Apolda: Ehemalige DDR-Strickhochburg zeigt Gespür für Mode
30. April 2008Apolda im ostdeutschen Thüringen ist kein unbeschriebenes Blatt in der Modebranche, denn seit 15 Jahren dort der Apolda European Design Award verliehen. Kein provinzieller Modepreis, denn mit 25.000 Euro Preisgeld ist er einer der am höchsten dotierten Preise für Jungdesigner. Die Anwärter kommen von den besten Modedesignschulen Europas: H&M, Joop und S.Oliver gehen in Apolda auf Nachwuchssuche. Ganz Apolda ist mittlerweile im Modefieber, denn schließlich geht es für die Stadt auch darum, den Glanz früherer Jahre wieder aufleben zu lassen.
Modehochburg der ehemaligen DDR
In der DDR war Apolda unangefochtene Hochburg der Strick- und Textilindustrie. Laut Stadtchronik fing David der Strickermann 1593 damit an, seither entwickelte sich die ostdeutsche Kleinstadt Masche um Masche zur Hochburg der Strick- und Textilindustrie. Zu DDR-Zeiten war Mode aus Apolda der letzte Schrei: Die Klamotten seien meist unter dem Ladentisch gehandelt worden, erzählt Bärbel Riedel. Sie ist die fünfte Strickergeneration in ihrer Familie. "Früher gab es überall das gleiche in den Warenhäusern und wir haben immer versucht etwas Extravagantes zu machen", sagt Riedel.
Die meisten Aufträge machten sie für den Westen, für das NSA - das Nichtsozialistische Ausland – und wenn alles geschafft war, für die DDR. Kleine Produktionskapazitäten, die nicht für alle ausreichten und zu Schlangen vor den Läden führten. Nach dem Fall der Mauer kam Apolda gegen Konkurrenten in Polen oder China nicht mehr an. Die einzige Chance: Nischen suchen, Tradition mit neuen Trends verbinden. Die zündende Idee war dann der Mode-Design-Award. Das war 1993.
Raus aus der Modeflaute, rein ins hippe Designermilieu
15 Jahre später ist der Manager des Awards, Hans-Jürgen Giese, selbst überrascht über den Erfolg. Das Projekt sei immer größer geworden zu einem mittlerweile universellen Projekt, das alle Aspekte bedient: Außenmarketing, Innenmarketing, Kultur, Tourismus. "Besser geht es gar nicht. Wir nehmen die Elite der Elite von den Hochschulen, denn die sind ja auch für die Firmen interessant", erklärt Giese.
Erst kamen der inzwischen verstorbene Münchner Modezar Mooshammer, dann Wolfgang Joop und im letzten Jahr sogar Karl Lagerfeld vorbei, um zu schauen, was in Apolda los ist. Aktuell richtet Adidas im städtischen Kunsthaus eine Ausstellung aus und daneben gibt es jährlich Modeworkshops, in denen örtliche Strickbetriebe und Modedesign-Studenten gemeinsam Kollektionen mit anschließenden Modenschauen auf dem Marktplatz produzieren.
Jungdesigner aus Europa entdecken Apolda für sich
Beim Designerwettbewerb traten in diesem Jahr 30 Teilnehmer aus neun europäischen Ländern an. Das Gros der Nachwuchstalente hatte den Namen Apolda vor ihrer Nominierung noch nie gehört: "Erst als wir hier waren, haben wir gemerkt, wie professionell alles hier abläuft. Ich war ehrlich überrascht und beeindruckt. Und die Stimmung ist super und relaxed, wir feiern hier eher eine große Party mit Leuten, die ähnliche Interessen haben", beschreibt Marit van Bergen von der ArtEZ Academy im niederländischen Arnheim die Verleihung. Selbst einen Konkurrenzkampf gebe es nicht.
Denn alle Modestudenten werden heftig umgarnt von Talent-Scouts namhafter Unternehmen. So auch vom Modehaus H&M. Sprecher Mathias Gedhun bestätigt, dass die Chefdesignerin durchaus Leute gefunden habe, mit denen sie sich eine Zusammenarbeit gut vorstellen könne. Wahrscheinlich auch mit den diesjährigen Siegern Karin Scholz und Juan Tarragó Pampalona, die mit ihrer Kollektion "Drawlink Places" bei der Jury punkteten.
"Drawlink Places" ist eine Gemeinschaftsarbeit zwischen Berlin und Barcelona und verbindet nicht nur Stadtkulturen, sondern auch Mode mit Malerei. Wenn Juan Tarragó Pampalona zeichnete und mit Graffiti herumexperimentierte, kamen Karin Scholz Ideen für Kleider und andere Kleidungsstücke. "Uns ging es darum, die Graffiti-Kultur, als gemeinsame Sprache der Stadt, egal ob Berlin oder Barcelona, lebendiger zu machen, von den starren Hauswänden und der Illegalität auf Kleidung als etwas Bewegliches zu übertragen", erklärt Pampalona.
Neue Trends für Designer, gute PR für Apolda
Und was bleibt der Stadt Apolda vom Design-Award? Kultur und Publicity? Keine Frage! Tourismus? Die Hotels sind voll, die Weinreserven leer. Und was haben die Stricker in Apolda, die eigentlichen Urheber des Projektes, nun davon? Neue Ideen, sagt die Strickerin Bärbel Riedel, die im Sommer eine ziemlich knappe Strickbikini-Kollektion herausbringt – und natürlich Kontakte.
Das Berliner Trend-Label C.Neon, ehemals Teilnehmer am Strickworkshop in Apolda, lässt inzwischen wieder hier produzieren. Auch Karl Lagerfeld hat darüber öffentlich nachgedacht: Zwar machte er wieder einen Rückzieher, doch das Echo in den Medien war dennoch groß und brachte die Kleinstadt Apolda in die Schlagzeilen als Modestadt. Die Preisverleihung sei eben ein gutes Marketing für Apolda, bestätigt Riedel. "Für uns Strickbetriebe könnte noch mehr rüberkommen, aber es ist gut, dass sich überhaupt etwas bewegt."