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Politik

Türkische Offensive und deutsche Rüstungsexporte

Richard A. Fuchs jdw
23. Januar 2018

Mehr als 750 Panzer hat Deutschland an die Türkei geliefert. Jetzt kursieren Bilder, dass einige davon in Syrien gegen Kurden eingesetzt werden. Für die Bundesregierung ist das heikel: Ein neuer Panzerdeal wackelt.   

Türkische Offensive in Nordsyrien Leopard 2A4 Panzer
Bild: picture-alliance/dpa/XinHua


"Sind das wirklich deutsche Panzer?" Mit dieser Frage konfrontierten Journalisten die Vertreter der deutschen Bundesregierung immer wieder. Der Grund: Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu hatte Bilder veröffentlicht, die die Militäroffensive der türkischen Streitkräfte gegen die Kurden-Miliz YPG in der nordsyrischen Region Afrin zeigen sollen. Unter anderem waren auf den Bildern auch Panzer mit Tarnfleck-Optik zu sehen, die viele Beobachter als deutsche Panzer der Marke Leopard identifizieren würden. Leopard-2-Panzer werden im Joint-Venture von den beiden Rüstungsfirmen Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Rheinmetall produziert.

Bundesregierung weiß offiziell nichts 

Mehr als 750 dieser Leopard-Panzer von Typ 1 und 2 haben verschiedene Bundesregierungen seit den 80er-Jahren an befreundete Regierungen im NATO-Partnerland Türkei geliefert. Im Einsatz gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien hatte das in Regierungskreisen kaum jemand hinterfragt. Die jüngste Offensive der türkischen Armee gegen kurdische Milizen hatte Außenminister Sigmar Gabriel dagegen als Mission mit "unkalkulierbarem Risiko" verurteilt. "Das Letzte, was Syrien braucht, sind weitere militärische Konfrontationen“, warnte er am Wochenende. Kaum verwunderlich, dass die Sprecher der Bundesregierung zuletzt alle Mühe hatten, den Eindruck zu zerstreuen, an dieser aus deutscher Sicht feindseligen Mission der türkischen Armee könnten jetzt auch deutsche Rüstungsgüter beteiligt sein. Ziel der Türkei sind die mit den USA verbündeten kurdischen "Volksschutzeinheiten" (YPG). Neben den Kampfpanzern bombardierten auch türkische Kampfflugzeuge Stellungen der YPG, meldeten Agenturen übereinstimmend. Nach 2016 ist es der zweite Einmarsch türkischer Truppen auf syrisches Gebiet. Damals wurde die Aktion noch mit dem Kampf gegen den IS begründet.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes wollte sich auf Nachfrage nicht festlegen: "Unser bisheriges Lagebild gibt es nicht her, dass wir den Einsatz bestätigen können." Von Seiten des Verteidigungsministeriums wurde hervorgehoben, dass Ort und Zeit der Aufnahmen von Panzern nicht näher bestimmt werden könnten. Eine weitere Kommentierung verbiete sich daher. 

Neue Rüstungsgeschäfte - jetzt? 

Deutlich klarer positionierten sich Oppositionspolitiker und externe Türkei-Beobachter. Ismail Küpeli, deutsch-türkischer Nahost-Experte von der Ruhr-Universität Bochum, sagte gegenüber der DW: "Dass deutsche Panzer zum Einsatz kommen, ist recht sicher." Die Darstellung der türkischen Armee selbst, sowie weitere kurdische Quellen, hätten dies unabhängig voneinander bestätigt. Allerdings dürften nach seiner Einschätzung tatsächlich nur relativ wenige Leopard-Panzer in Nordsyrien im Dienst sein. Besonders häufig setzt die türkische Armee die Kampfpanzer M60 aus amerikanischer Produktion ein, sagte Küpeli. Er hält allerdings nichts davon, die Bundesregierung jetzt für Rüstungsexporte aus früheren Zeiten in die Mangel zu nehmen. Diese Geschäfte seien zu einem Zeitpunkt getätigt worden, als eine Situation wie heute nicht absehbar gewesen sei. "Andererseits geht es aktuell ja auch um ein neues Panzergeschäft zwischen der Türkei und Deutschland, und da wäre dann schon die Frage, ob das, was in Nordsyrien passiert, mit unseren Werten vereinbar ist."

Über dieses Panzergeschäft hatte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel vor gut zwei Wochen im ARD-Fernsehen berichtet. Die Bundesregierung prüfe demnach eine von Ankara gewünschte Modernisierung der deutschen Panzer der türkischen Armee. Gefragt ist vor allem mehr Minenschutz durch dickere Bodenplatten sowie ein Sensorsystem zur Abwehr von Panzerabwehrgeschossen. "Es geht darum, dass es türkische Panzer im Kampf gegen die Terrororganisation IS gegeben hat, und zwar eine ganze Reihe, die auf Minen gefahren sind, bei denen eine Reihe türkischer Soldaten ums Leben gekommen sind", so Gabriel. Er sehe "keine richtige Argumentation", warum man dem Nato-Partner Türkei eine solche Aufrüstung verweigern sollte, fügte Gabriel damals hinzu. Anfang Januar hatte der deutsche Außenminister seinen türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu in Goslar getroffen. 

Bild: picture-alliance/dpa/XinHua

Opposition geißelt Pläne für weitere Rüstungsgeschäfte

Laut Medienberichten soll es dabei auch um die Panzer-Modernisierung gegangen sein. Im vergangenen Jahr der diplomatischen Eiszeit hatte Deutschland alle Anfragen für Rüstungsexporte in die Türkei unter Vorbehalt gestellt. Über Exporte sollte nur noch von Fall zu Fall entschieden werden. Der prominenteste Streitpunkt in dem Konflikt ist die Inhaftierung des "Welt"-Journalisten Deniz Yücel, der seit mehr als elf Monaten ohne Anklage in der Türkei im Gefängnis sitzt. Für Ismail Küpeli steht fest: "Wenn wir uns jetzt anschauen, was die Türkei mit diesen Panzern unternimmt, dann ist eine Aufwertung dieser Panzer nicht vertretbar."

 
Unterdessen dauert die von der türkischen Armee als "Operation Olivenzweig" getaufte Offensive unvermindert an. Sevim Dagdelen, Außenpolitikerin der oppositionellen Linkspartei, hält die geplante Modernisierung der türkischen Panzer für "abenteuerlich". Eine politische Genehmigung der Rüstungsexporte, wie dies in Deutschland gemäß Rüstungsexportgesetz zwingend nötig ist, dürfe nicht erteilt werden, fordert Dagdelen. "Die Bundesregierung führt die deutsche Öffentlichkeit dreist hinters Licht, wenn sie weiter den Eindruck zu erwecken versucht, die türkische Armee würde gegen islamistische Mörderbanden in Syrien kämpfen." Die Linke pocht darauf, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Regierungserklärung zu den deutschen Verwicklungen äußert. 

Wie tief sind deutsche Großbanken mit Rüstungsschmieden verbunden: ein großes Dunkelfeld bleibt. Bild: picture alliance/Eibner-Pressefoto

Schmiert deutsches Geld den Syrien-Feldzug? 

Mit den deutschen Rüstungsschmieden führt die Spur der türkischen Anti-Kurden-Offensive auch auf direktem Weg ins Herz der deutschen Finanzwirtschaft, berichtet Barbara Happe von der Menschenrechtsorganisation "urgewald". Im DW-Interview hob die Rüstungsfinanz-Expertin  hervor, dass beide Hersteller des Kampfpanzers Leopard-2 umfangreiche Geschäftsbeziehungen zu den großen deutschen Finanzinstituten unterhalten würden. "Beide Unternehmen werden regelmäßig mittels globaler Unternehmensfinanzierungen unterstützt", sagt die Finanzexpertin. Im Jahr 2016 hatte "urgewald" zusammen mit "Facing Finance" eine systematische Untersuchung der Branche und ihrer Verbindungen zu Rüstungsschmieden vorgelegt. 

"Da war es so, dass Deutsche Bank, Commerzbank und Hypovereinsbank oder Unicredit mit dabei waren. Zum Teil waren aber auch Landesbanken wie die Bayern LB und die Nord LB bei Rheinmetall und die hessische Landesbank Helaba bei Krauss-Maffei- Wegmann dabei", so Happe. Auf DW-Anfragen antworteten einzelne Finanzinstitute zugeknöpft. "Wir bitten um Verständnis, dass wir uns aufgrund des Bankgeheimnisses grundsätzlich nicht zu Geschäftsbeziehungen äußern", so die Antwort der Bayern LB. Andere möglicherweise involvierte Institute äußerten sich ähnlich.

Die Commerzbank verweist gegenüber der DW auf ihre interne Rüstungsexportrichtlinie aus dem Jahr 2008. Darin ist festgehalten, dass die direkte Finanzierung von Geschäften in Spannungs- und Krisengebieten ausgeschlossen werde. Für Barbara Happe von "urgewald" bedeutet dies aber nur, dass die Commerzbank keinen Kredit für direkte Panzergeschäfte geben würde. "Die Commerzbank hat aber kein Problem damit, eine Unternehmensfinanzierung zu geben", erläutert Happe das System. Nach Informationen von "urgewald" hat sich an den engen Verflechtungen zwischen Geldinstituten und Rüstungsschmieden in der Zwischenzeit wenig geändert. "Wir haben bei der letzten Hauptversammlung bei Rheinmetall nachgefragt, wie es mit Finanzierungen aussieht und da haben sie gesagt, dass sie keine Probleme haben, aktuell Finanzierer zu finden", berichtet Barbara Happe. Zumindest auf finanzieller Seite dürfte einem möglichen neuen Panzerdeal also nichts entgegen zu stehen. 

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