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TerrorismusIndien

Anschlag in Kaschmir: Tragödie im Himalaya

Murali Krishnan
23. April 2025

Dutzende von Touristen wurden im von Indien verwalteten Teil Kaschmirs getötet. Die Region im Himalaya ist von der von Indien verkündeten Stabilität weit entfernt. Der Traum vom Tourismus scheint ausgeträumt.

Kaschmir | Tödlicher Angriff auf Touristen in Pahalgam
Indische Sicherheitskräfte auf Patrouille in Kaschmir nach tödlichem Angriff auf Touristen im beliebten Ausflugsort PahalgamBild: Nasir Kachroo/NurPhoto/picture alliance

Nach dem tödlichen Anschlag auf Touristen in einem beliebten Ausflugsort im Kaschmirtal lotet die Regierung in Neu-Delhi mit Hochdruck Optionen aus, wie sie auf den Anschlag reagieren soll. Bei dem Angriff mit Schusswaffen am 22. April waren mindestens 26 Menschen getötet und 17 weitere verletzt worden, die meisten indische Staatsbürger.

Die Sicherheitsvorkehrungen wurden in der gesamten Region verschärft, Schulen wurden geschlossen und Straßensperren errichtet. Wie Augenzeugen indischen Medien berichteten, waren am Nachmittag Bewaffnete, gekleidet in Militäruniformen, aus nahegelegenen Wäldern aufgetaucht und hatten die Baisaran-Wiese angriffen, einen beliebten Ausflugsort außerhalb der Stadt Pahalgam im südlichen Bezirk Anantnag.

Die Regierung in Indien hat die Region Jammu und Kaschmir in den letzten Jahren als Reiseziel beworben. Sie hatte bekräftigt, dass sie die politische Kontrolle über die Region gewonnen habe. Nach Jahrzehnten mit Aufständen gegen ihre Herrschaft sei die Sicherheit erhöht worden.

Tragödie: Rettungskräfte bringen verletzte Touristen nach dem Anschlag in ein Krankenhaus Bild: Tauseef Mustafa/AFP

Kaschmir - ein gefährlicher Brennpunkt

Das im Himalaya gelegene Kaschmir ist seit langem ein Zankapfel zwischen Indien und Pakistan. Beide Länder beanspruchen die gesamte Region für sich.

In Wirklichkeit kontrollieren die zwei südasiatischen Staaten nur je einen Teil des Territoriums mit einer mehrheitlich muslimischen Bevölkerung. Der Anspruch auf ganz Kaschmir auf der einen Seite und die realen Gegebenheiten auf der anderen machen die Bergregion zu einem Brennpunkt in der regionalen Rivalität zwischen Indien und Pakistan.

Der Anschlag vom Dienstag, den Indien als Terroranschlag betrachtet, droht die Spannungen zwischen Indien und Pakistan erneut auf ein gefährliches Niveau zu heben. Er ist der tödlichste Angriff auf indische Zivilisten seit den Terroranschlägen von Mumbai im Jahr 2008.

Die Verantwortung für den Angriff auf die Touristen hat eine militante Gruppe namens "The Resistance Front" (TRF) übernommen. Nach Angaben Indiens ist sie eine Terrororganisation, die mit der in Pakistan ansässigen militanten Gruppe Lashkar-e-Taiba verbunden sei.

Die TRF betrachtet sich selbst als eine kaschmirische Separatistengruppe.  Sie formierte sich 2019, nachdem Neu-Delhi den halbautonomen Status von Jammu und Kaschmir aufgehoben und den damaligen Bundesstaat herabgestuft und in zwei Unionsterritorien Jammu und Kaschmir aufgespalten hatte. Dies ermöglichte Delhi eine direktere Kontrolle.

Der Schritt, der es Nicht-Kaschmiris nun ermöglicht, Immobilien zu kaufen und sich an der Regierung zu beteiligen, hat viele muslimische Bewohner Kaschmirs verärgert, die befürchten, von einer hindu-nationalistischen Agenda unter der Bharatiya Janata Party (BJP) von Premierminister Narendra Modi an den Rand gedrängt zu werden. Es provozierte auch Spannungen mit Pakistan.

Neu-Delhi erklärt dagegen, dass die politische Neuordnung der ganzen Region eine bessere Integration im indischen Staat ermögliche - mit den damit verbundenen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Vorteilen.

Indien will "entschlossen" den Terror bekämpfen

Der indische Premierminister Narendra Modi traf sich am Mittwoch mit dem Nationalen Sicherheitsberater Ajit Doval und Außenminister Subrahmanyam Jaishankar sowie den regionalen Sicherheitschefs, um zu prüfen, wie weiter vorgegangen werden soll.

Premierminister Modi bei Beratungen zum Terroranschlag in PahalgamBild: ANI

"Diejenigen, die hinter dieser abscheulichen Tat stehen, werden vor Gericht gestellt [...] Unsere Entschlossenheit, den Terrorismus zu bekämpfen, ist unerschütterlich und wird noch stärker werden", schrieb Modi auf X.

Der Ministerpräsident von Jammu und Kaschmir, Omar Abdullah, zeigte sich "unglaublich schockiert". Der Angriff "auf unsere Besucher ist ein Gräuel" und viel schlimmer als alle Aktionen, die "wir in den letzten Jahren gegen Zivilisten gesehen haben." Am Mittwoch besuchte der indische Innenminister Amit Shah den Tatort und traf sich mit Familienangehörigen der Getöteten und Verletzten.

Zehntausende Sicherheitskräfte sind nun im Einsatz. Die Einheimischen empfänden "tiefe Trauer und Scham" über den Angriff, sagte Anjum Fazili, die Vorsitzende des Frauenflügels in der People's Democratic Party (PDP) in Jammu und Kaschmir, gegenüber der DW. Sie forderte die Behörden auf, die Verantwortlichen zu "bestrafen".

"Dies ist ein äußerst tragischer und herzzerreißender Vorfall. Die Menschen, die hierhergekommen sind, um die Schönheit und den Frieden dieses Ortes zu genießen, haben ihr Leben verloren", sagte sie.

Kaschmir wiederholt Ziel von Terroristen

Der letzte große Angriff auf Zivilisten im von Indien verwalteten Kaschmir ereignete sich im Juni 2024, als neun Menschen getötet und 33 verletzt wurden, nachdem Bewaffnete das Feuer auf einen Bus mit Hindu-Pilgern eröffneten und ihn in eine Schlucht im Bezirk Reasi in Jammu stürzen ließen. 

Im Februar 2019 tötete ein Selbstmordattentäter in Pulwama mindestens 46 Soldaten, was zu indischen Luftangriffen auf Ziele in Pakistan führte. Zu diesem Anschlag hatte sich die in Pakistan ansässige militante islamistische Gruppe Jaish-e-Mohammed bekannt.

Touristen aus aller Welt kommen zu Skifahren und Trekking in die Kaschmir-RegionBild: Rifat Fareed/DW

Der ehemalige Polizeichef von Jammu und Kaschmir, A K Suri, sagte der DW, der Angriff auf Pahalgam sei ein Rückschlag für Neu-Delhi. "Dieser Terroranschlag in Pahalgam hat zweifellos einen Schatten auf das Narrativ der indischen Regierung von der wiederhergestellten Normalität und dem boomenden Tourismus in der Region geworfen", sagte er.

"Das ist nicht das Ende. Solche sporadischen Angriffe wird es in unregelmäßigen Abständen immer wieder geben und sie werden Schrecken verbreiten", befürchtet Suri. Leider habe es an Geheimdienstinformationen gefehlt, und es habe zu wenig Einsatz von Sicherheitskräften gegeben in der Region Pahalgam, "in der es derzeit von Touristen wimmelt".

Tourismus in Kaschmir im Visier

Baisaran, ein beliebter Ausflugsort in der Region, der als "Mini-Schweiz" bekannt ist, war voller Touristen, als der Angriff stattfand. Tourismus ist eine wichtige Einnahmequelle im von Indien verwalteten Kaschmir und ist stark mit den Normalisierungsbemühungen der Zentralregierung für die Region verbunden.

Im vergangenen Monat sagte Ministerpräsident Abdullah vor der Staatsversammlung, dass im vergangenen Jahr über 23 Millionen Touristen Jammu und Kaschmir besucht hätten.

Der Vorfall hat neue Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Touristen geweckt, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Hindu-Pilgerfahrt Amarnath Yatra, die im Juli beginnen soll und bei der viele Tausende von Gläubigen zu einem heiligen Tempel im Anantnag-Distrikt von Jammu und Kaschmir wandern.

"Dieser Angriff wird erhebliche Auswirkungen auf das Tal haben. Es ist Tourismus-Hochsaison, und wir waren gerade dabei, uns darauf einzustimmen, als sich dieser schreckliche Vorfall ereignete", sagt Abdul Wani, ein Reiseveranstalter aus der Regionalhauptstadt Srinagar, im Gespräch mit der DW.

Kaschmir war ein beliebtes Urlaubsziel in den vergangenen Jahren - hier der Fluss Jhelum in SrinagarBild: ingimage/Wirestock/IMAGO

Pakistan verneint Unterstützung

Radha Kumar, eine Spezialistin für Frieden und Konflikte in Südasien, sagte der DW, die Angreifer hätten es auf Hindu-Männer abgesehen, was an den Terroranschlag von Mumbai 2008 erinnere. "Der schreckliche Angriff auf Pahalgam war eindeutig seit Wochen, wenn nicht seit Monaten geplant", sagte sie.

"Ich weiß nicht, wie die indische Regierung reagieren wird, aber es gibt einen großen berechtigten Druck auf sie, in einer Weise zu reagieren, die als ernsthafte Abschreckung für bewaffnete Radikale und ihre Unterstützer in Pakistan wirkt", fügte Kumar hinzu.

Sie betonte auch, dass viele in Indien den Anschlag mit dem pakistanischen Armeechef Asif Munir in Verbindung bringen werden, der Kaschmir als Pakistans "Halsschlagader" bezeichnete, als er letzte Woche in einer Rede die religiösen und kulturellen Unterschiede zwischen Hindus und Muslimen betonte.

Der ehemalige Polizeichef von Jammu und Kaschmir, Suri, wies darauf hin, dass der Angriff sowohl mit Munirs Rede als auch mit einem hochkarätigen Besuch von US-Vizepräsident JD Vance in Indien in dieser Woche zusammenfiel. In diesem Zusammenhang sieht Suri den Angriff als "einen vorsätzlichen Akt, um Indiens Kaschmir-Narrativ zu destabilisieren und den anhaltenden Einfluss Pakistans auf die Kaschmir-Militanz zu signalisieren".

Pakistan bestreitet jedoch, militante Gruppen in Kaschmir zu unterstützen und zu finanzieren, und besteht darauf, dass es nur moralische und diplomatische Unterstützung anbiete.

Ein Sprecher des pakistanischen Außenministeriums sagte, sein Land sei besorgt über den Verlust von Menschenleben in der Region und fügte hinzu, es wünsche "den Verletzten eine schnelle Genesung".

Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand.

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