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"Anti-Freihandels-Rhetorik Anlass zur Sorge"

4. November 2016

Ob Clinton oder Trump: Keiner der beiden Kandidaten für das Amt im Weißen Haus scheint ein Anhänger des Freihandels. Fragen an Daniel Andrich, Delegierter der deutschen Wirtschaft in Washington.

Symbolbild Flaggen USA & EU & Deutschland
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: In den USA ist es nicht ungewöhnlich, dass Unternehmer, Medien und Organisationen Empfehlungen für die Präsidentschaftswahl geben? Auf welchen Kandidaten setzen deutsche Firmen in den USA?

Daniel Andrich: RGIT (Representative of German Industry and Trade, d. Red. ) spricht grundsätzlich keine Wahlempfehlungen aus. Wichtig ist für uns, dass die politischen Rahmenbedingungen offene Märkte und fairen Wettbewerb unterstützen und dass sich Unternehmen auf Rechtssicherheit verlassen können.  

Donald Trump, der Kandidat der Republikaner, hat mehrfach den Freihandel und die Globalisierung für Missstände verantwortlich gemacht. Die Handelspolitik habe die industrielle Basis des Landes geschwächt und zu einem Verlust von Arbeitsplätzen geführt, so sein Argument. Wenn er Präsident wird, würden die USA aus dem geplanten Freihandelsabkommen mit den pazifischen Anrainerstaaten (Trans-Pacific Partnership, TPP) aussteigen, und alle bestehenden Abkommen würden neu verhandelt. Was halten Sie davon?

Die Anti-Freihandelsrhetorik im Wahlkampf betrachten wir mit großer Sorge. Für Deutschland als Exportnation ist ein reibungsloser Warenaustausch mit anderen Ländern ausschlaggebend. Nicht nur Deutschland profitiert vom freien Handel. Weltweit stehen jene Länder wirtschaftlich gefestigt da, die im weltweiten Handelsnetz verankert sind und ihre Grenzen für Personen und Waren durchlässig halten.

Daniel Andrich, Delegierter der deutschen Wirtschaft in WashingtonBild: RGIT

Hillary Clinton, die Kandidatin der Demokraten, hat Abkommen wie das TPP früher unterstützt. Im Wahlkampf sagt sie jetzt, sie sei gegen TPP, weil dadurch Arbeitsplätze und Löhne gefährdet würden. Nehmen Sie ihr diesen Gesinnungswandel ab?

Als erfahrene Außenpolitikerin weiß Hillary Clinton um die Bedeutung des Freihandels. Dies hat sie auch im ersten TV-Duell mit Donald Trump verdeutlicht.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat mehrfach davor gewarnt, bei Freihandel und Globalisierung "die Uhr zurückzudrehen". Das würde die Probleme der Weltwirtschaft noch verschärfen, so das Argument. Welcher der Kandidaten wird eher versuchen, die Uhr zurückzudrehen?

Kein einzelner Mensch wird das Rad der Zeit anhalten oder gar zurückdrehen können. Wichtiger ist es, die Veränderungen, die eine vernetzte, globalisierte Welt mit sich bringt, mitzugestalten. Hierzu gehört auch, sich für freien Handel einzusetzen. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, unterstrich im Rahmen der Herbsttagung von IWF und Weltbank gerade noch einmal, dass freier Handel die Voraussetzung für Wirtschaftswachstum, steigende Lebensstandards und Frieden schaffe.

Da sich beide Kandidaten kritisch über den Freihandel geäußert haben: Ist das geplante transatlantische Abkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) damit gestorben?

Bei TTIP gibt es offene Punkte, jedoch befindet es sich weiterhin im Verhandlungsstatus. Deutschland, Europa und die Vereinigten Staaten profitieren von einer engen Kooperation. TTIP zielt darauf ab, die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen und Handelsbarrieren abzubauen. Ein starkes TTIP-Abkommen kann Arbeitsplätze schaffen und sichern, doppelte Testverfahren und Zertifizierungsprozesse bei der Produktentwicklung eliminieren und Kosten reduzieren für kleine und mittlere Unternehmen, die auf den amerikanischen Markt expandieren wollen.

Was ist ihrer Meinung nach das wichtigste wirtschaftliche Thema für die nächste Präsidentschaft?

Beide Präsidentschaftskandidaten haben die Notwendigkeit erkannt, in die Infrastruktur des Landes zu investieren. Eine gute Infrastruktur ist das Rückgrat einer florierenden Wirtschaft. Handel kann nur dort ungehindert ablaufen, wo Güter relativ einfach und schnell von A nach B bewegt werden können.

Dieser Wahlkampf ist als aggressiv, populistisch und anti-intellektuell beschrieben worden, das Land wirkt tief gespalten. Sehen Sie das auch so? Und, falls ja, was sind mögliche Gründe?

In einem Umfeld wirtschaftlicher und sozialer Unsicherheit lässt sich das Konzept der Isolation leicht verkaufen. Der Diskurs über den internationalen Handel in der amerikanischen Politik gibt Anlass zur Sorge. Wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen und die positiven Auswirkungen von Freihandel hervorheben, denn die Wirtschaft und der allgemeine Wohlstand Deutschlands und der USA können nur sichergestellt werden, wenn Waren frei gehandelt und Investitionen in ausländischen Märkten problemlos getätigt werden können. Grenzen müssen offen bleiben. Der transatlantische Markt lebt davon, dass lokale Arbeitskräfte von ausländischen Tochtergesellschaften beschäftigt werden und lokale CEOs ausländische Tochtergesellschaften leiten.

Zwei großen deutschen Unternehmen, Volkswagen und der Deutschen Bank, drohen in den USA Milliardenstrafen und Gerichtsprozesse, weil sie das Gesetz gebrochen haben. Wie wirkt sich das auf den Ruf von "Made in Germany" aus?

"Made in Germany" wird weiterhin weltweit stark nachgefragt und die Exportleistung der deutschen Industrie ist so stark wie nie zuvor. Die USA sind der wichtigste Exportmarkt für Deutschland. In 2015 wurden Waren mit einem Gesamtwert von mehr als 125 Milliarden US-Dollar nach Amerika exportiert. Deutschland als Marke wird auch durch Arbeitsplätze und Direktinvestitionen im Ausland gut positioniert. Allein in den USA beschäftigen deutsche Unternehmen mehr als 670.000 Menschen. Ende 2014 erreichten die deutschen Direktinvestitionen in den USA nach Angaben des US-Wirtschaftsministeriums einen Gesamtwert von rund 224 Milliarden Dollar. All dies zeigt, dass "Made in Germany" stark ist und dass freier Handel und offene Märkte von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der exportorientierten deutschen Wirtschaft sind.

Daniel Andrich ist Delegierter der deutschen Wirtschaft und leitet seit Juli 2016 das Büro des RGIT (Representative of German Industry and Trade) in Washington. Es ist die gemeinsame Vertretung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) in den USA und vertritt die Interessen der deutschen Wirtschaft gegenüber der amerikanischen Politik, den US-Wirtschaftsverbänden und der Öffentlichkeit.

 

Die Fragen stellte Andreas Becker.

Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.
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