1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Annäherung zwischen Serbien und Kosovo

Bahri Cani20. Dezember 2012

Erst grenzenlose Feinschaft, jetzt gemeinsame Grenzübergänge. Serbien und Kosovo unternehmen einen wichtigen Schritt aufeinander zu - der weitere Weg ist allerdings noch lang.

Grenzposten in Merdare im Süden Serbiens (Foto: Carsten Koall/Getty Images)
Bild: Carsten Koall/Getty Images

"Wir haben einen Punkt erreicht, der bis vor ein paar Jahren undenkbar war: Die EU und sogar die albanische Seite sind von unserer konstruktiven Haltung überrascht", sagt Ivica Dacic.

Serbiens Premierminister benennt mit diesen Worten eine neue Qualität in den serbisch-kosovarischen Beziehungen: Erstmals haben Serbien und Kosovo zwei gemeinsame Grenzübergänge eingerichtet. Die gemeinsame Verwaltung von Jarinje im Norden des Kosovo und Merdare im Süden Serbiens begann am 10. Dezember 2012 und verläuft seitdem weitgehend friedlich. Zwar haben Kosovo-Serben zeitweilig den Übergang Jarinje in Richtung Serbien blockiert - doch es kam nicht zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Aus Kriegsgegnern werden Verhandlungspartner

Dacics Erklärung kam nach der jüngsten Runde des Dialogs mit dem kosovarischen Regierungschef Hashim Thaçi. 1999 waren die beiden noch Gegner im Kosovo-Krieg: Ivica Dacic war einer der engsten Mitarbeiter des damaligen Diktators Slobodan Milosevic und Hashim Thaçi der politische Führer der Kosovo-Befreiungsarmee (UÇK).

Ivica Dacic in BrüsselBild: DW

Die ehemalige serbische Provinz Kosovo hat 2008 ihre Unabhängigkeit erklärt, aber Serbien erkennt diese nicht an. Auch fünf EU-Staaten - Spanien, Griechenland, Rumänien, die Slowakei und Zypern - verweigern die Anerkennung. Trotzdem hat die von den nationalistischen Parteien "Serbische Fortschrittspartei" und "Sozialistische Partei Serbiens" geführte Regierung in Belgrad der von der EU geforderten gemeinsamen Grenzkontrolle zugestimmt. "Ich denke, dass dies die richtige Position ist", sagt Dacic, "weil wir damit unseren Freunden im Westen helfen, uns zu helfen." Der Kompromiss über die gemeinsame Grenzverwaltung gilt als Voraussetzung für die weitere Annäherung Serbiens an die Europäische Union.

Washington und Brüssel machen Druck

Seit Oktober haben sich die ehemaligen Kriegsgegner schon drei Mal in Brüssel getroffen, haben am selben Tisch gesessen und Gespräche geführt. Die ersten Ergebnisse sind positiv, obwohl der Beginn dieses Dialogs nicht ganz freiwillig erfolgte, so Balkan-Experte Dusan Reljic von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin: "Der Druck von außen auf Belgrad und Pristina ist in den vergangenen Wochen und Monaten gestiegen."

US-Außenministerin Hillary Clinton und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hätten bei ihren Besuchen in der Region beiden Seiten zu erkennen gegeben, dass man in Washington und Brüssel eine Annäherung zwischen Serbien und Kosovo erwarte. "Die gemeinsame Kontrolle der Grenzübergänge ist ein wichtiger Schritt - aber nur ein Schritt auf dem ziemlich langen Weg", so Reljic.

Staatsgrenze? Oder Verwaltungsgrenze?

Der Balkan-Experte glaubt nicht an eine schnelle Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo. Dafür spricht unter anderem, dass viele Abkommen und Vereinbarungen von Belgrad und Pristina nach wie vor unterschiedlich interpretiert werden - auch das Abkommen über die Grenzübergänge. Die Regierung in Belgrad betont, dass es aus ihrer Sicht um die Kontrolle einer rein administrativen Grenze gehe, also nicht um eine Staatsgrenze zwischen Serbien und Kosovo. Die kosovarische Regierung sieht diesen Schritt dagegen als Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo: "Die Umsetzung dieses Abkommens ist ein klarer Beweis, dass Belgrad de jure (nach geltendem Recht) und de facto (in der Praxis) die Grenze zwischen Kosovo und Serbien anerkannt hat", sagte der kosovarische Außenminister Enver Hoxhaj im DW-Interview.

Dusan Reljic von der Stiftung Wissenschaft und PolitikBild: DW

Bei der Umsetzung des Abkommens gibt es weiteren Klärungsbedarf - zum Beispiel, ob an den gemeinsam verwalteten Grenzübergängen Warenzoll bezahlt werden soll und wer das eingenommene Geld dann bekommt. Diese Frage soll in der nächsten Runde des Dialogs zwischen Dacic und Thaçi in Brüssel am 17. Januar 2013 besprochen werden. Man erwartet, dass die Politiker beider Länder bald auch über den Status des Nordkosovo diskutieren. Dort bilden Serben die Mehrheitsbevölkerung, die sich weiterhin weigert, die kosovarische Regierung in Pristina anzuerkennen. Viele Politik-Experten meinen, Serbien habe die Idee einer Teilung des Kosovo in Norden und Süden immer noch nicht aufgegeben. Der kosovarische Außenminister Enver Hoxhaj hält eine Teilung aber für ausgeschlossen: "Allen ist klar, dass die politische Landkarte des Balkans ein abgeschlossenes Kapitel ist. Die Grenzen auf dem Balkan kann man nicht mehr ändern, die Konzepte der ethnischen Spaltungen und eines Territorial-Austausches gehören der Vergangenheit an."

Auf die Vertreter von Serbien und Kosovo warten in den nächsten Wochen und Monaten schwierige Gespräche. Balkan-Experte Dusan Reljic geht davon aus, dass es noch viele Jahre dauern wird, bis sich die Beziehungen vollständig normalisieren. Blockaden, Zwischenfälle und Gewalt könne man gerade in der Grenzregion weiterhin nicht ausschließen.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen