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Bakterien haben ein Recht auf Widerstand

Lydia Heller23. Oktober 2013

Manche Bakterien nehmen es uns übel, wenn wir sie zum Beispiel mit Antibiotika bekämpfen. Sie können Resistenzen entwickeln und sich wehren. Ob mitunter zurecht, diskutieren Mediziner, Politiker und sogar Künstler.

Pseudomonas aeruginosa (gelb) im Raster-Scanning-Mikroskop (nachgefärbt). (Grafik: Wikipedia/gemeinfrei.).
Bild: gemeinfrei

Wirksame Antibiotika - Medikamente gegen krankheitserregende Bakterien - sind die Grundlage der modernen Medizin. Verlieren sie ihre Wirkung, können Wundinfektionen oder Krankheiten, wie Lungenentzündungen, Scharlach und Syphilis, wieder zu der Gefahr werden, die sie einmal waren. Mehr noch, warnt Otto Cars, Professor für Infektionskrankheiten an der skandinavischen Uppsala University auf dem Weltgesundheitsgipfel (20.-22.Oktober 2013): "Wir verlieren auch die Möglichkeit für Behandlungen, die heute zum Standard gehören. Transplantationen, der Ersatz von Hüftgelenken oder Chemotherapien bei Krebs funktionieren nur, wenn wir die Patienten vor Infektionen schützen können. Das Ausmaß des Problems ist weit größer, als wir bisher verstanden haben."

Immer, wenn Antibiotika eingesetzt werden, verändern sich die Bakterien, die bekämpft werden sollen - sie entwickeln Resistenzen, wehren den Arzneistoff ab. Je mehr Antibiotika eingesetzt werden, desto mehr Resistenzen entstehen. Dieser Zusammenhang ist seit den 1940er Jahren bekannt, richtig ernst genommen wurde er lange nicht. Zwar warnte die Weltgesundheitsorganisation schon im Jahr 2000 davor, dass Antibiotika-Resistenzen die "Gesundheitskatastrophe von morgen" seien und präsentierte eine globale Strategie zur Eindämmung der Resistenzen. Trotzdem: Unbehandelbare Infektionen sind ein ernstes Problem für die globale Gesundheit geworden. Die US-Seuchenschutzbehörde schätzt, dass in den USA 23.000 Menschen im Jahr an Infektionen sterben, die von antibiotikaresistenten Bakterien ausgelöst wurden, zwei Millionen Menschen sind infiziert.

Antibiotika-Resistenzen gefährden globale Gesundheitsversorgung

Die Gesundheitsversorgung als solche steht auf dem Spiel, so Otto Cars. Als Leiter des globalen Netzwerks ReAct versucht er daher, Aktivitäten aus Forschung, Politik, Medizin und Zivilgesellschaft gegen Antibiotika-Resistenzen zu koordinieren und Zusammenarbeit zu organisieren. Denn: An Forschungsinstituten gebe es inzwischen zwar viel Wissen über Krankheitserreger, Antibiotika und die Bildung von Resistenzen. Praktische Folgen habe das aber nicht.

Antibiotika: Oft verschreiben Ärzte es zu schnell - oder es ist sogar ohne Rezept in der Apotheke erhältlichBild: Fotolia/Nenov Brothers

Obwohl Infektionsexperten zum Beispiel seit Jahren vor einem Übergebrauch von Antibiotika warnen, werden sie massenweise in der Tierzucht eingesetzt, um Krankheiten vorzubeugen oder das Wachstum der Tiere zu fördern. Und obwohl falscher Gebrauch von Antibiotika bei Menschen als einer der Hauptgründe für die Entstehung von Resistenzen bekannt ist, werden die Medikamente häufig viel zu leichtfertig verabreicht. "In China zum Beispiel werden Kinder, die nur eine einfache Erkältung haben, intravenös mit Antibiotika behandelt", so Cars. "Der Verbrauch liegt jährlich bei 138 Gramm pro Kopf. In Schweden liegt er bei sieben Gramm! Das ist ein massiver Übergebrauch dieser Medikamente!"

Bessere Diagnosemöglichkeiten müssen erforscht werden

Für die EU-Länder gibt es zwar ein Gesetz, nachdem Antibiotika verschreibungspflichtig sein müssen - dennoch werden viele dieser Medikamente in Apotheken frei verkauft, in Italien etwa oder Griechenland. In den USA wiederum - so schätzt die US-Seuchenschutzbehörde CDC - werden bis zur Hälfte auch der verschriebenen Antibiotika unnötig oder falsch eingenommen. Häufig verschreiben Ärzte sogenannte Breitband-Antibiotika, die - statt spezielle Erreger gezielt zu bekämpfen - gegen mehrere Arten von Bakterien wirken. Und die auf diese Weise die Entstehung von Resistenzen besonders fördern.

"Oft wird dann geraten oder vermutet, welche Bakterien die Infektion verursacht haben", kritisiert Otto Cars. "Und wenn wir falsch raten, bekommt der Patient ein Antibiotikum, das ihm nicht hilft. Deshalb müssen wir die Forschung an schnelleren Diagnosemethoden unbedingt vorantreiben." Um die Art des Krankheitserregers genau zu bestimmen, werden heute in der Regel immer noch Bakterienkulturen gezüchtet und im Labor untersucht. Bis das Ergebnis vorliegt, vergehen zwei bis drei Tage - zu lange für die meisten Patienten, die eine schnelle Linderung ihrer Beschwerden wünschen. Zwar gibt es auch Testgeräte, die das Erbgut von Erregern analysieren und in weitaus kürzerer Zeit Ergebnisse liefern, diese sind allerdings teuer und werden daher gerade von Allgemeinärzten kaum verwendet.

Käferimmunsystem - Vorbild für neue Antibiotika

04:18

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Neue Antibiotika gegen resistente Erreger fehlen

Und auch die Forschung an neuen Antibiotika, die gegen die veränderten Erreger wirken können, verläuft nur schleppend. Der Pharmaindustrie fehle es an Anreizen, so Anthony So, Leiter des Programms für Global Health and Technology Access an der Sanford School of Public Policy. "In der Pharmaindustrie ist der Forschungsaufwand hoch und der Erfolg nicht sicher. Breitband-Antibiotika zum Beispiel versprechen eine höhere Rendite als ein Medikament, das gegen einen speziellen Erreger wirkt, den es vielleicht nicht so häufig gibt." Zudem würden Antibiotika in der Regel nur über kurze Zeit gegeben, Mittel gegen Bluthochdruck, Diabetes oder HIV dagegen zum Beispiel über mehrere Jahre - und das sei deutlich lukrativer.

Kunstprojekte schaffen Aufmerksamkeit für Antibiotika-Resistenzen

Arturo Quizphe von der University of Cuenca School of Medicine in Ecuador fordert daher, die Ausbreitung von resistenten Bakterien als gesellschaftliches und als Umweltproblem zu verstehen. Einen verantwortungsvollen und zielgerichteten Umgang mit Antibiotika gebe es nur, wenn den Menschen stärker bewusst gemacht würde, dass Bakterien ein wichtiger Teil der Natur sind. "Wir reden immer von Bakterien im Zusammenhang mit Krankheiten. Alle wollen Bakterien immer möglichst schnell loswerden. Aber nur ein Teil der Bakterien macht krank, es gibt viel mehr, die nötig und wichtig sind, auch für die Menschen. Im Darm, im Mund, im Magen. Und wir wissen noch sehr wenig über sie, zum Beispiel, wie sie auf Umweltverschmutzung reagieren - das wissen wir noch gar nicht genau. Wir sollten sehr vorsichtig mit ihnen sein."

Zusammen mit seinen Studenten und Künstlern hat Quizphe deshalb Kunst- und Bildungsprojekte gestartet, die Schüler Wissen über Bakterien vermitteln sollen, über Fotowettbewerbe etwa oder Straßentheater. In Großbritannien wollen Forscher ab 2014 ein ähnliches Projekt starten. Unter dem Motto "Take care, not antibiotics!" sollen Schüler Gleichaltrige über Microben, Hygiene und Antibiotika aufklären. "Bakterien sind Lebewesen und sie sind schon länger auf der Welt als wir Menschen", sagt Arturo Quizphe. "Wenn sie angegriffen werden, werden sie immer Widerstand leisten. Und sie haben ein Recht auf Widerstand."

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