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Anti-westliche Allianz in Asien

Rodion Ebbighausen11. September 2014

Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit plant eine Erweiterung. Sie will eine Alternative zu westlich dominierten internationalen Institutionen sein. Aber mangelnde Ressourcen erschweren das.

Gipfeltreffen der Organisation der Shanghaier Kooperation in Bischkek 12.09.2013
Bild: Reuters/Mikhail Klimentyev/RIA Novosti

Weitgehend unbemerkt vom Westen könnte sich am Donnerstag (11.09.2014) in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe eine geopolitische Zeitenwende ereignen. Auf dem 14. Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) treffen Russlands Präsident Putin mit seinem chinesischen Amtskollege Xi Jinping und dem iranischen Präsident Hassan Rohani zusammen. Sie wollen ein Bündnis schmieden, das eine ernsthafte Alternative zur transatlantischen Allainz darstellt.

Ganz oben auf der Agenda stehen Verhandlungen über eine Erweiterung des Bündnisses: Indien, Pakistan, Iran und die Mongolei sollen ebenfalls Mitglieder werden. Bisher haben sie nur Beobachterstatus. Sollte die Aufnahme beschlossen werden, besäße die SCO fast 20 Prozent der weltweiten Öl-, die Hälfte der globalen Gasreserven und würde rund die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren.

Das unbekannte Bündnis

Auch angesichts großangelegter gemeinsamer Militärübungen mit bis zu 7.000 Soldaten (wie zuletzt vom 24.-29. August bei der sogenannten Friedensmission 2014) ist es umso erstaunlicher, dass das Forum nur wenig Aufmerksamkeit erfährt. Die SCO ist 2001 gegründet worden. Ihre derzeitigen Mitgliedsstaaten sind Russland, China, Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan.

Ursprünglich ging es vor allem darum, Spannungen in der Region abzubauen. Die Charta der Organisation von 2002 nennt deswegen unter Zielen und Aufgaben zuerst "vertrauensbildende Maßnahmen". Zentral ist auch die Bekämpfung der sogenannten "drei Übel": Terrorismus, Extremismus und Separatismus. Schließlich geht es auch um wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit.

Russlands und Chinas Interessen

Russland und China streben zuallererst Stabilität an. Dabei gehe es zum einen um die bilateralen Beziehungen zwischen den dominanten Mächten der Region, so Enrico Fels vom Center for Global Studies der Universität Bonn. "Russland war in Zentralasien lange eine absteigende Macht, China eine aufsteigende. Hier geht es also um eine Koordinierung der Interessen." Die SCO reduziere so Spannungen zwischen Russland und China.

Zum anderen ist Zentralasien für China und Russland von strategischer Bedeutung, wie ein Blick auf die Karte zeigt. Russland fühle sich im Westen von NATO- und EU-Erweiterungen bedroht, so Fels im Gespräch mit der Deutschen Welle. China wiederum ist als Exportweltmeister und einer der größten Importeure von Rohstoffen stark abhängig von seinen Häfen. Es sieht sich im Osten von den USA und deren Verbündeten wie Japan und den Philippinen unter Druck gesetzt. Fels fasst zusammen: "Beide Länder fühlen sich von außen bedroht und müssen sich deswegen in Zentralasien miteinander gut stellen, um dem äußeren Druck standzuhalten."

Die Ukraine-Krise zeigt die russisch-europäische Spaltung besonders drastischBild: Reuters

Stabile Verhältnisse in Zentralasien dienen darüber hinaus dem Schutz russischer und chinesischer Wirtschaftsinteressen. Beide Länder sind angewiesen auf eine funktionierende Infrastruktur wie Pipelines und Eisenbahnstrecken. China importiert Gas und Öl aus Russland und Zentralasien und ist zugleich größter Anbieter von Waren in der Region. Die sogenannte eiserne Seidenstraße verläuft von China über Kasachstan und Russland bis nach Deutschland und verbindet etwa das BMW-Werk in der nordostchinesischen Stadt Shenyang mit dem in Leipzig.

Nicht zuletzt wollen Peking und Moskau verhindern, dass Zentralasien wie in der Vergangenheit Militärbasen für den Westen, insbesondere die USA, bereitstellt.

Die zentralasiatische Perspektive

Das neue Handelszentrum Horgos an der Grenze zwischen Kasachstan und ChinaBild: DW/A. Weiskopf

Und die anderen Mitgliedsstaaten des Bündnisses? Eine gemeinsame zentralasiatische Perspektive gibt es nicht, analysiert Beate Eschment von der Forschungsstelle Osteuropa im Interview mit der Deutschen Welle. Die Interessen der Länder sind verschieden gelagert. Während Kirgisistan und Tadschikistan wirtschaftlich und militärisch von Russland abhängig seien, bemühe sich Turkmenistan, das nicht Mitglied der SCO ist, sich eine möglichst neutrale Position zu erhalten, so Eschment. Usbekistan wiederum verfolge eine sehr schwankende Politik, die sich mal zu Russland und mal zu China neige. "Die Führung des größten und sowohl militärisch als auch wirtschaftlich stärksten Landes Kasachstan ist russophil", sagt Eschment. "Aktuell gibt es aber gewaltige Probleme und Spannungen." Die Kasachen befürchteten eine zu starke Einmischung Russlands oder im schlimmsten Fall gar ein Ukraine-Szenario mit Annexion nördlicher Territorien. Im Norden Kasachstan gibt es eine große russische Minderheit. China wird in der Region bisher in erster Linie als Investor wahrgenommen: "China hat für die zentralasiatischen Führungen den Vorteil, dass es vor allem wirtschaftlich interessiert ist", sagt Eschment.

Initiative gegen den Westen

Was alle Staaten verbindet, sowohl die aktuellen Mitglieder als auch die Beobachter, ist die Ablehnung einer in ihren Augen vom Westen dominierten Weltpolitik, in welcher UN, Weltbank oder Internationaler Währungsfonds ihren Sitz in den USA haben. "Die SCO wie auch die BRICS (die Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, d.Red.) mit Gründung einer eigenen Entwicklungsbank etablieren sich so als Gegenforen auf globaler Ebene", sagt Fels. "Man versucht alternative internationale Organisationen und Institutionen aufzubauen. Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass die SCO zu einer Anti-NATO oder einer 'OPEC mit Bomben' wird." Der Ansatz der SCO sei umfassender und setze nicht nur auf ein Militärbündnis, sondern auch auf Wirtschaft und "Soft Power".

Auf dem BRICS-Gipfel in Brasilien gründeten die fünf aufstrebenden Volkswirtschaften eine eigene EntwicklungsbankBild: Reuters

Allerdings gibt Fels zu bedenken: "Außer Absichtserklärungen und Militärübungen hat man institutionell bisher wenig Handfestes geliefert." Dafür sei die SCO bisher zu schlecht ausgestattet. "Sie wollen kooperieren und geostrategisch agieren. Die Frage ist, wie viel Ressourcen sie bereitstellen werden." Außerdem vertrüge sich das Prinzip der Nichteinmischung, das insbesondere Chinas Außenpolitik lange dominiert hat, nur bis zu einem gewissen Grad mit einem internationalen Staatenbündnis. Als es beispielsweise 2010 in Kirgisistan zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Kirgisen und Usbeken mit bis zu 2500 Toten und Hundertausenden Vertriebenen kam, die die ganze Region hääten destabilisieren können, musste die SCO weitgehend untätig bleiben.

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