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Politik

António Guterres: Mann mit Herz und Visionen

Sabrina Pabst
6. Oktober 2016

Als UN-Flüchtlingskommissar stand António Guterres gigantischen Aufgaben gegenüber. Nun soll der erfahrene Politprofi ein schweres Erbe antreten und an der Spitze der UN die komplexen Flüchtlingsfragen klären.

Antonio Guterres
Bild: picture-alliance/dpa/J.-Ch. Bott

António Guterres Amtszeit als Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UN) war geprägt von einigen der größten Flüchtlingskrisen. Vor allem Konflikte in Syrien und dem Irak sowie in Jemen oder im Südsudan bescherten ihm zum Abschied seiner Amtszeit einen traurigen Rekord: Über 60 Millionen Menschen weltweit waren 2015 auf der Flucht. So viele Menschen, wie seit der Gründung der UN vor 70 Jahren nicht mehr. "Noch nie war der Bedarf an Toleranz, Mitgefühl und Solidarität größer mit Menschen, die alles verloren haben", sagte Guterres dazu. Die Entwicklungen berührten das Leben von Millionen von Menschen - "sowohl derjenigen, die gezwungen sind zu fliehen, als auch derjenigen, die ihnen Unterkunft und Schutz bieten."

Hoffnungsschimmer in der Flüchtlingskrise

Guterres war von 1995 bis 2002 Premierminister Portugals. Zu dieser Zeit führte er das bis heute wirtschaftlich schwache Land in die Eurozone. Aufsehen erregte der überzeugte Katholik durch den Volksentscheid Ende der 90er Jahre über eine Entkriminalisierung der Abtreibung. Von Abtreibungsgegnern wurde er stark kritisiert, zum Sieg des "Nein"-Lagers beigetragen zu haben. Guterres wurde immer wieder als Kandidat für den Posten des portugiesischen Präsidenten gehandelt. Doch er sagte stets ab.

Als UN-Flüchtlingskommissar (2005 - 2015) setzte er eine tiefgreifende Strukturreform des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR um. Für seine Arbeit bekam er viel Lob. Umstritten war seine Senkung der Personalzahlen im UN-Hauptquartier in Genf um 20 Prozent. Trotz weniger Mitarbeiter bewies er, dass mehr Hilfsprojekte realisiert werden konnten und verdreifachte sogar das UNHCR-Tätigkeitsvolumen. Auf diese Weise erreichte die Hilfsorganisation viel mehr Menschen in Not. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch begrüßte seine Nominierung: Guterres sei ein "direkter und effektiver Fürsprecher für Flüchtlinge". Er habe "das Potenzial, einen radikal neuen Ton in Hinblick auf Menschenrechte in einer Zeit der großen Herausforderungen zu treffen".

Erfahren, weltgewandt, sprachbegabt und ungezwungen sind die Attribute, mit denen Guterres beschrieben wird. Außerdem gilt er als hervorragender Redner, der die UN-Sprachen Englisch, Französisch und Spanisch fließend beherrscht, und er hat sich als geschickter Stratege bewährt, der seine Ziele beharrlich verfolgt. Ihm wird zugetraut, in den drängendsten Konflikten der Welt Politiker und die Öffentlichkeit wachzurütteln und rhetorisch schärfere Worte zu finden.

Appelle an die Weltöffentlichkeit

Bereits kurz nach seiner Nominierung als UN-Hochkommissar warnte er beharrlich vor einer Verschärfung der Flüchtlingskrise und forderte die Regierungen der wohlhabenden Staaten auf, mehr Geld für die humanitäre Hilfe zu geben. "Die reichen Länder dürfen sich nicht aus falscher Sorge um ihre Sicherheit verstecken", sagte er. Als UN-Generalsekretär wird er ab 2017 seine Appelle mit noch mehr Autorität wiederholen können. Dann warten auf ihn gigantische Aufgaben, von denen der Syrien-Konflikt und der darüber zerstrittene Sicherheitsrat die wohl größte Herausforderung sein wird. "Bei einer Krise mit einem Massensterben so schrecklich wie in Syrien, ist die Dringlichkeit des Erreichens dieser Einheit kein Geheimnis", sagte US-Botschafterin Samantha Power.

Trotz aktueller internationaler Spannungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten präsentierten sich die Mitglieder des Sicherheitsrats überraschend einig den Journalisten im UN-Hauptquartier in New York. "Am Ende gab es einen Kandidaten, dessen Erfahrung, Vision und Vielseitigkeit auf einer Reihe von Feldern überzeugend waren", sagt US-Botschafterin Power. Russlands Botschafter Witali Tschurkin bezeichnete Guterres als klaren Favoriten für die Nachfolge des derzeitigen UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon, dessen zweite Amtszeit Ende des Jahres ausläuft. Die UN-Vollversammlung könnte schon in der kommenden Woche über die Nachfolge von Ban entscheiden. Traditionell nickt das Gremium den Vorschlag des Sicherheitsrats ab.

"Der beste Mann im Rennen"

Einem ungeschriebenen Verteilungsprinzip zufolge wäre von 2017 an eigentlich ein Kandidat oder eine Kandidatin aus der Osthälfte Europas am Zuge gewesen. Viele der 193 Mitgliedsländer plädierten zudem dafür, dass erstmals in der Geschichte der UN eine Frau an der Reihe sein sollte. Mehr als ein Dutzend Kandidaten hatten sich beworben, rund die Hälfte davon waren Frauen. 

Nach mehr als 70 Jahren mit einem Mann an der Spitze werden die Vereinten Nationen damit wohl mindestens weitere fünf Jahre von einem Mann geleitet werden. Es sei tragisch, dass keine Frau nominiert worden sei, schrieb die frühere Chefin des UN-Klimasekretariats, Christiana Figueres aus Costa Rica, beim Kurznachrichtendienst Twitter.

Aber Guterres sei immerhin eindeutig der "beste Mann im Rennen". Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bezeichnete ihn als "guten Freund, einen Mann mit Vision, Herz und Taten".

 

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