Deshalb sollten in das  gemeinsam mit Indien betriebene Hafenprojekt Tschabahar auch andere Länder wie China und Pakistan einbezogen werden. Der Hafen Tschabahar sollte gemäß einem 2016 geschlossenen Abkommen zwischen Indien und Iran der Endpunkt eines sogenannten "Internationalen Transport- und Transitkorridors" werden, der Zentralasien mit dem Arabischen Meer verbindet, unter Umgehung Pakistans.

Indien ist als Hauptinvestor einer dafür vorgesehenen 630 Kilometer langen Eisenbahnstrecke vorgesehen. Nicht zufällig erinnert der Name an den "Chinesisch-Pakistanischen Wirtschaftskorridor" (CPEC), der allerdings im deutlichen Unterschied zu dem iranisch-indischen Projekt schon weit fortgeschritten ist. Wenn nun Teheran eine Öffnung des Projekts für China vorschlägt, ist das im Einklang der wachsenden wirtschaftlichen und außenpolitischen Orientierung Irans nach China. Die Wiederannäherung an Pakistan unterstützt Teheran nicht zuletzt durch die Verurteilung der indischen Politik in Kaschmir, das seit 2019 unter Direktverwaltung Neu Delhis steht. Ali Chamenei hatte als einziger prominenter Führer der islamischen Staatenwelt jenen Schritt Indiens deutlich kritisiert, wofür sich der pakistanische Außenminister bei seinem jüngsten Besuch erneut ausdrücklich bedankte.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika