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"Prozessverschiebung ein Schock"

Andrea Grunau6. Mai 2013

Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer vertritt beim NSU-Prozess die Tochter des ermordeten Mehmet Kubasik. Im DW-Interview nimmt er Stellung zur Entscheidung des Gerichts, die Verhandlung zunächst auzusetzen.

Rechtsanwalt Sebastian Scharmer (Foto: Kanzlei Hummel.Kaleck, Berlin)
Bild: Kanzlei Hummel.Kaleck, Berlin

DW: Der NSU-Prozess ist nach fast dreiwöchiger Verschiebung gleich wieder unterbrochen und bis zum 14. Mai aufgeschoben worden - wie hat Ihre Mandantin das erlebt?

Sebastian Scharmer: Also für Gamze Kubasik war das heute eine völlige Überraschung und ein totaler Schock. Es war ja sowieso schon eine emotionale, anspannende Situation für sie die letzten Wochen und Monate. Als heute am Ende der Verhandlung dann vom Vorsitzenden verkündet wurde, dass wir in dieser Woche gar nichts mehr machen und in der nächsten Woche dann anfangen, weiter irgendwelche Befangenheitsanträge der Verteidigung zu bearbeiten, war es für sie ein Schock. Sie überlegt jetzt erst mal, ob sie überhaupt nächste Woche noch mal kommen kann. Ob sie das organisatorisch hinbekommt, ob das auch zu finanzieren ist und ob sie das emotional verkraftet.

Sie arbeiten im Team mit mehreren Nebenklage-Anwälten, wie erscheint Ihnen die Entscheidung des Senats?

Also wir hatten alle Befangenheitsanträge und auch weitere Anträge der Verteidigung erwartet. Das ist in einem Verfahren diesen Ausmaßes, insbesondere wenn es um Vorwürfe des Mordes geht, völlig normal. Das alles kann das Gericht vorbereiten. Daher waren wir völlig verblüfft darüber, dass der Senat jetzt trotzdem unterbrochen hat. Wir sind eigentlich alle davon ausgegangen, dass wir spätestens ab morgen Mittag dann auch in die Sache einsteigen können und es gibt meines Erachtens den Anträgen der Verteidigung unnötiges Gewicht, die waren weder kreativ noch neu.

Haben Sie irgendeine Erklärung dafür?

Wir können über Erklärungen im Grunde genommen nur spekulieren. Unsere Mandanten nehmen es so wahr, dass sie in diesem Gerichtssaal offensichtlich nicht willkommen sind. Heute waren es schon wesentlich weniger Nebenklägerinnen und Nebenkläger, die gekommen sind, als sich beim ersten Mal angekündigt hatten. Wir gehen davon aus, dass es beim nächsten Mal dann noch weniger sind. Außerdem hofft möglicherweise der Senat mit dieser Unterbrechung ein wenig von dem Pressedruck, der besteht, loszuwerden. Es war ein unglaublicher Presseandrang heute vor dem Gerichtssaal. Insofern kann das ein Grund sein, aber das ist Spekulation.

Können Sie sagen, wie Gamze Kubasik die Begegnung mit Beate Zschäpe und den anderen Angeklagten erlebt hat?

Die war gefasst. Was sie völlig verblüfft hat, ist, dass Frau Zschäpe selbst versucht hat, relativ cool zu wirken. Sie hat selbst keinerlei Gemütsregung gezeigt, außer dass sie aus Sicht meiner Mandantin eher gegrinst hat gegenüber den Hinterbliebenen und Verletzten. Es ist immer eine subjektive Wahrnehmung. Frau Zschäpe kann sich äußern, wie sie will, aber Frau Kubasik hat das schon sehr mitgenommen, dass aus ihrer Sicht nicht eine emotionale Regung zu spüren war.

Konnte man sonst eine Reaktion der Angeklagten auf die Nebenankläger wahrnehmen?

Bis auf ein Lächeln beziehungsweise Grinsen, was aber nur kurzfristig durch den Saal ging, durch Frau Zschäpe, die sehr selbstbewusst auftrat, ist keine emotionale Reaktion erfolgt.

Der wichtigste Wunsch Ihrer Mandantin für den Prozess?

Sie will endlich wissen, wie es zu dem Mord an ihrem Vater gekommen ist. Wer ist verantwortlich? Wie ist es zur Entstehung und zum weiteren Unentdecktbleiben des NSU gekommen? Diese Fragen werden wir natürlich nicht in den nächsten Tagen beantworten können, aber es hätte schon mal ein Stück in die Richtung gehen können und sie hätte schon mal ein Wort von den Angeklagten hören können. Aber das ist jetzt vereitelt worden.

Rechtsanwalt Sebastian Scharmer aus Berlin vertritt beim NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht in München die Nebenklägerin Gamze Kubasik. Ihr Vater Mehmet Kubasik wurde am 4.4.2006 in seinem Kiosk in Dortmund erschossen und gilt als achtes Opfer der NSU-Mordserie.

Das Interview führte Andrea Grunau.

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