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Politik

Annäherung zwischen Taliban und USA?

Hans Spross
26. Januar 2019

Verlängerte Gespräche zwischen USA und Taliban in Katar nähren Optimismus, dass eine Friedenslösung möglich sei. Allerdings sind die meisten Fragen offen, und die Gewalt geht unvermindert weiter.

Ex-Botschafter Zalmay Khalilzad
Bild: Getty Images/AFP/B. Smialowski

Die aktuellen Gespräche zwischen dem US-Unterhändler Zalmay Khalilzad (Artikelfoto) und Taliban-Vertretern in deren politischer Vertretung in Katar, die am Montag begonnen haben, sind nur die jüngsten in einer ganzen Reihe von derartigen Zusammenkünften seit vergangenem Jahr. Khalilzad soll bereits mindestens viermal mit Taliban-Vertretern zusammengetroffen sein. Die Treffen dienen der Sondierung von Bedingungen für einen Waffenstillstand und letztlich einer Friedenslösung. Die Amerikaner bestehen auf der Einbeziehung der gewählten afghanischen Regierung in eine solche Lösung, für die Taliban ist wiederum ein vollständiger US-Truppenabzug eine conditio sine qua non für ein Abkommen.

Parallel zu allen derartigen diplomatischen Aktivitäten haben die Taliban ihre Anschläge gegen afghanische Sicherheitsapparat intensiviert; so haben sie vergangenen Montag fast gleichzeitig mit dem Beginn der jüngsten Gespräche einen der massivsten Anschläge gegen den afghanischen Geheimdienst ausgeführt. Die Zahlen über die bei dem Selbstmordanschlag auf die Zentrale des Nationalen Sicherheitsdirektorats (NSD)  in Maidan Shar bei Kabul getöteten afghanischen Sicherheitskräfte divergieren stark, es könnte sich um weit über 150 handeln.

Eingestürztes Dach nach dem Autobombenanschlag auf Geheimdienstzentrale Bild: Reuters/Stringer

Drohender US-Truppenabzug

In einer Hinsicht finden die aktuellen Gesprächen unter anderen Umständen als die vorherigen statt: US-Präsident Trump hatte Mitte Dezember verlauten lassen, die Hälfte der noch 14.000 US-Soldaten aus Afghanistan abziehen zu wollen. Eine Ankündigung, mit der Trump sowohl die afghanischen Partner als auch seine NATO-Verbündeten geschockt hat. Allein die Taliban dürften daraus zusätzliche moralische Unterstützung gezogen haben. Inzwischen meldete die "Washington Post" unter Berufung auf mehrere Mitarbeiter des Weißen Hauses, dass es sich wohl um einen weniger drastischen Rückzug handeln werde, vielleicht um ein Viertel der derzeitig stationierten Kräfte, was ziemlich genau der noch im August 2017 von Trump autorisierten Aufstockung der US-Truppen in Afghanistan entsprechen würde.

Trump scheint jedenfalls entschlossen zu sein, den militärischen Afghanistan-Einsatz lieber früher als später zu beenden. "Der Präsident  ist über unsere fehlenden Fortschritte in Afghanistan schwer frustriert", zitiert die "Post" den republikanischen Senator und Trump-Vertrauten Lindsey Graham: "Aber ein sofortiger Abzug wäre eine reine Katastrophe, denn Afghanistan ist (weiterhin) im Zentrum des Kampfes gegen den Terror."

Mullah Abdul Ghani Baradar soll künftig die Gespräche mit den USA leiten und für Einigkeit unter den Kommandeuren sorgen Bild: imago/Xinhua

Diplomatie und Kampf

Tatsächlich wird dieser Kampf auch von der US-Seite und der afghanischen Armee weitergeführt, die Taliban können nicht ungestraft ihre Anschläge ausführen. Während des vergangenen Wochenendes sollen Angaben aus Kabul zufolge über 60 Taliban bei gemeinsamen Operationen der afghanischen Armee und der US-Streitkräfte ums Leben gekommen sein. Solche "bemerkenswerten Erfolge" zeigen allerdings auch, dass sie ohne die Luftunterstützung der Amerikaner nicht möglich wären.

Während im Land die gewaltsamen Auseinandersetzungen in aller Härte weitergehen, kommen aus den Gesprächen im weit entfernten Katar optimistische Meldungen. Letztere stammen nur von den Taliban, die US-Seite hält sich bedeckt. Als positives Zeichen wird gesehen, dass die ursprünglich auf zwei Tage angesetzten Gespräche mindestens um zwei Tage verlängert wurden.

US-Senator Lindsay Graham drängt Trump zur Kooperation mit Pakistan Bild: Getty Images/AFP/A. Quershi

Pakistan gibt sich als als ehrlicher Makler

Außerdem soll ein hochrangiges Mitglied der Taliban, das im Oktober aus pakistanischer Haft entlassen wurde, die Verhandlungsführung auf Seiten der Taliban übernehmen. Mullah Abdul Ghani Baradar, lange Zeit zuständig für die Koordinierung von Operationen im Süden Afghanistans, war 2010 in einer gemeinsamen amerikanisch-pakistanischen Geheimdienstoperation gefangen genommen worden. Baradar genieße die nötige Autorität, um die Unterstützung möglichst vieler Taliban-Kommandeure für die politischen Gespräche zu sichern, zitiert AP einen afghanischen Experten.

Angeblich wurde Baradar auf Wunsch der USA zu den Gesprächen hinzugezogen, weil diese hochrangige und einflussreiche Gesprächspartner auf Seiten der Taliban wünschten. Die Freilassung Baradars und seine erwartete Teilnahme an den Gesprächen in Katar gilt auch als ein Zeichen der neuen Kooperationsbereitschaft zwischen Pakistan und den USA, um eine Friedenslösung für Afghanistan zu erreichen. "Jetzt ziehen Taliban, Afghanistan, Pakistan, USA und praktisch jeder regionale Beteiligte an einem Strang", so der pakistanische Außenminister unlängst im DW-Interview. Sein Land sehe sich als Ermöglicher des Dialogs zwischen allen Seiten.

Afghanistans Präsident Ghani beim Weltwirtschaftsforum in Davos: US-Truppenabzug ist nicht allein Sache von Verhandlungen zwischen USA und Taliban Bild: Reuters/A. Wiegmann

Kabul weiterhin nicht beteiligt

Allerdings: Die Gespräche in Katar finden wie alle vorangegangenen Treffen ohne Beteiligung Kabuls statt. Darauf haben die Taliban immer bestanden, alle Versuche der jüngsten Zeit, etwa von Saudi Arabien oder Pakistan, ein Zusammentreffen von  Vertretern Kabuls und der Taliban herbeizuführen, wussten letztere zu vereiteln.

Der Hohe Friedensrat, der auf Kabuler Seite in nicht-offizieller Funktion der Regierung für die Friedensgespräche verantwortlich ist, gibt sich optimistisch über die aktuellen Verhandlungen in Katar: "Die lange Dauer der Gespräche bedeutet, dass sich die Diskussion in einer kritischen Phase befinden, und dass die Beteiligten sich einem positiven Ergebnis annähern", zitiert Reuters den Sprecher des Friedensrates in Kabul.

Die einzigen Aussagen über den Verlauf der Gespräche kommen bislang wie gesagt von den Taliban. Demnach hatten beiden Seiten einen "hitzigen Austausch von Argumenten und Gegen-Argumenten. Unsere Delegation hat klargemacht, dass sie es niemals zulassen werden, dass afghanisches Territorium für Angriffe auf irgendein anderes Land genutzt wird", zitiert Reuters einen Taliban-Sprecher. Dies dürfte als Gegenleistung für einen vollständigen Truppenabzug und die Freilassung von Gefangenen gemeint sein. Ein mit vielen Unbekannten belasteter Deal, wenn er denn zustände käme. Noch weniger klar ist, wie ein "inner-afghanischer Friedensprozess" aussehen würde.

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