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Anti-Homosexuellen-Gesetz in Uganda: Woher der Hass?

Kevin Tschierse | Ines Eisele
17. Mai 2023

Am Internationalen Tag gegen Homo- und Transfeindlichkeit muss man auch nach Uganda schauen. Homosexualität soll dort sehr hart bestraft werden - auch in einem zweiten, abgeschwächten Gesetzesentwurf des Parlaments.

Ein Mann mit einem Sticker auf dem Gesicht auf dem steht: Some Ugandans are gay, get over it
Klare Botschaft: "Einige Ugander sind schwul, kommt klar damit"Bild: Rebecca Vassie/AP Photo/picture alliance

Am 17. Mai findet der Aktionstag gegen Homo- und Transfeindlichkeit (englisch: International Day Against Homophobia, Biphobia, Interphobia and Transphobia, kurz IDAHOBIT) statt - weltweit gehen Menschen für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen auf die Straße. In Deutschland ruft der Lesben- und Schwulenverband in mehreren Städten zu Demonstrationen auf.

Am 17. Mai 1990 wurde Homosexualität aus dem ICD-10-Katalog der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gestrichen, die sie zuvor als psychische Krankheit gelistet hatte. 28 Jahre später wurde auch Transsexualität als "Störung der Geschlechtsidentität" mit Einführung des ICD-11 gestrichen. Seit 2005 erinnert der Aktionstag gegen Homo- und Transfeindlichkeit an diese Errungenschaften - und vor allem daran, dass es noch viel zu tun gibt - zum Beispiel in Uganda.

Gesetz gegen Homosexualität: Abgeschwächt, aber immer noch sehr hart

Das ugandische Parlament hatte im März dieses Jahres mit lediglich zwei Gegenstimmen ein Gesetz verabschiedet , das Homosexualität mit drakonischen Strafen ahnden sollte. Für homosexuelle Handlungen, die als "schwerwiegend" betrachtet werden, war die Todesstrafe vorgesehen. Dazu zählten homosexueller Sex mit Minderjährigen, mit Personen über 75 Jahren, mit Schutzbefohlenen oder als HIV-Infizierter. Ansonsten waren für gleichgeschlechtliche Beziehungen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren geplant. Personen, die homosexuelle Menschen beherbergen, medizinisch behandeln oder ihnen rechtlichen Beistand leisten, konnten laut des Gesetzesvorhabens ebenfalls mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden.

Der ugandische Präsident Yoweri Museveni hatte seine Zustimmung zu dem Gesetz allerdings verweigert und eine Abschwächung einiger Passagen gefordert. Er reagiere damit auf die Bedenken, die von der Generalstaatsanwältin geäußert worden waren, hatte Museveni erklärt. Ihrer Ansicht nach wäre das Gesetz in seiner ursprünglichen Form rechtlich angreifbar gewesen.

Das Parlament in Uganda folgte dem Wunsch nach Abmilderung des Gesetzes - und verabschiedete es Anfang Mai 2023 zum zweiten Mal - ohne jedoch von äußerst harten Strafen gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen abzurücken. 

Keine Straftat mehr, sich als homosexuell zu bezeichnen

Der neue Gesetzesentwurf stellt klar, dass es noch keine Straftat ist, sich als homosexuell zu bezeichnen. Erst "die Beteiligung an homosexuellen Handlungen" stellt ein Vergehen dar, das mit lebenslanger Haft geahndet werden kann. Mit dieser Änderung folgten die Parlamentarier der Forderung Musevenis, den Gesetzestext zu überarbeiten und den "Fakt, homosexuell zu sein" nicht zu bestrafen. 

Die Todesstrafe für "Fälle von besonders schwerer Homosexualität" bleibt in der neuen Fassung laut Aktivisten, die anonym bleiben wollten, allerdings bestehen. Die  Abgeordneten änderten demnach aber die Kriminalisierung von Menschen, die von Homosexuellen wissen und sie nicht an die Behörden melden. Diese bleiben nach der neuen Fassung straffrei. Stattdessen gilt die Meldepflicht jetzt nur noch für vermutete Sexualstraftaten gegen Kinder und schutzbedürftige Personen, wobei die Strafe auf fünf Jahre Gefängnis erhöht wurde.

Der geänderte Gesetzentwurf liegt nun erneut bei Museveni, der die Wahl hat, zum zweiten Mal sein Veto einzulegen oder das Gesetz zu unterzeichnen. 

Auch internationaler Druck dürfte zu der Entscheidung beigetragen haben, dass Präsident Yoweri Museveni das Gesetz in seiner ursprünglichen Form nicht unterzeichnet hat. So hatten die USA angekündigt, Wirtschaftssanktionen gegen Uganda zu verhängen, sollte das Gesetz unterzeichnet werden. Auch die Europäische Union hatte das ursprüngliche Gesetz scharf kritisiert und die Mitgliedsstaaten aufgefordert, Druck auf Museveni auszuüben.

Der ugandische Präsident Yoweri Museveni will das Anti-Homosexuellen-Gesetz erst nach einer Überarbeitung unterschreibenBild: Algerian Presidency/AA/picture alliance

LGBTQ-Szene in Bedrängnis 

Derweil wird die LGBTQ-Szene in Uganda wird immer mehr in den Untergrund gedrängt. LGBTQ-Organisationen, kulturelle Einrichtungen, die häufig als Safe Spaces für die LGBTQ-Community dienen, sowie die Kunstszene sind betroffen.

Woher kommt dieser Hass gegen die LGBTQ-Community in Uganda? Die DW hat mit der ugandischen Anthropologin und Pro-LGBTQ-Aktivistin Stella Nyanzi und dem ugandischen Menschenrechtaktivisten Edward Mutebi über die ugandische Gesellschaft gesprochen. Beide leben im Exil. In Uganda selbst gibt es wenige kulturelle Anführer, die sich zur Situation äußern - auch aus Angst vor Zensur und Verfolgung.

Der LGBTQ-Aktivist Edward Mutebi lebt und studiert als Flüchtling in DeutschlandBild: Konrad Hirsch

Homosexualität ein westliches Konstrukt?

Um die Durchsetzung des Gesetzes zu rechtfertigen, behaupten ugandische Politiker, dass sie in der Gesellschaft eine starke Unterstützung dafür bekämen. Homosexualität sei "unafrikanisch". Der ugandische LGBTQ-Aktivist Edward Mutebi, der als Flüchtling in Berlin lebt und studiert, sieht das anders. Er erklärte gegenüber der DW, in seiner Kultur sei Homosexualität schon immer präsent gewesen: erst durch die Kolonialisierung und später durch US-amerikanische Missionare sei homophobes Gedankengut nach Uganda gelangt.

Viele der amerikanischen Evangelisten, die in den 1990er-Jahren nach Uganda kamen, seien immer noch vor Ort und vergifteten den Diskurs, erläutert Stella Nyanzi: "Wir haben eine Reihe von Kirchen, in denen der leitende Pastor ein Amerikaner ist. Pastor Martin Ssempa, einer der schärfsten Homophobiker und einer der wichtigsten Akteure der Anti-Homosexuellen-Bewegung, ist mit einer Amerikanerin verheiratet." Durch Priester wie ihn würden heutzutage eine Menge Fehlinformationen in der Gesellschaft verbreitet.

Der ugandische Abgeordnete John Musila trägt Kleidung mit einer Anti-LGBTQ-BotschaftBild: Ronald Kabuubi/AP Photo/picture alliance

Aber das Grundproblem sei, dass Uganda heute immer noch stark durch die Zeit des Kolonialismus beeinflusst werde - und das mehr als 60 Jahre nach dem offiziellen Ende der britischen Kolonialherrschaft. Denn mit der Kolonialherrschaft gelangte auch das Christentum nach Uganda, merkt Nyanzi an. 

Homosexualität soll "unafrikanisch" sein

Auf dem afrikanischen Kontinent wird die Verdammung von Homosexualität als etwas "Unafrikanisches" gerade in konservativen christlichen Kreisen mit Eifer betrieben - dabei ist das Christentum historisch betrachtet ja selbst ein Import des Westens. Der nigerianische LGBTQ-Aktivist Bisi Alimi schreibt dazu in der britischen Tageszeitung Guardian: "Während die Afrikaner argumentieren, dass Homosexualität ein westlicher Import sei, berufen sie sich ihrerseits auf eine westliche Religion als Grundlage für ihr Argument." Viele Menschen würden ihre homophoben Ansichten damit rechtfertigen, dass Homosexualität nicht in der Bibel stehe. Es herrsche eine "echte Verwirrung über Afrikas Vergangenheit", schlussfolgert Alimi. 

Die Menschenrechtsaktivistin Stella Nyanzi wurde in Uganda mehrfach inhaftiert und lebt seit Anfang 2022 im deutschen ExilBild: James Wakibia/ZUMAPRESS/picture alliance

"Die britischen Missionare schufen die protestantische anglikanische Kirche von Uganda, die der Church of England angegliedert ist," erklärt Nyanzi. Ein großer Teil der heutigen Feindseligkeit gegen Homosexuelle sei darauf zurückzuführen.

"Ohne westlichen Einfluss würden Politiker nackt im Parlament diskutieren" 

Das Argument, dass Homosexualität ein westliches Importprodukt sei, findet Mutebi lächerlich. "Die Abgeordneten fahren westliche Autos und tragen westliche Kleidung. Einige verbringen viel Zeit in westlichen Ländern. Wir haben Abgeordnete, die, wenn sie krank werden, aus dem Land geflogen werden, um medizinische Versorgung im Westen zu erhalten. Wenn sie also von westlichem Einfluss sprechen, dann haben wir in Uganda sehr viel davon." 

Ohne westliche Einflüsse würden die Mitglieder des Parlaments "nackt über parlamentarische Themen diskutieren," erzürnt er sich. Dass sie jetzt den westlichen Einfluss anprangerten, sei heuchlerisch. 

Ein ugandischer König soll schwul gewesen sein

Edward Mutebi stammt aus der Buganda-Region von Uganda. "Einer der Könige aus meiner Kultur soll schwul gewesen sein", erzählt er, "Kabaka Mwanga II. Homosexualität ist nichts Neues in unserer Gesellschaft. Sie war schon immer da."

Mwanga II.dient LGBTQ-Aktivisten häufig als Beweis, dass Homosexualität Teil der ugandischen Kultur istBild: Mary Evans Picture Library/picture alliance

Mwanga II. herrschte Ende des 19. Jahrhunderts über das damals mächtige unabhängige Königreich Buganda, das die Kernregion des heutigen Uganda umfasst. Stella Nyanzi erklärt: "Unser König hatte nachweislich schon vor dem Kontakt mit den Europäern Sex mit jungen männlichen Kurtisanen." Als einige der Pagen an seinem Hof zum Christentum übergetreten seien und ihn sexuell nicht mehr hätten befriedigen wollten, habe Mwanga sie töten lassen. "Sie gelten heute im Christentum als Märtyrer, aber niemand spricht offen darüber, dass sie eigentlich starben, weil sie dem König ihre sexuellen Dienste verweigerten", so Nyanzi, die in Uganda schon mehrfach inhaftiert wurde und seit Anfang 2022 als Stipendiatin der deutschen Schriftstellervereinigung PEN im Exil in München lebt.

Kulturszene schweigt größtenteils

Der Gesetzesentwurf des Anti-Homosexuellen-Gesetzes bezieht sich auf den Schutz der ugandischen Kultur. Bei den kulturellen Argumenten im Gesetzestext werde aber vergessen, so Nyanzi, "dass wir viele Künstlerinnen und Künstler haben, die in Uganda beliebt sind. Von vielen ist die sexuelle Orientierung nicht bekannt. Wenn die Menschen wüssten, dass die Person, zu deren Musik sie singen, ein schwuler Mann ist, dann wäre der Hass vielleicht nicht so groß und weit verbreitet."

Journalist Andrew Mwenda ist einer der lautstärksten Kritiker des GesetzesBild: Stuart Ramson/AP/picture alliance

Nur: Es mangelt an kulturellen Vorbildern und anderen Personen aus dem öffentlichen Leben, die auch die breite Gesellschaft davon überzeugen könnten, dass das Anti-Homosexuellengesetz nicht umgesetzt werden darf. "So viele religiöse Menschen äußern sich gegen Homosexualität. Aber bisher haben sich keine kulturellen Wortführer gemeldet. Dabei bedeutet Kultur in Uganda sehr viel," gibt Edward Mutebi zu bedenken.

Warum setzt der König von Buganda kein Zeichen?

Ein prominenter Gegner des Gesetzes ist der Journalist Andrew Mwenda, der bereits 2008 für seine "besonderen Verdienste zur Pressefreiheit" mit dem amerikanischen International Press Freedom Award ausgezeichnet wurde. Er ist als Politiker auch in der Regierungspartei, dem National Resistance Movement. "Trotzdem äußert er sich sehr lautstark zur Unterstützung von LGBTQ-Menschen," betont Mutebi. "Erst kürzlich hat er in einem Interview das gesamte Gesetz als überflüssig bezeichnet."

Ronald Muwenda Mutebi II. ist seit 1993 König von BugandaBild: Photoshot/picture alliance

Auch der König von Buganda, Nachfahre von Mwanga II., könnte Stellung beziehen und ein Zeichen setzen. Doch das tat er bislang nicht, wie Edward Mutebi entrüstet feststellt. "Mein König hat sich noch gar nicht zu der Verfolgung von Homosexuellen geäußert. Er ist ein kulturelles Oberhaupt, das Oberhaupt der gesamten Institution meiner Kultur, und er hat bisher dazu geschwiegen."

LGBTQ-Szene seit Jahren immer mehr in den Untergrund verdrängt

Eigentlich wäre es höchste Zeit, sich zu äußern. Denn die LGBTQ-Szene wurde in den letzten Jahren immer mehr in den Untergrund gedrängt. "Das hat mich frustriert," erklärt Edward Mutebi, "sobald die Regierung erfahren hat, dass es Orte gibt, die LGBTQ-Menschen unterstützen oder beherbergen, wurden sie geräumt und die Personen wurden verhaftet." Als Beispiel nennt er eine Bar namens RAM.

"Es handelte sich um eine Art kreativen Raum für LGBTQ-Menschen. Dort traf man sich jeden Sonntag. Aber 2019 wurde sie von der Polizei gestürmt und alle, die sich dort aufhielten, wurden inhaftiert - mehr als 100 Personen. Die Bar wurde daraufhin geschlossen. Bis heute gibt es keinen offen schwulen oder LGBTQ-Raum in ganz Uganda. Alle Orte, alle Safe Spaces für LGBTQ-Menschen, wurden geschlossen. Es gibt einige queere Künstler in Uganda, aber sie halten sich aufgrund der aktuellen Situation bedeckt."

Das neue Gesetz würde Kulturräume noch mehr einschränken, so Mutebi. "Homosexuelle dürfen demnach keine eigenen Kulturräume mehr haben. Wenn also zum Beispiel jemand einen Raum mieten will und ein Kulturzentrum daraus machen will oder eine queere Bar oder einen queeren Club - niemand darf nach dem Gesetz einen Raum zur Verfügung stellen, denn wenn du einer Person deine Wohnung zur Verfügung stellst oder einen Raum an LGBTQ-Personen oder Homosexuelle vermietest, machst du dich ebenfalls selbst strafbar."

Uganda: Eine Frau kämpft gegen Homophobie

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Stella Nyanzi jedenfalls sieht in Ugandas Kulturschaffenden einen Hoffnungsschimmer. Denn sie könnten in der ugandischen Gesellschaft ein Umdenken auslösen - sollten sie sich aus der Deckung wagen. Die Sängerin Sheebah Karungi sei ein gutes Beispiel dafür. "Sie hat bei Auftritten mehrmals Kleidung mit einem Regenbogenmuster getragen. Viele Leute tanzen zu ihrer Musik, ohne zu wissen, ob sie lesbisch ist oder nicht. Das sind subtile Botschaften. Wie auch die von Andrew Mwenda, der einmal im Fernsehen Regenbogensocken trug." 

Dieser Artikel vom April 2023 wurde am 17.05.2023 aktualisiert.

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