Apfelkomplott
13. Mai 2013Als ich anfing, all diese schönen und gut gemeinten Internet-für-eine-bessere-Welt-Konferenzen zu besuchen, ist mir zu allererst eines aufgefallen: So gut wie jeder klappt ein Laptop vor sich auf. Sie sehen sich alle sehr ähnlich, diese Laptops, fast alle sind aus elegantem Aluminium, sie sind sehr dünn und leicht und auf den Rücken der hochgeklappten Displays prangt ein angebissener Apfel.
Bei diesem Anblick glaubt man eher nicht, dass die meisten Computer weltweit immer noch Windows-PCs sind. Oder "Dosen", wie man früher sagte – vom Betriebssystem DOS, das kennt ja heute gar keiner mehr. Auf der re:publica jedenfalls ist das nicht der Fall. Hier fällt man zwischen all den Mac-Usern als Sonderling auf, wenn man etwa ein Dell-, Sony- oder Samsung-Notebook mit sich trägt. Froh, nicht allzu sehr aufzufallen, ziehe ich mein eigenes Macbook aus der Tasche und begebe mich in den Mainstream.
#aktion
Auffallend viele Leute hier sehen so aus, als seien sie hochgradig politisch engagiert. Das sind sie auch, sonst wären sie nicht hier. Ihre Stichworte sind Meinungsfreiheit, Zensur, Transparenz, Netzneutralität, Datenschutz, Solidarität, Netzpolitik, Klima- und Umweltschutz, Nachhaltigkeit – rundum also stehen sie für innovative Vorschläge, für eine wirklich bessere Welt.
Irgendwas passt hier nicht zusammen. Und ich weiß auch, was.
Alle hier wissen doch, zu welchen Bedingungen die schönen Macbooks, iPads und iPhones hergestellt werden. Für sie dürfte das Wort "Foxconn" kein Fremdwort sein. Das ist die Fabrik in Taiwan, die für die Ausbeutung ihrer Arbeiter weltbekannt ist. Sie fertigt für Amazon, Dell, Nintendo, Hewlett-Packard, Samsung, IBM, Lenovo, Motorola, Nokia, Sony, Toshiba… Apple ist der größte Kunde - und geht nicht zimperlich mit den Chinesen um. Apple steht deswegen unter Druck, aber noch nicht genug.
Uns allen müsste doch regelmäßig schlecht werden, wenn wir unsere Notebooks betrachten. Durch welche geschundenen Arbeiterhände sind die schon gegangen, bevor sie in Apples Hochglanzverpackungen gebettet worden sind?
#re:aktion?
Es wäre doch mal interessant zu untersuchen, warum Mac-User all diese Dinge soweit ausblenden und auf einer Internet-für-eine-bessere-Welt-Konferenz mit ihren Macs herumhantieren, während sie Bionade trinkend laut über Nachhaltigkeit, fairen Handel und all die anderen Aktivisten-Themen diskutieren.
Konsequenter wäre ja, mal zu gucken, ob es nicht auch Geräte gibt, die fair hergestellt und gehandelt werden. Oder im Kollektiv medienwirksame Aktionen starten, die Apple zum Nachdenken bewegen könnten. Wo könnte das besser gehen als an so einem Ort, bei so einer Konferenz? In diesem Jahr waren wir mehr als 5 000 Blogger, Aktivisten, politisch interessierte und engagierte Menschen!
Vielleicht sind wir aber alle zu bequem dazu und bloggen lieber weiter mit unseren Macbooks auf dem Schoß über die Ungerechtigkeiten dieser Welt und unterschreiben Online-Petitionen.
Ich klappe mein Macbook zu, gucke noch mal auf mein iPhone, steige aufs Fahrrad, radle nach Hause. Mein iPod spielt "Kings of Convenience". Ja, vielleicht sind wir alle einfach zu bequem.
Silke Wünsch ist Redakteurin der Seite "Digitales Leben". Eines Tages wurde sie gefragt, ob sie diese Seite gerne betreuen möchte. Sie sagte: "Nun, ich bin bei Facebook und liebe hübsche Computer aus Cupertino, warum eigentlich nicht?" Und schon hatte sie den Job. Nachdem DW-Netzkolumnist Marcus Bösch seine letzte Digitaliät an dieser Stelle abgelegt hat, ist sie nun in die Rolle des Internet(volk)studierers und Zeitgeistkommentators geschlüpft.