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Politik

Annalena Baerbock warnt vor Spaltung der NATO

28. Juli 2022

Bei ihrem Besuch in Athen hat die deutsche Außenministerin Baerbock die NATO-Mitglieder Griechenland und Türkei aufgefordert, ihre Spannungen im Dialog beizulegen. Dabei geht es um die Ägäis, aber auch um Flüchtlinge.

Annalena Baerbock
Bei ihrem Besuch in Athen greift Außenministerin Baerbock den Ägais-Streit zwischen Griechenland und der Türkei aufBild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Streit innerhalb der NATO spiele dem Kreml in die Hände, sagte Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrem Besuch in Athen. "Nie kam es mehr auf den Zusammenhalt zwischen NATO-Verbündeten und europäischen Partnern an als in diesen Zeiten." Russland versuche "mit allen Mitteln", die NATO zu spalten.

Griechenland und die Türkei sind Bündnispartner in der NATO, ihre Beziehungen sind aber schon seit Jahrzehnten angespannt, vor allem konkurrierende Gebietsansprüche in der Ägäis sorgen für Streit. Die Türkei hatte zuletzt den Ton gegenüber Griechenland deutlich verschärft, die Regierung in Ankara stellte die griechische Souveränität über mehrere Ägäis-Inseln in Frage und legte ihre Kontakte zur griechischen Regierungsspitze auf Eis.

Respekt für die jeweilige Souveränität

In einem Interview mit der Athener Zeitung "Ta Nea" ließ Baerbock Kritik am Gebaren der türkischen Führung erkennen. "Mitglieder eines gemeinsamen Verteidigungsbündnisses bedrohen einander nicht, sondern akzeptieren und respektieren gegenseitig ihre Souveränität", sagte sie. Sie lobte die griechische Regierung für deren "Signale der Dialogbereitschaft".

Griechenland legt der türkischen Regierung zur Last, ihre Gebietsansprüche in der Ägäis immer aggressiver geltend zu machen - etwa durch regelmäßige Verletzungen des griechischen Luftraums. Die Regierung in Athen begründet damit auch die umfassendste Aufrüstung der griechischen Streitkräfte seit Jahrzehnten. Erst am Dienstag hatte die Türkei angekündigt, ihre umstrittenen Gasbohrungen im Mittelmeer wieder aufzunehmen. Hieran könnte sich ein neuer Streit mit Griechenland entzünden.

Aufklärung über Pushbacks von Flüchtlingen gefordert

Bei einem Besuch eines Flüchtlingslagers nahe Athen und der Grenzschutzagentur Frontex am Hafen von Piräus hat Baerbock die illegale Zurückweisung von Flüchtlingen an der EU-Außengrenze kritisiert und eine systematische Aufklärung gefordert. "Wenn wir da wegschauen, dann gehen unsere Werte im Mittelmeer unter", sagte die Außenministerin. Auch an der EU-Außengrenze müssten die europäischen Werte gelten. "Es geht hier oft um die Schwächsten: Es geht um Männer und Frauen, die seit Jahren auf der Flucht sind, es geht um kleine Kinder", betonte Baerbock.

Baerbock, die selbst Mutter ist, fühlt sich besonders den Kindern unter den Flüchtlingen verprflichtetBild: Leon Kuegeler/photothek/IMAGO

Hilfsorganisationen kritisieren seit Jahren, dass griechische Grenzschützer Migranten systematisch zurück in die Türkei drängen, damit sie in Griechenland kein Asyl beantragen. Auch Medienberichte zu solchen sogenannten Pushbacks gibt es immer wieder, in denen auch Frontex eine Verwicklung vorgeworfen wird. Pauschale Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Außengrenzen sind nach internationalem Recht illegal.

Laut Flüchtlingshilfswerk UNHCR gelang seit Jahresbeginn rund 6250 Menschen der Grenzübertritt in Nordostgriechenland oder die Überfahrt per Boot von der türkischen Westküste zu den griechischen Inseln. Dabei gab es auch immer wieder Bootsunglücke und Tote. Athen und Ankara schieben sich für diesen Zustand gegenseitig die Schuld zu.

Beide Themen - der Ägäisstreit und die Flüchtlingspolitik - dürften Baerbock noch weiter beschäftigen - am Freitag reist die Außenministerin weiter in die Türkei.

Gedenken an die Opfer der NS-Besatzung

Zum Auftakt ihres Griechenland-Besuchs hat Baerbock der Opfer der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs gedacht. Die Grünen-Politikerin besuchte das ehemalige Gefängnis der NS-Kommandantur, in dem zwischen 1941 und 1944 Tausende Widerstandskämpfer und Zivilisten inhaftiert und gefoltert wurden. Anschließend legte sie Blumen am Athener Holocaust-Mahnmal nieder.

"Die Erinnerung an die NS-Gräueltaten wachzuhalten ist mir wichtig."Bild: Yorgos Karahalis/AP Photo/picture alliance

"Vielen Deutschen ist Griechenland als Urlaubsort sehr vertraut, aber zu wenige wissen um das Ausmaß der Schuld, die Deutschland dort im Zweiten Weltkrieg durch die Gräueltaten der NS-Besatzung auf sich geladen hat", erklärte sie. "Die Erinnerung daran wachzuhalten ist mir wichtig."

Es bleibt dabei: Keine Reparationen

Baerbock machte zugleich klar, dass sie dem griechischen Wunsch nach Gesprächen über die Zahlung von Reparationen für das Leid der Besatzung im Weltkrieg nicht nachkommen könne. Die neue Bundesregierung sei hier "nicht zu einer neuen Rechtsauffassung gekommen", sagte sie im Interview mit "Ta Nea". Die griechische Regierung hat die Forderung nach Reparationen offiziell nie aufgegeben. Die Bundesregierung argumentiert seit Jahren, dass es für solche Zahlungen keine Rechtsgrundlage gebe.

fab/hf (afp, dpa)