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Pinguine mögen gar kein Eis?!

26. Juni 2020

Man könnte meinen, die putzigen Adeliepinguine lieben Eis - schließlich gibt es davon in ihrer Heimat, der Antarktis, reichlich. Nun haben Forscher festgestellt: Die Tiere freuen sich, wenn das Meereis schmilzt.

Antarktis Vögel Adeliepinguin auf Eisscholle
Bild: picture-alliance/Photoshot

Die Adeliepinguine sind eine von nur zwei Pinguinarten, die auf dem Festland der Antarktis beheimatet sind, die andere Art ist der deutlich größere Kaiserpinguin. Damit gehören sie zu den südlichsten Vögeln auf der Welt - zuhause im (derzeit noch) ewigen Eis.

Doch Forscher haben die Adeliepinguine (Pygoscelis adeliae) nun eine Weile beobachtet und festgestellt: Ganz so verrückt scheinen die kleinen Frackträger nach Eisschollen und Co. gar nicht zu sein. Vielmehr freuen sich die Tiere paradoxerweise sogar über den Rückgang des Meereises.

Lesen Sie hier: Pinguine - die coolsten Frackträger aller Zeiten

Da Klimamodelle ohnehin eine rasche Abnahme des Meereises in der Antarktis für den Rest des Jahrhunderts vorhersagen, könnten ein paar kleine Adeliepinguine somit die einsamen Gewinner der globalen Erwärmung sein.

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Zwar wussten Polarbiologen bereits, dass Adeliepinguine in Jahren mit spärlichem Meereis zu Populationszuwächsen neigen und in den Jahren mit starken Zunahmen des Meereises massive Brutausfälle erleiden.

Die Gründe dafür blieben allerdings rätselhaft. Die wenigen Studien, die den Zusammenhang zwischen Populationswachstum und Meereis erwähnten, stellten immer nur einen Bezug fest, nicht aber die Ursache.

Dem Phänomen sind Wissenschaftler des japanischen National Institute of Polar Research nun auf den Grund gegangen. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.

Unter Beobachtung

Für ihre Untersuchung haben die Forscher das Verhalten von 175 Pinguinen in der Lützow-Holm-Bucht des ostantarktischen Königin-Maud-Landes über vier Zeiträume und mit unterschiedlichen Meereisverhältnissen in einem Jahrzehnt erfasst: in der Brutsaison 2010/2011, 2011/2012, 2012/2013 und 2016/2017.

Üblicherweise ist das gesamte von den Adeliepinguinen für die Nahrungssuche genutzte Gebiet von Eis bedeckt. In den Jahren 2016/2017 brach jedoch ein großer Teil des Meereises ab und wurde von Strömungen weggetrieben. Vor der Pinguin-Kolonie entstand eine sogenannte Polynja, eine große offene Wasserfläche.

Diese hielt sich während der gesamten Brutsaison von Oktober 2016 bis Februar 2017 - also eine ganz besonders gute Gelegenheit, das Verhalten der Pinguine zu beobachten und mit den anderen Jahreszeiten zu vergleichen.

Adeliepinguine - ausgestattet mit Videokameras und Beschleunigungssensoren Bild: National Institute of Polar Research/Yuuki Watanabe

Die Wissenschaftler überwachten die Futtersuche der Tiere mit GPS-Geräten, Beschleunigungsmessern und Videokameras, verfolgten die Pinguine auf ihren Reisen, kategorisierten ihr Lauf-, Schwimm- und Ruheverhalten, sodass sie die Anzahl der bei Tauchgängen gefangenen Beutetiere schätzen konnten.

"Es stellte sich heraus, dass diese Pinguine mit weniger Meereis glücklicher sind", so Studienleiter Yuuki Watanabe vom National Institute of Polar Research. "Das mag kontra-intuitiv erscheinen, aber der zugrunde liegende Mechanismus ist eigentlich ganz einfach."

Schlecht zu Fuß

Watanabe erklärt, dass Pinguine unter eisfreien Bedingungen sich mehr durch Schwimmen als durch Laufen fortbewegen können.

"Für Pinguine geht Schwimmen viermal schneller als Laufen. Im Wasser mögen sie elegant sein, aber über Land watscheln sie ziemlich langsam", fügt er hinzu. 

In Jahreszeiten mit viel Meereis müssen die Pinguine einen langen Weg zu Fuß tippelnd (und manchmal auch am Bauch schlitternd) zurücklegen, sie müssen Stellen am Eis zum Abtauchen finden, dann ständig wieder Spalten im Eis zum Atmen finden und unterwegs manchmal recht lange Pausen einlegen.

Gibt es hingegen weniger Meereis, können die Pinguine tauchen, wo immer sie wollen - bestenfalls tauchen sie direkt von ihrem Nistplatz ins Wasser. Das ist energie- und zeiteffizienter und erweitert ihr Nahrungsangebot.

All you can eat 

All das verringert zudem vermutlich auch die Konkurrenz mit anderen Pinguinen um Beute - das ist vor allem Krill, die Lieblingsspeise der Pinguine.

Denn weniger Meereis bedeutet auch, dass mehr Sonnenlicht ins Wasser gelangt und im offenen, lichtdurchfluteten Wasser gedeihen die Algen als Nahrungsgrundlage des Krill besonders gut.

Dies zeigte auch der deutliche Größenunterschied bei den Krillproben (s. Bild), die die Forscher im Januar 2017 während einer eisfreien Saison und im Januar 2011 während einer eisbedeckten Saison aus dem Magen eines Pinguins entnommen haben. 

Lecker! Krillproben aus dem Magen eines Pinguins während einer eisfreien Saison (links) und eisbedeckten Saison (rechts)Bild: National Institute of Polar Research/Yuuki Watanabe

Somit hatten auch die Pinguine deutlich mehr zu futtern. Die sonst vier bis fünf Kilogramm schweren Tiere brachten im Durchschnitt fast ein Pfund mehr auf die Waage als in normalen Jahren. Und die Küken wuchsen in dieser Zeit 34 bis 52 Prozent schneller als in eisreichen Zeiten.

Nicht alle Pinguine profitieren

All diese Vorteile gelten jedoch nur für die Pinguine, die im kontinentalen Teil der Antarktis leben. Dies trifft auf etwa 70 Prozent der Adeliepinguine am Festland und im tiefen Süden zu.

Das Gegenteil ist bei den Pinguinen, die auf der Antarktischen Halbinsel oder auf vorgelagerten Inseln leben, der Fall. Hier schwimmt schon länger weniger Eis auf dem Meer, doch die Bestände gehen zurück. Dies könnte an der starken Konkurrenz, zum Beispiel durch Eselspinguine liegen, vermuten Forscher. Auch hier wollen sie nun die möglichen Gründen untersuchen.

 

Hannah Fuchs Multimedia-Reporterin und Redakteurin mit Fokus auf Technik, digitalen Themen und Psychologie.
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