Apocalypse Now ?
4. Oktober 2025
„Lass uns in Kino gehen. Welche Filme magst du?“ Ich antworte darauf meistens mit: Auf keinen Fall was mit Gewalt und Brutalität. Wobei es dabei ein paar Ausnahmen gibt: Es gibt Filme, die rütteln mich wach. Holen mich aus meiner scheinbar „heilen“ Welt. Und das ist richtig so.
Ein berühmter Film, der diese Funktion erfüllt, ist „Apokalypse now“. Schon alt. Von 1979. Regisseur dieses Anti-Kriegs-Films ist Francis Ford Coppola. Die Handlung spielt während des Vietnamkriegs. Meine Schmerzgrenze übersteigt dieser Film. Er gibt eine Ahnung davon, wie schrecklich und sinnlos Krieg ist. „The horror! The horror!“ Das sind die letzten Worte einer der Hauptfiguren in „Apocalypse Now“.
Ich finde es wichtig, das zu zeigen. Damit ich etwas verstehe von dem, was sich nicht in Worte fassen lässt. Manche Filme basieren auf wahren Ereignissen. Auch dieser. Im Drehbuch verarbeitet sind unter anderem Reportagen aus dem Vietnamkrieg des US-amerikanischen Kriegsberichterstatters Michael Herr: „An die Hölle verraten“ (englischer Originaltitel „Dispatches“)
Jede Zeit der Welt hatte das, was man als apokalyptische Ereignisse beschreiben kann. Das letzte Buch der Bibel heißt Apokalypse, zu Deutsch „Offenbarung“. Der Verfasser Johannes ist auch eine Art Regisseur, der schreckliche Szenen ausmalt: Da treten vier Reiter auf die Weltbühne. Als Boten der nahenden Apokalypse – oder auch des „Jüngsten Gerichts“, des Strafgerichts Gottes am Ende der Zeiten. Die Zeichen des Endes sind Machtmissbrauch, Krieg, Hunger, Krankheit und Tod. Schreckliche Szenen. Apokalyptische Szenen.
Das Wort „Apokalypse“ bedeutet nicht in erster Linie Weltuntergang. Es bedeutet „Enthüllung“. Es zeigt, was hinter den Kulissen für Kräfte wirken.
Der Film „Apocalypse Now“ enthüllt, wie der Krieg Menschen verändert – wie er das Menschliche in mir zerstören kann. Colonel Walter E. Kurtz, eine der Hauptfiguren wird zum Sinnbild für diesen Wahnsinn, den der Krieg freilegt.
Die Apokalypse des Johannes in der Bibel enthüllt: Das Böse ist nicht nur in einzelnen Menschen. Es steckt auch in Systemen. In Machtstrukturen, in Ideologien, in dem, was Johannes als „die Bestien“ beschreibt.
Apokalyptische Szenen gibt es aktuell viele: Dokumentationen aus der Ukraine oder aus Israel und Palästina. Zerbombte Städte, gefolterte, vergewaltigte, verstümmelte Leichen und Verletzte.
Ich sehe Dürren, Überschwemmungen, brennende Wälder – Zeichen der Klimakrise.
Ich erlebe, wie Fake News, Hass und Propaganda Menschen gegeneinander aufhetzen. Schleichendes Gift, noch untermauert durch Künstliche Intelligenz, die durch gezielte falsche Informationen selbst Fakenews generiert.
Apokalypse – das heißt: Das wird aufgedeckt. Das kommt ans Licht. Apokalypse ist nicht etwas in der Zukunft, was noch kommt. Es ist nicht Vergangenheit. Es ist Gegenwart.
Der Film „Apokalypse Now“ endet im Grauen, im Dunkeln. Mit dem entsetzlichen Fazit: „The horror!“ Die Apokalypse in der Bibel bleibt nicht beim Horror stehen. Nach allen Katastrophen öffnet sich der Himmel: „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz.“ (Die Bibel, Offenbarung 21,4)
Das ist die andere Dimension der Apokalypse: Sie enthüllt das Böse – und sie öffnet die Augen für die Hoffnung. Sie zeigt: Krieg, Gewalt und Unrecht haben um Gottes Willen nicht das letzte Wort.
Apokalypse – das ist die Enthüllung dessen, was die Welt zerstört.
Offenbarung – das ist die Zusage dessen, der die Welt rettet.
Deshalb habe ich Hoffnung trotz aller apokalyptischen Nachrichten dieser Tage. Ich hoffe auf Gott, der die Tränen abwischt. Und auf Menschen, die heute schon Zeichen dieser Hoffnung setzen – im Einsatz für Frieden, im Teilen, in der Solidarität.
Die Apokalypse sagt: Sieh genau hin!
Und die Offenbarung sagt: Verzweifle nicht – sondern halte fest an der Hoffnung.
Zur Autorin:
Landespfarrerin Petra Schulze, Jahrgang 1965, ist die Evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR und Leiterin des Evangelischen Rundfunkreferates NRW in Düsseldorf. Sie hat Evangelische Theologie, Publizistik und Sozialpsychologie in Bochum studiert. Nach Tätigkeiten beim WDR Hörfunk und WDR Fernsehen waren ihre beruflichen Stationen im Ennepe-Ruhr-Kreis, Dortmund und bis 2011 als Evangelische Senderbeauftragte für das Deutschlandradio und die Deutsche Welle in Berlin.
Der Beitrag wird redaktionell von den christlichen Kirchen verantwortet.