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Politik

Annäherung von Vatikan und Peking

13. Oktober 2016

Trotz der schwierigen Lage der Christen in China bemühen sich Vatikan und Peking seit Längerem um verbesserte Beziehungen. In der Frage der Bischofsernennungen scheint es Bewegung zu geben.

Katholische Kirche in China Kathedrale
Bild: picture-alliance/Stephen Shaver /Landov

Als Junge wollte Jorge Mario Bergoglio aus Argentinien Missionar in Asien werden. Ihn faszinierte die Große Mauer in China. Dieser Traum sollte sich nicht erfüllen. Aber Bergoglio, der seit 2013 als Papst Franziskus Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche ist, sieht Asien als einen Schwerpunkt seines Pontifikats, wie er Anfang 2016 in einem Interview mit der Hongkonger Zeitung "Asia Times" sagte, dabei vor allem China.

Im bevölkerungsreichsten Land der Welt leben laut offiziellen Angaben 5,5 Millionen Katholiken, die der staatlichen Kirche angehören und den Papst nicht anerkennen. Offiziell bestehen keine diplomatischen Beziehungen zwischen Peking und dem Heiligen Stuhl. Parallel zur staatlich kontrollierten Kirche ("Chinesische Katholisch-Patriotische Vereinigung") sollen bis zu zehn Millionen Gläubige in der sogenannten Untergrundkirche organisiert sein, die dem Papst Treue schwören.

Eine Untergrundkirche in ChinaBild: picture-alliance/ANN

Insgesamt ist die Lage der Christen in China weiterhin schwierig, wenn auch nicht mit den Verfolgungen der Mao-Ära zu vergleichen. In ihrem Länderbericht 2015 zu China schreibt das christlichen Hilfswerks Open Doors: "In vielen Regionen wurden Gottesdienste behindert und Christen davon abgehalten, sich zu treffen. Christliche Anwälte wurden inhaftiert, weil sie die Kirchen verteidigen wollten, die zur Entfernung der Kreuze auf ihren Gebäuden gezwungen worden waren. Rund 1.500 Kirchengebäude haben ihre Kreuze verloren oder wurden gänzlich zerstört. Manche Christen sitzen immer noch langjährige Haftstrafen in Gefängnissen ab."  Damit steht China auf Platz 33 von 50 Ländern in dem sogenannten Weltverfolgungsindex.

Papst Franziskus mahnt zu Geduld bei China-Beziehungen

Dennoch: Nach seinen Plänen in Bezug auf China befragt, sagte Papst Franziskus Anfang Oktober auf seiner Rückreise von einem Besuch in Georgien und Aserbaidschan, er sei "optimistisch". Aber er machte auch deutlich, dass mit einem baldigen Durchbruch nicht zu rechnen sei: "Die Beziehungen zwischen dem Vatikan und dem chinesischen Volk müssen stabilisiert werden. Gespräche darüber sind im Gange. Dinge, die hastig erledigt werden, sind nicht gut."

Bereits zuvor gab es Anzeichen einer Annäherung. So erhielt die Maschine des Papstes im August 2014 auf dem Flug nach Südkorea die Erlaubnis, den chinesischen Luftraum zu durchqueren. Dabei sandte Franziskus an den Präsidenten und das Volk die bei diesen Gelegenheiten übliche Segens- und Grußbotschaft. 1989 hatte China Papst Johannes Paul diese Erlaubnis bei dessen Reise nach Südkorea nicht erteilt.

Eine staatlich anerkannte katholische Kirche in der Hauptstadt PekingBild: AP

Initiativen der beiden Vorgänger von Franziskus - Johannes Paul und insbesondere Benedikt - für eine Verbesserung der Beziehungen mit China hatten keinen sichtbaren Erfolg. So lud Papst Benedikt 2005 vier chinesische Bischöfe zur Weltbischofssynode nach Rom ein, drei als Vertreter der staatstreuen "Katholisch-Patriotische Vereinigung" und einen als Vertreter der romtreuen Untergrundkirche. Jedoch durfte keiner der vier Eingeladenen nach Rom reisen.

Frage der Bischofsernennungen

In einem späteren Brief Benedikts "an die Bischöfe, die Priester, die Personen des gottgeweihten Lebens und an die gläubigen Laien der katholischen Kirche in der Volksrepublik China" heißt es zwar, dass "der Heilige Stuhl offen bleibt für Verhandlungen, die notwendig sind, um die gegenwärtige schwierige Zeit zu überwinden."

Aber in dem Schreiben wird auch der Kern der Differenzen zwischen Vatikan und Peking deutlich. Benedikt kritisiert, dass "im Namen verschiedener staatlicher Organe nicht geweihte - zuweilen auch nicht getaufte - Personen Entscheidungen in wichtigen kirchlichen Fragen kontrollieren und treffen, einschließlich der Ernennung von Bischöfen".Peking wertet die Ernennung von Bischöfen durch den Heiligen Stuhl als "Einmischung der inneren Angelegenheiten" und lehnt das kategorisch ab.

Hongkongs Kardinal John Tong HonBild: picture-alliance/dpa

Benedikt stellte dagegen klar: "Die Gemeinschaft und die Einheit sind wesentliche und integrale Bestandteile der Kirche. Daher ist der Plan einer - im religiösen Bereich - vom Heiligen Stuhl 'unabhängigen' Kirche unvereinbar mit der katholischen Lehre."

Aber auch in dieser schwierigen Frage haben sich die Dinge inzwischen bewegt. Im August 2015 ernannte die offizielle katholische Kirche Chinas erstmals seit drei Jahren einen Bischof, Joseph Zhang Yinlin in der Provinz Henan. Diese Ernennung wurde erstmals auch vom Vatikan bestätigt. Umgekehrt hatte Peking einen Monat zuvor einem vom Vatikan im Geheimen ernannten Bischof erlaubt, sein Amt öffentlich auszuüben.

Dass es zu einer für beide Seiten akzeptablen Regelung kommen könnte, deutete Anfang August dieses Jahres auch der Hongkonger Kardinal John Tong Hon in einem Schreiben an seine Gemeinde an. Demnach hätten sich der Vatikan und Peking auf ein Verfahren verständigt, wonach Peking die Kandidaten für die vakanten Bischofsämter vorschlagen und Papst Franziskus die Auswahl treffen könne.

Taiwans Sorge

Taiwans katholischer Vizepräsident Chen Chien-jenBild: picture-alliance/dpa/Taiwan Presidential Office

Wenn es so käme, sagt Kung Ling-Hsin von der Ming Chuan-Universität in Taiwan gegenüber der DW, "hätte Peking mehr zu sagen als der Heilige Stuhl." Es ist nicht verwunderlich, dass solche Pläne zur Beilegung des Streits um die Bischofsernennung - und damit eine mögliche Aufnahme der diplomatsichen Beziehungen zwischen Peking und dem Vatikan - in Taiwan misstrauisch beäugt werden. Denn der Vatikan ist eine der 22 Regierungen, die Taiwan, offiziell Republik China, anerkennen, und der letzte diplomatische Stützpunkt Taiwans in Europa.

Anfang September trafen sich Papst Franziskus und Taiwans katholischer Vizepräsident Chen Chien-jen am Rande der Heiligsprechung von Mutter Teresa in Rom. Papst Franziskus werde für die Menschen in Taiwan beten, berichteten die Medien in Taiwan. Auch das Außenministerium in Taiwan sprach von einer "tiefen Freundschaft von mehr als 74 Jahren Dauer".

Doch diese frohen Botschaften zerstreuen nicht Befürchtungen auf Taiwan, dass der Vatikan von der Volksrepublik instrumentalisiert werden könnte, um die Regierung von Präsidentin Tsai Ing-wen unter Druck zu setzen, die gegenüber dem Festland auf Distanz hält. Die Normalisierung der Beziehungen des Vatikans mit der Volksrepublik China sei nur eine Zeitfrage, glaubt der Politikwissenschaftler Kung. "Es kommt auf Chinas Präsident Xi Jinping an, wann er gegen Taiwans Regierung unter Tsai Ing-wen vorgeht."

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