1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Antibiotikaresistenz in armen Ländern besonders gefährlich

22. Januar 2022

Forscher haben erstmals errechnet, wie stark die Gefahr durch antibiotikaresistente Keime ist. Demnach starben 2019 weltweit fast fünf Millionen Menschen mit solchen Infektionen, viele in Subsahara-Afrika.

Digital gefärbte Rasterelektronenmikroskopie (REM) von senffarbenen, kugelförmigen Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) Bakterien.
MRSA-Krankenhauskeime entstehen auch in der Viehzucht, wenn zu viele Antibiotika eingesetzt werden. Bild: picture-alliance/dpa/NIAID

Ein großes internationales Team von 140 Forschenden, unterstützt vom Global Research on Antimicrobial Resistence Project (GRAM) hat an diesem Mittwoch (19.01.2022) eine umfassende Bestandsaufnahme der weltweiten Gefahr durch Antibiotika-resistente Keime vorgelegt.

Die Forschenden haben errechnet, dass es weltweit im Jahr 2019 etwa 4,95 Millionen Todesfälle in Verbindung mit Infektionen mit resistenten Bakterien gegeben hat. Diese Zahl ist allerdings ein mathematischer Durchschnittswert in einem statistischen Modell. Präzise Daten gibt es nicht, weil nicht über alle Länder der Welt verlässliche Zahlen dazu vorliegen. Es könnten zwischen 3,62 und 6,57 Millionen Verstorbene gewesen sein, schreiben die Forschenden in dem Fachjournal "The Lancet". Darunter waren 1,27 Millionen Fälle, die eindeutig und direkt auf die Infektion mit resistenten Keimen zurückgingen. 

Antibiotika-resistente Keime müssen bei gesunden Menschen nicht zwangsläufig eine Erkrankung herbeiführen. Aber bei Kleinkindern, Alten oder Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann eine Infektion tödlich verlaufen, weil Ärzte keine Gegenmittel mehr zur Hand haben.  

Subsahara-Länder am stärksten betroffen

Am schwersten war Subsahara-Afrika betroffen. Dort starben etwa 27,3 von 100.000 Einwohnern an Infektionen mit resistenten Keimen. Am häufigsten starben Kinder unter fünf Jahren an dadurch ausgelösten bakteriellen Infektionskrankheiten. Am wenigsten war die Region Australasien (Australien, Neuseeland, Neuguinea und Melanesien) betroffen, wo 6,5 von 100.000 Einwohnern daran starben.

Der größte Anteil der tödlich verlaufenden Infektionen begann in den tieferen Atemwegen. Solche bakteriellen Lungenentzündungen waren mit 1,5 Millionen Opfern die gefährlichste Infektionskrankheit überhaupt.

Die sechs gefährlichsten bakteriellen Erreger

Sechs resistente Keime listen die Forschenden als Hauptverursacher der tödlichen Erkrankungen auf. Diese können für etwa 3,57 Millionen der durchschnittlich errechneten Todeszahlen verantwortlich gemacht werden:

  1.  Das Kolibakterium (Echerichia coli) ist ein Darmbakterium, das bei allen Menschen vorkommt. Die meisten Stämme dieses Bakteriums sind nicht krankheitserregend, aber einige pathogene Stämme sind hochgefährlich, darunter zum Beispiel das Enterohämorrhagische E. coli (EHEC), dass 2011 auf kontaminierten Bockshornklee-Keimlingen aus Ägypten gefunden wurde und zu zahlreichen Todesfällen geführt hatte.
     
  2. Staphylococcus aureus lebt bei uns auf der Haut. Der als Krankenhauskeim bekannte Methillicin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) verbreitet sich rapide in der Landwirtschaft, etwa in der Schweinezucht, wo häufig Antibiotika eingesetzt werden. MRSA machen die Forschenden für etwa 100.000 Todesfälle im Jahr 2019 verantwortlich. 
     
  3. Das Darmbakterium Klebsiella pneumoniae ist von Natur aus gegen eine ganze Reihe Antibiotika resistent. Seit dem 21. Jahrhundert wurden auch Stämme gefunden, die resistent gegen Antibiotika vom Typ der Carbapeneme immun sind. Das Bakterium verursacht vor allem Lungenentzündungen aber auch Infektionen anderer Organe, insbesondere wenn es bei Operationen durch Wunden eindringt. 
     
  4. Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) leben in den Schleimhäuten des Nasen-Rachenraumes. Erkrankungen sind meist Lungenentzündungen, die besonders Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder ältere Patienten betreffen. Geraten diese Keime in die Blutbahn, kann es zu einer lebensbedrohlichen Sepsis kommen. Die meisten Pneumokokken sind mit Penicillin gut zu bekämpfen, aber der Stamm der nicht-verkapselten Pneumokokken (NESp) bildet häufig Resistenzen aus. Gegen Pneumokokken gibt es eine Impfung.
     
  5. Ein weiterer gefährlicher Krankenhauskeim ist Acinetobacter baumannii. Der multiresistente Keim tritt weltweit oft auf Intensivstationen auf. Das Bakterium bildet Biofilme und hält sich auch bei Trockenheit über lange Zeit auf Oberflächen. Die Gefahr einer Schmierinfektion ist besonders groß.
     
  6. Der Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa fühlt sich in feuchten Millieus wohl, also etwa in Nasszellen und Küchen, aber auch in Lebensmitteln oder Dialysegeräten. Sogar in bestimmten Medikamenten und Desinfektionsmitteln kann er sich halten. Das Bakterium ist für etwa ein Zehntel aller Krankenhausinfektionen verantwortlich und verursacht etwa Harnwegsinfektionen, Darminfektionen oder Hirnhautentzündungen. 

Es gibt, neben der Forschung an neuen Antibiotika auch verschiedene alternative Ansätze, um Erreger zu bekämpfen. Dazu gehören etwa Bakteriophagen, also Viren, die Bakterien angreifen oder auch Endolysine bzw. Artilysine. Das sind maßgeschneiderte Enzyme, die Zellwände von Bakterien auflösen, ohne dass diese dagegen Resistenzen bilden können. 

Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen