Der Antikapitalist
12. März 2008Viele seiner Beobachtungen und Thesen scheinen heute aktueller denn je – auch wenn politische Systeme auf ihrer Grundlage keinen Bestand hatten. Marx gilt als der bedeutendste Kritiker des Kapitalismus überhaupt. Seine Werke inspirierten die größten Sozialbewegungen des 20. Jahrhunderts, aus denen schließlich der kommunistische Ostblock mit der Sowjetunion an der Spitze hervorging.
Seitdem ist der Name Karl Marx auch mit Begriffen wie Diktatur und totalitärer Herrschaft verbunden. Dabei hatte Marx selbst gegen den Absolutismus seiner Zeit gekämpft – und zwar so konsequent, dass er aus Deutschland fliehen musste. Im Ausland schrieb er dann jene Schriften, die ihn bis heute berühmt machten - auch wenn die in seinem Namen unternommenen sozialistischen Experimente längst ein Ende gefunden haben.
In "Das Kapital", einem seiner Hauptwerke, schreibt Marx:
"Die fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige Unsicherheit und Bewegung zeichnet die Bourgeoisieepoche vor allen anderen aus. … Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, und die Menschen sind endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen."
Zeitmaschine Karl Marx
Im Revolutionsjahr 1848 erschien das "Kommunistische Manifest", das Marx zusammen mit Friedrich Engels verfasst hatte. Marx war damals gerade 30 Jahre alt.
Nach Kritik am Absolutismus der deutschen Kleinstaaten musste er 1845 von Berlin nach Brüssel übersiedeln. Es folgten Stationen in Paris und London. Für den Philosophen und Marx-Spezialisten Wolfgang Fritz Haug haben manche Beobachtungen des "Kommunistischen Manifests" und andere Schriften an Aktualität bis heute nicht verloren: "Es gibt ganze Passagen aus dem Kommunistischen Manifest, die sich lesen, als hätte Marx die Möglichkeit gehabt, mit einer Zeitmaschine in die Jetztzeit zu reisen und zu beschreiben, was heute der Fall ist", sagt er. "Das muss 1847, als er das schrieb, vollkommen unvorstellbar gewesen sein für seine Zeitgenossen."
Marx war einer der entschiedensten Kritiker des Kapitalismus. Zur Hochzeit der industriellen Revolution konnte er die ungeheuren Veränderungen beobachten, die der Kapitalismus bewirkte – nicht nur in England oder Europa, sondern in der ganzen Welt. Im "Kapital" beschreibt er die Veränderungen:
"Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. (…) Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden."
Damals wie heute: Existenzangst des Mittelstandes
Jahrelang arbeitete Marx in London als Journalist. Dabei beobachtete er die Veränderungen im Leben der Menschen, beschrieb vor allem die Not und die Existenzangst, die die wirtschaftliche Revolution hervorrief. Heute kann man nur staunen, wie aktuell seine Analysen klingen. Bereits im "Kommunistischen Manifest" beschrieb er ein Phänomen, das auch heute wieder diskutiert wird: die Angst des Mittelstands vor dem sozialen Abstieg. Dazu Marx:
"Die bisherigen kleinen Mittelstände, die kleinen Industriellen, Kaufleute und Rentiers, die Handwerker und Bauern, alle diese Klassen fallen ins Proletariat hinab, teils dadurch, dass ihr kleines Kapital für den Betrieb der großen Industrie nicht ausreicht und der Konkurrenz mit den größeren Kapitalisten erliegt, teils dadurch, dass ihre Geschicklichkeit von neuen Produktionsweisen entwertet wird. So rekrutiert sich das Proletariat aus allen Klassen der Bevölkerung."
Vorahnung der Globalisierung
Lohndumping, Verlagerung der Produktion ins Ausland, die unaufhörliche Suche nach dem günstigsten Standort: Das, was man heute unter dem Stichwort "Globalisierung" kennt, ist im Grunde ein längst bekanntes Phänomen. Marx hatte es mit Hellsichtigkeit beschrieben. Ebenso schienen ihm die politischen Folgen dieser Entwicklung klar zu sein. Und die, so Wolfgang Fritz Haug, können brandgefährlich sein. Denn wenn man die Grenze zwischen diesen Lohnniveaus einreiße, dann breche das gesamte soziale System zusammen – und zuerst die liberalen Demokratien in Ländern wie Deutschland. Wenn die Mehrzahl der Menschen keine Chance auf eine menschenwürdige Teilnahme an der Kultur habe, "dann pfeifen sie auch auf Demokratie und liberale Rechte".
Der "wissenschafttliche Sozialismus"
Diesen Gefahren suchte Marx mit den Mitteln des so genannten "wissenschaftlichen Sozialismus" entgegenzutreten. Dessen Grundlagen entwickelte er in Werken wie dem "Kapital" oder den "Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie". Sein Werk hatte gewaltigen Einfluss auf die Arbeiterbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts - und natürlich auf die kommunistischen Bewegungen vor allem Osteuropas einschließlich Russlands und Chinas. Dass aber auch seine Rezepte gegen den Kapitalismus nicht wirkten, zeigte sich im Jahr 1989, als der gesamte Ostblock zusammenbrach. Karl Marx starb am 14. März 1883 in London.